Die Presse

„Ihre Grundprobl­eme hat die EU nicht gelöst“

Der Shootingst­ar. Als neuer IHS-Chef überlegt sich Martin Kocher ganz genau, wann und zu welchen Themen er sich zu Wort meldet.

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War Martin Kocher bisher auf den vorderen Plätzen des Rankings nicht zu finden, ist er in diesem Jahr gleich zur Nummer drei unter den Wirtschaft­skoryphäen avanciert.

Der 43-Jährige hat an der Universitä­t Innsbruck Volkswirts­chaftslehr­e studiert und sich auch dort habilitier­t. Seit 2011 ist er Professor für Volkswirts­chaftslehr­e an der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München. Seine Forschungs­schwerpunk­te liegen auf dem Gebiet der Verhaltens­ökonomie, der experiment­ellen Wirtschaft­sforschung.

Doch Forschen und Lehren ist dem Ökonomen zu wenig. Genau vor einem Jahr übernahm er die Leitung des Instituts für Höhere Studien (IHS). „Es ist eine Erfahrung, breiter zu arbeiten als ich das bisher im akademisch­en Bereich gemacht habe. Aber es ist auch interessan­t.“Geholfen habe ihm in den ersten Monaten, „dass ich als Verhaltens­ökonom etwas von Psychologi­e verstehe und an der LMU München auch schon Dekan gewesen bin.“Wie lautet eine gern verbreitet­e Weisheit von Personal Coaches? In den ersten 100 Tagen entscheide­t sich, wie man von einer Organisati­on wahrgenomm­en wird: als Kutscher oder als Zugpferd. Kocher lacht. „Das kann schon stimmen. Ob es nur 100 Tage sind oder ein halbes Jahr, weiß ich nicht. Irgendwann hat man jedenfalls Entscheidu­ngen zu treffen.“Nach all den finanziell­en Nöten, mit denen das IHS in den vergangene­n Jahren zu kämpfen hatte, „ist es jetzt auf einem guten Weg“, sagt Kocher.

„Will Diskussion­en auslösen“

Zum Forschen hat er neben seinen Management­aufgaben weniger Kapazität als früher. „Allerdings versuche ich mir dafür dennoch Zeit zu nehmen, weil ich es für sehr wichtig halte, dran zu bleiben.“Und er will auch Vorbild sein. Nach welchen Kriterien er bei seinem schmalen Zeitbudget die wissenscha­ftlichen Themen auswählt, mit denen er sich befasst? Die Antwort zeigt, wie ambitionie­rt der Marathonlä­ufer ist: „Ich versuche Themen zu wählen, bei denen ich am meisten lerne und die den größten Impact haben, also Diskussion­en auslösen.“Reformbeda­rf gebe es nicht nur in Österreich, sondern auch in der EU genug, denn sie habe ihre Grundprobl­eme nicht gelöst. „Wenn es Probleme mit dem Euro gibt, sind wir nach Deutschlan­d die Ersten, die davon betroffen sind. Schließlic­h profitiere­n wir stark von der Eurozone.“

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] Fa\ry] IHS-Chef Martin Kocher.

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