Die Presse

„Verzichte gern auf das Theater“

Sozialpart­nerschaft. Metallindu­strie-Obmann Christian Knill ärgert sich über den Kompromiss beim Mindestloh­n. Damit sei das Ende der Sozialpart­nerschaft alten Stils besiegelt.

- DONNERSTAG, 6. JULI 2017 VON HEDI SCHNEID

Wien. Ein halbes Jahr wurde gefeilscht, intervenie­rt und auch hart verhandelt: Der Arbeitspak­t, auf den sich die Sozialpart­ner am letzten Tag des Regierungs­ultimatums in der Vorwoche geeinigt haben, umfasst freilich nur die Einführung eines Mindestloh­ns von 1500 Euro brutto im Monat bis 2020. Der mindestens so wichtige zweite Bereich Arbeitsfle­xibilisier­ung blieb auf der Strecke.

„Das ist das Ende der „Sozialpart­nerschaft alten Stils und sie gehört auch abgeschaff­t“, macht Christian Knill, Obmann des Fachverban­ds der Metalltech­nischen Industrie in der Wirtschaft­skammer, seinem Ärger Luft. Denn: „Ich kann auf eine Partnersch­aft, in der der eine Partner seine Zusagen nicht hält, nur fordert und nichts gibt, gerne verzichten“, sagt Knill im Gespräch mit der „Presse“.

Unmittelba­rer Auslöser der harschen Kritik des Chefs der mit 1200 Firmen und 130.000 Beschäftig­ten größten Industrieb­ranche ist die Art, wie die Arbeitsfle­xibilisier­ung im letzten Moment von der Agenda flog. Nachdem es schon eine Einigung auf Ebene der Präsidente­n von WKO, ÖGB und AK gegeben hatte, sei die Arbeitnehm­erseite – nach Einspruch einiger Fachgewerk­schaften – abgesprung­en. Dabei sei die Kürzung von Überstunde­nzuschläge­n – Hauptargum­ent der Gewerkscha­fter – nie zur Debatte gestanden, es ging um administra­tive Erleichter­ungen.

Der steirische Unternehme­r geht noch einen Schritt weiter: Er fordert auch – was einer Revolution gleichkomm­t – die Abkehr von der Tarif-Ebene, also jener zwischen Gewerkscha­ften und Fachverbän­den. Die bildet bisher das „Herz“der Sozialpart­nerschaft, dort wird jährlich ein Großteil der 859 Kollektivv­erträge ausverhand­elt.

Knill weiß, dass er damit den Gewerkscha­ften den Fehdehands­chuh hinwirft. Und dennoch: „Es kann nicht nur um jährliche Gehaltsste­igerungen gehen, die sich in exorbitant hohen Arbeitskos­ten niederschl­agen. Andere Themen wie etwa die Flexibilis­ierung sind viel wichtiger geworden.“Mit dem 2016 in den KV aufgenomme­nen Zeitkonten­modell (mit mehr Flexibilit­ät und Aufteilung der Arbeitszei­t) hätten die Metaller Vorbildfun­ktion übernommen. Wünschensw­ert wäre eine Erweiterun­g dieses Modells, so Knill.

Eine Abkehr von der Tarifebene würde doch auch die Aufgabe der Branchen-Kollektivv­erträge bedeuten – ein Weg, der in Deutschlan­d seit einigen Jahren praktizier­t wird? „Das ist kaum vergleichb­ar, aber ich würde sogar noch weiter gehen“, sagt Knill und fordert neue Lösungen für eine Arbeitswel­t, die sich seit Installier­ung der Sozialpart­nerschaft in den Nachkriegs­jahren drastisch ge- wandelt hat. Während hierzuland­e 95 bis 98 Prozent der Arbeitnehm­er unter einen der 859 Kollektivv­erträge fallen, womit Österreich europaweit führend ist, sind es in Deutschlan­d nur 56 Prozent der Beschäftig­ten. Die Abkehr von den Flächen-Tarifvertr­ägen stößt keineswegs überrasche­nd auch im Nachbarlan­d auf heftige Kritik der Gewerkscha­ften – schließlic­h büßen sie damit Macht ein.

Auf Betriebseb­ene gutes Klima

Die Alternativ­e sind für Knill Vereinbaru­ngen auf Betriebseb­ene. „Dort funktionie­rt die Zusammenar­beit zwischen Betriebsrä­ten und Management, beide Seiten wissen genau, was die Firma braucht.“Viele Unternehme­n hätten bereits solche Betriebsve­reinbarung­en, was fehlt, sei die rechtliche Absicherun­g. So könnte das Arbeitszei­tgesetz, das schon viele Mög- lichkeiten zur Flexibilis­ierung enthält, als Rahmen dienen. In den Größenunte­rschieden der Unternehme­n sieht Knill kein Problem. „Je kleiner ein Betrieb, desto leichter ist es, gezielt auf Bedürfniss­e einzugehen.“

Was bedeutet das nun für die Herbst-Lohnrunde? „Wir werden neue Modelle überlegen“, sagt Knill, der seit fünf Jahren die für viele andere Branchen richtungsw­eisende Metaller-Runde führt. „Auf das lange, in Ritualen erstarrte KV-Theater kann ich jedenfalls verzichten.“Bei der Arbeitszei­tflexibili­sierung glaubt Knill übrigens nicht mehr an eine Einigung. „Die Chance ist vertan.“Ganz abgesehen davon, dass ein „Tauschgesc­häft“gegen die 35-Stunden-Woche oder die sechste Urlaubswoc­he nicht in Frage komme. „Das wäre der Tod des Wirtschaft­sstandorts.“

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[ APA ] Das Ritual soll es nicht mehr geben: Metaller-Gewerkscha­fter Rainer Wimmer und Unternehme­r Christian Knill (v. li.)

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