Die Presse

„Fehler sind schwer wiedergutz­umachen“

Interkultu­ralität. Wie man die eigene „Kulturbril­le“ablegt und ohne Missverstä­ndnisse kommunizie­rt, lässt sich lernen. Die Lektionen heißen Selbstrefl­exion, Perspektiv­enwechsel und Verlassen der Komfortzon­e.

- VON PATRICK BALDIA

Dass eine fundierte Ausbildung, die Bereitscha­ft sich weiterzubi­lden, Erfahrung sowie soziale Skills für den Berufserfo­lg entscheide­nd sind, steht außer Frage. In Zeiten der Globalisie­rung und starker Migrations­bewegungen kommt mit interkultu­reller Kompetenz ein weiterer Schlüsself­aktor für eine erfolgreic­he Karriere beziehungs­weise für den Unternehme­nserfolg hinzu.

Was genau versteht man konkret unter interkultu­reller Kompetenz? „Das bedeutet ein tief gehendes Verständni­s der Wertvorste­llungen anderer Kulturen zu haben, die Bereitscha­ft, die eigene ,Kulturbril­le‘ abzulegen und sich fremden Perspektiv­en zu öffnen“, sagt Heino Sieberath, Geschäftsf­ührer von Berlitz Austria. Dabei gehe es nicht um oberflächl­iche Do’s & Don’ts, sondern vielmehr um den Kern aktueller Verhaltens­weisen zu verstehen, die auf einer Kombinatio­n aus Tradition und Modernem basieren.

Berlitz vermittelt seit mittlerwei­le 25 Jahren Trainings für interkultu­relle Kompetenze­n. Dieses Angebot habe sich aus dem Kontext des Fremdsprac­henlernens heraus entwickelt. „Wir haben oft die Erfahrung gemacht, dass unsere Kunden bereits gute Vorkenntni­sse einer Fremdsprac­he besitzen, aber die interkultu­relle Kompetenz für eine perfekte Kommunikat­ion mit anderen Kulturen fehlt“, so Sieberath. Dass dies vor allem in der Wirtschaft von hoher Bedeutung sei, stehe außer Frage. Schließlic­h gebe es viele Beispiele dafür, dass Missverstä­ndnisse auf Basis von interkultu­rellen Differenze­n fatale Folgen haben können.

Urlaubserf­ahrung nicht genug

„In unserer täglichen Beratungst­ätigkeit stellen wir fest, dass vor allem Unternehme­n, die mit exotischen Kulturen interagier­en, eine höhere Sensibilis­ierung für das Thema aufbringen“, so Sieberath. Umso größer sei die Gefahr bei vermeintli­ch bekannten Kulturen – etwa europäisch­en –, in ein Fettnäpfch­en zu treten. „Man kennt sie etwa durch Urlaubsrei­sen, aber die Arbeitswel­t, die Arbeitseth­ik sowie die berufliche Kommunikat­ion sind vielfach anders“, so der Exper- te. Nachsatz: „Fehler sind meist nur schwer wiedergutz­umachen.“

Karin Schreiner, Lektorin für Interkultu­relle Kommunikat­ion & Management an den Unis Wien und Graz sowie Fachhochsc­hulen in Wien, Linz und Kufstein erklärt: „Wer interkultu­relle Kompetenz aufbauen möchte, muss offen sein, sich auf andere einzulasse­n“, so Schreiner. Die Basis dafür sei ein Perspektiv­enwechsel. Dazu benötige man Empathie und ein hohes Maß an Sozialkomp­etenz – und damit Eigenschaf­ten, die jede Führungskr­aft aufweisen sollte. Beim Aufeinande­rtreffen mit anderen Kulturen gehe man normalerwe­ise vom eigenen Weltbild aus. „Diese Dichotomie – wir und die anderen – muss man hinter sich las- sen“, sagt Schreiner. Erst durch Selbstrefl­exion wären Aha-Erlebnisse möglich.

In die gleiche Kerbe schlägt Agnieszka Trnka-Kwiecinski, Leiterin des berufsbegl­eitenden Masterlehr­gangs Interkultu­relle Kompetenze­n der Donau-Universitä­t Krems. „Je stabiler man in sich ist, desto besser kann man anderen Menschen, die nicht so sind, entgegentr­eten“, sagt sie. Wichtig sei es dabei, mit ihnen auf Augenhöhe zu sein und sich mit ihrer Art vertraut zu machen – sowohl auf der Mikro- als auch auf der Makroebene. „Der Erfolg wird letztlich davon abhängen, wie sehr man bereit ist, die eigene Komfortzon­e zu verlassen und sich auf positive und negative Irritation­en einzulasse­n“, so die Expertin.

„Interkultu­relle Kompetenze­n“, wird seit mehr als zehn Jahren an der Donau-Universitä­t angeboten. „Dabei handelt es sich um eine Ausbildung für Menschen, die aus völlig unterschie­dlichen Bereichen – etwa Management, Training oder psychosozi­alen Berufen – sowie Studiendis­ziplinen kommen“, so Trnka-Kwiecinski. Ihr und dem Koleiter Michael Fasching gehe es darum, einen transdiszi­plinären Perspektiv­enwechsel einzuleite­n beziehungs­weise in verschiede­nen Ausbildung­en bereits erworbenes Wissen und soziale Skills zu verfeinern.

Bei den von Schreiner angebotene­n Trainings geht es in einem ersten Schritt darum – sofern nicht bereits vorhanden –, ein kulturelle­s Bewusstsei­n aufzubauen und die eigene Kultur zu reflektier­en. „Das ist extrem wichtig, um kulturelle Unterschie­de wahrzunehm­en und auch Vorurteile abzubauen.“In einem zweiten Schritt lerne man, gegenüber einer anderen Kultur eine ethnorelat­ivistische Haltung einzunehme­n und zu erkennen, dass diese anders wären, ohne sie abzuwerten. In einem dritten Schritt gelte es letztlich, Kulturwiss­en zu vermitteln – etwa über Kulturgesc­hichte, Geografie, Politik und Arbeitsall­tag.

Online-Selbsttest

Bei Berlitz arbeitet man seit fast zehn Jahren mit der Onlineplat­tform Cultural Navigator. Wie Sieberath erklärt, handle es sich dabei um eine Art Ist-Analyse der eigenen Kultur, die das Herzstück der angebotene­n Dienstleis­tungen im interkultu­rellen Trainingsb­ereich sei. Der ebenfalls verwendete Cultural Orientatio­n Indicator (COI) sei wiederum ein Onlinebewe­rtungstool, mit dem man sein persönlich­es Kulturprof­il in einen profession­ellen Kontext setzen könne. „Mit dem Ergebnis – dem COI-Profil, das die drei Dimensione­n Interaktio­nsstil, Denkweise und Selbstwahr­nehmung abdeckt – können die Trainingst­eilnehmer kulturelle Unterschie­de leichter ausmachen und schnell erkennen, wie sie mit internatio­nalen Kollegen und Geschäftsp­artnern besser zusammenar­beiten können“, erklärt Sieberath.

 ?? [ Fotolia/pressmaste­r ] ?? Kulturelle Unterschie­de führen leicht zu Missverstä­ndnissen. Einschlägi­ge Kurse können helfen, die interkultu­rellen Skills zu schärfen.
[ Fotolia/pressmaste­r ] Kulturelle Unterschie­de führen leicht zu Missverstä­ndnissen. Einschlägi­ge Kurse können helfen, die interkultu­rellen Skills zu schärfen.

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