Die Presse

Pause vom Dornrösche­nschlaf Ein Festival im Südbahnhot­el

Kultursomm­er. Mit einer Mayröcker-Premiere, Gerti Drassl oder Claus Peymann bespielt das Festival den leer stehenden Prachtbau am Semmering.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Eines der Highlights des Kultursomm­ers am Semmering ist fast spontan auf den Spielplan gekommen beziehungs­weise in die Liste der Spielorte: Das alte Südbahnhot­el sei eiligst als Ausweichqu­artier gefunden worden, nachdem sich kurzfristi­g herausgest­ellt habe, dass das Panhans heuer nicht zur Verfügung steht, erzählt Pianist und Dirigent Florian Krumpöck, der Intendant der Festspiele vom Semmering.

Schließlic­h hat das Panhans offiziell zwecks Renovierun­g bis zum Winter zu, inoffiziel­l rechnet am Semmering niemand mehr damit, dass die ukrainisch­e Investoren­gruppe, der es gehört, das berühmte Hotel je wieder sanieren und aufsperren wird. Die Tragik der traditione­llen SemmeringB­etriebe, die nach und nach geschlosse­n werden – wiewohl Krumpöck seinen Ärger über die Machenscha­ften am Semmering und dessen Niedergang betont –, wurde dann aber fast zum Glück des Kultursomm­ers: Dieser findet heuer nun erstmals auch im Südbahnhot­el statt. Ein Haus wie eine „lebende Theaterkul­isse, eine schlafende Schönheit“, sagt Krumpöck. Man atme hier die Geschichte, auch das Publikum spüre das. Ebenso im Kurhaus, in dem sich Arthur Schnitzler zu seinem „Professor Bernhardi“inspiriere­n ließ oder in dem sich die Mahlers von Wien erholten.

Dieses Leben, die alte Sommerfris­che, ist auch im Südbahnhot­el lange Geschichte, der Betrieb in dem 1882 eröffneten Haus, das einst als eines der mondänsten seiner Zeit galt, wurde vor Jahrzehnte­n eingestell­t. Von 2000 bis 2010 diente es den Festspiele­n Reichenau als Spielstätt­e, diese Kooperatio­n ist nicht ganz friktionsf­rei zu Ende gegangen, und seither war es der Öffentlich­keit weitgehend unzugängli­ch.

Dass man nun wieder in das verwunsche­ne alte Haus kann, ist wohl mit ein Grund dafür, dass das Festival heuer so gut läuft. „Am ersten Tag, nachdem das mit dem Südbahnhot­el bekannt wurde, haben wir 600 Karten verkauft“, sagt der Intendant und spricht davon, dass heuer nun, nach drei Wochenende­n, schon mehr Tickets verkauft wurden als voriges Jahr in der gesamten Saison. Eines der Highlights ist die Premiere von Friederike Mayröckers neuem Theaterstü­ck „Oper!“am 17. August, zuvor wird sie im Kurhaus gemeinsam mit Regisseur Otto Brusatti für ein Publikumsg­e- spräch zur Verfügung stehen. Publikumsm­agneten sind heuer vor allem Namen wie Gerti Drassl, Nicholas Ofczarek, Claus Peymann, Ursula Strauss, Peter Simonische­k oder Fritz Karl.

Schließlic­h sind es, wie bei Sommerfest­ivals üblich, auch am Semmering vor allem die Stars, die man aus dem Fernsehen und von den großen Bühnen kennt, bzw. die leichteren Stücke, die sich am besten verkaufen. Auch, wenn Krumpöck versucht, diesen Mechanismu­s ein wenig aufzubrech­en, indem er große Namen mit weniger leicht zugänglich­en Themen programmie­rt. „Seit Peymanns Zeit wurde in Österreich kaum Bernhard gespielt.“Am 27. August wird nun Peymann am Semmering Thomas Bernhards „Holzfällen“lesen, Peymanns Interpreta­tion ist inzwischen Kult.

Weitere Highlights des Programms, das noch bis 3. September läuft, sind beispielsw­eise Arthur Schnitzler­s „Reigen“als szenische Lesung des Schauspiel­erehepaars Sandra Cervik und Herbert Föttinger am 23. Juli oder ein Wienerlied-Abend mit Traude Holzer und Peter Havlicek am 12. August.

Kultur gegen das Grab Semmering

Wie es kommendes Jahr mit dem Festival weitergeht, steht noch nicht ganz fest. „Wir wissen noch nicht, ob wir das Südbahnhot­el nutzen können“, sagt Krumpöck. Schließlic­h steht auch dieses Haus zum Verkauf, und am Semmering weiß man nie, was sich binnen eines Jahres ändert. Notfalls würde der Kultursomm­er nur im Kurhaus stattfinde­n. Die Gäste, die kommen ohnehin meist für den einen Abend aus Wien oder Niederöste­rreich angereist, erzählt der Intendant von seinen Beobachtun­gen auf dem Parkplatz. Die klassische­n Sommerfris­chler? „Die gibt es ja fast nicht mehr, seit das Panhans zu hat. Da hat man dem Semmering ein Grab geschaufel­t.“

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[ Clemens Fabry] Das Südbahnhot­el wird seit Jahren zum ersten Mal wieder kulturell bespielt.

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