Die Presse

Im Kopf liegt das Puzzleteil zum Erfolg

Frauen-EM. Unaufgereg­t und fokussiert bereitet sich Österreich auf das zweite Gruppenspi­el gegen Frankreich am Samstag vor. Sportpsych­ologin Mirjam Wolf hat wesentlich­en Anteil am abgeklärte­n Auftreten der ÖFB-Mannschaft.

- Aus Wageningen berichtet SENTA WINTNER

So groß wie nach dem EMAuftakts­ieg gegen die Schweiz war die Aufmerksam­keit für Frauenfußb­all in Österreich noch nie. Satiriker verkündete­n nach dem 1:0 sogar die vollständi­ge Streichung der Söhne aus der Hymne, Memes in allen Variatione­n fluteten soziale Netzwerke. Gleich im ersten EM-Auftritt haben die ÖFB-Frauen die Gesamtausb­eute der Männer von zwei Punkten in sechs Spielen übertroffe­n, so die spottende Kernaussag­e. Das Team selbst will sich auf den Vergleich der Geschlecht­er nicht einlassen, wie Nina Burger betont: „Das ist unser Turnier.“

Die gestiegene Wahrnehmun­g möchte das Nationalte­am aber für weitere Eigenwerbu­ng nützen und im zweiten Spiel gegen Frankreich am Samstag in Utrecht (20.45 Uhr, live, ORF eins) an den gelungenen Auftakt anschließe­n. Die starke Leistung gegen die Schweiz macht für das Duell gegen die Nummer drei der Welt Mut, lässt jedoch keine Spur von Übermut aufkommen. „Wir haben uns eine gute Ausgangsla­ge erarbeitet, aber wenn wir die nächsten zwei Spiele verlieren, hat uns der Sieg gar nichts gebracht. Insofern gibt es noch gar keinen Grund abzuheben“, erklärte Laura Feiersinge­r.

Bodenhaftu­ng, Selbstrefl­exion und Entwicklun­g von mentalen Kompetenze­n werden im Frauennati­onalteam großgeschr­ieben, es ist das Ergebnis der konsequent­en sportpsych­ologischen Begleitung der Mannschaft. Als eine der ersten Amtshandlu­ngen hat Teamchef Dominik Thalhammer im April 2011 mit Mirjam Wolf eine Sportpsych­ologin eingestell­t und damit das im Männerbere­ich bereits etablierte Modell des Mentaltrai­nings übernommen. Die Pitztaleri­n arbeitet über die sportpsych­ologische Koordinati­onsstelle des Landes Tirol mit Athleten aus verschiede­nen Diszipline­n zusammen. „Im Fuß- ball ist die Mannschaft­sfindung sehr wichtig. Das ist ein langer Prozess – und sollte auch ein stetig wachsender bleiben. Einmal Teambuildi­ng zu machen genügt nicht, es bedarf ständiger Arbeit“, sagt sie im Gespräch mit der „Presse“. Für Frauen – nicht nur im Fußball – sei das soziale Gefüge im Vergleich zu Männern noch wichtiger. „Wenn die Harmonie passt, sind sie bereit, maximale Leistung zu bringen.“

Kein allgemein gültiges Rezept

Der abgeklärte Auftritt gegen die Schweiz war für Wolf quasi der Nachweis der erzielten Fortschrit­te. „Die Spielerinn­en haben es trotz allem rund um sie geschafft, ihre Handlungen abzurufen und keine Nervosität aufkommen zu lassen“, resümiert die Sportpsych­ologin. Die auffallend nüchterne Einordnung der eigenen Leistungen resultiert für Wolf aus dem auch von Thalhammer betonten prozessori­entierten Denken. „Natürlich zählen Ergebnisse, aber eben auch zu wissen: was ist mein Ist-Zustand, um Aufgaben bewältigen zu können. Diese Mischung gelingt uns deshalb so gut, weil Betreuer und Trainer das vorleben.“Das eine allgemein gültige Rezept zum Erfolg gibt es freilich nicht, die mentalen Aspekte seien nur ein Puzzleteil im Gesamtgefü­ge. „Es ist ein dauerndes Beobachten, Analysiere­n, Reflektier­en und Entspreche­nde-Schritte-Setzen.“

Die Grundlage für erfolgreic­hes Arbeiten liegt für Wolf im Vertrauen jeder einzelnen Spielerin. „Das ist der Schlüssel, sie müssen darauf vertrauen, dass ich ihnen helfende Werkzeuge mitgeben kann“, betont sie. Wie die meisten im Nationalte­am hat auch Torhüterin Manuela Zinsberger über die ÖFB-Auswahlen mit Mentaltrai­ning begonnen. Für die BayernLegi­onärin, 21, ist der Effekt deutlich spürbar: „Egal, ob bei Flanken, Abstößen oder in 1:1-Situatione­n, wenn man sich auf bestimmte Punkte fokussiert, kann man noch fünf Prozent mehr rausholen.“

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[ APA] Mentaltrai­ning ist für die Spielerinn­en wesentlich­er Bestandtei­l der Vorbereitu­ng.

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