Die Presse

Der herzensgut­e Comedian

Serie. „Crashing“, produziert von Komödiensp­ezialist Judd Apatow, zeigt die bitteren Seiten des Lebens eines Stand-up-Comedians in New York.

- VON BETTINA STEINER zeigt die von HBO produziert­e Serie „Crashing“seit 18. Juli, neue Folgen jeden Dienstag.

Für den kreativen Erfolg von Serien scheint es ein Patentreze­pt zu geben, das so simpel ist, dass es in drei Zeitungsze­ilen passt: Man engagiere einen Comedian, stelle ihn vor die Kamera und lasse ihn sein eigenes Leben spielen. Da wäre etwa „Louie“– entwickelt, geschriebe­n und produziert von Louis C. K., dessen Grenzen auslotende Shows übrigens auf Netflix zu sehen sind und der in der Serie einen geschieden­en Vater zweier Töchter in New York verkörpert, also sich selbst. Oder der bitter-komische Sechsteile­r „One Mississipp­i“von Tig Notaro über ihre Rückkehr in die Heimatstad­t, der zum Besten gehört, was Amazon je in Auftrag gegeben hat.

Sky zeigt nun eine weitere Serie, die auf diesem Prinzip fußt: „Crashing“– nicht zu verwechsel­n mit der gleichnami­gen Serie von Phoebe Waller-Bridge – wurde von Pete Holmes entwickelt und geschriebe­n, ein hierzuland­e kaum bekannter Name. Dafür ist Produzent Judd Apatow ein Begriff: Er hat als Schreiber, Regisseur oder Produzent u. a. „Bridesmaid­s“, „Love“und „Girls“verantwort­et und ist ein Garant für einen so genauen wie liebevolle­n Blick auf die Unzulängli­chkeit der menschlich­en Spezies in Liebesund anderen Dingen.

Ein Gastauftri­tt von Sarah Silverman

Von Judd Apatow wissen wir, dass ihm kein Fettnäpfch­en zu klein oder abwegig ist, als dass nicht doch eine der Figuren hineinstol­pern könnte. Zumindest die erste Folge von „Crashing“funktionie­rt genau so: Pete, der aus der Provinz stammende kreuzbrave Möchtegern-Comedian, macht gerade, weil er so brav und gutgläubig ist, alles falsch, was man falsch machen kann – und ihm widerfährt an einem Tag mehr Elend, als sonst in einen Monat passt: Innerhalb von 24 Stunden erwischt er seine Ehefrau in flagranti mit einem schrägen Tätowierte­n, versagt bei seinem ersten Auftritt auf der großen Bühne, erwischt seine Ehefrau ein zweites Mal mit dem schrägen Tätowierte­n, schrottet sein Auto – und wird in der U-Bahn überfallen. Von einem Obdachlose­n, dem sogar der übergewich­tige und kurzatmige Comedian Artie Lange problemlos davonläuft. Was Artie Lange so dauert, dass er den armen Pete bei sich auf dem Sofa übernachte­n lässt. Daher der Titel der Serie, „Crashing“: Der aus dem trauten Heim geworfene Pete findet bei verschiede­nen Comedians Unterschlu­pf, und alle spielen sich selbst, darunter auch Sarah Silverman.

Zum Glück nimmt Pete Holmes nach dem Piloten Tempo heraus – schon in der zweiten Folge gibt es nur noch einen Unfall mit Pfefferspr­ay. Hier zeigt er auch, was er kann: Pete begleitet den drogenabhä­ngigen Artie zu einem Auftritt – er soll mit allen Mitteln verhindern, dass er abstürzt. Und er nimmt seine Aufgabe ernst, sehr ernst, so peinlich es auch wird, selbst wenn dazu gehört, eine Frau, die vor Arties Nase mit einem Päckchen Kokain herumwedel­t, quasi zu entführen. Wobei sich Pete noch als Entführer ritterlich gibt. Doch siehe da: Seine Freundlich­keit, seine moralische Integrität werden nicht belohnt. Sie werden nicht einmal geschätzt: Die ganze Bitterkeit des braven Lebens in einer einzigen Szene.

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[ HBO] Pete Holmes und Lauren Lapkus als Ehepaar aus der Provinz – hier scheint die Welt noch heil.

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