„Verzichte gern auf das Theater“
Sozialpartnerschaft. Metallindustrie-Obmann Christian Knill ärgert sich über den Kompromiss beim Mindestlohn. Damit sei das Ende der Sozialpartnerschaft alten Stils besiegelt.
Wien. Ein halbes Jahr wurde gefeilscht, interveniert und auch hart verhandelt: Der Arbeitspakt, auf den sich die Sozialpartner am letzten Tag des Regierungsultimatums in der Vorwoche geeinigt haben, umfasst freilich nur die Einführung eines Mindestlohns von 1500 Euro brutto im Monat bis 2020. Der mindestens so wichtige zweite Bereich Arbeitsflexibilisierung blieb auf der Strecke.
„Das ist das Ende der „Sozialpartnerschaft alten Stils und sie gehört auch abgeschafft“, macht Christian Knill, Obmann des Fachverbands der Metalltechnischen Industrie in der Wirtschaftskammer, seinem Ärger Luft. Denn: „Ich kann auf eine Partnerschaft, in der der eine Partner seine Zusagen nicht hält, nur fordert und nichts gibt, gerne verzichten“, sagt Knill im Gespräch mit der „Presse“.
Unmittelbarer Auslöser der harschen Kritik des Chefs der mit 1200 Firmen und 130.000 Beschäftigten größten Industriebranche ist die Art, wie die Arbeitsflexibilisierung im letzten Moment von der Agenda flog. Nachdem es schon eine Einigung auf Ebene der Präsidenten von WKO, ÖGB und AK gegeben hatte, sei die Arbeitnehmerseite – nach Einspruch einiger Fachgewerkschaften – abgesprungen. Dabei sei die Kürzung von Überstundenzuschlägen – Hauptargument der Gewerkschafter – nie zur Debatte gestanden, es ging um administrative Erleichterungen.
Der steirische Unternehmer geht noch einen Schritt weiter: Er fordert auch – was einer Revolution gleichkommt – die Abkehr von der Tarif-Ebene, also jener zwischen Gewerkschaften und Fachverbänden. Die bildet bisher das „Herz“der Sozialpartnerschaft, dort wird jährlich ein Großteil der 859 Kollektivverträge ausverhandelt.
Knill weiß, dass er damit den Gewerkschaften den Fehdehandschuh hinwirft. Und dennoch: „Es kann nicht nur um jährliche Gehaltssteigerungen gehen, die sich in exorbitant hohen Arbeitskosten niederschlagen. Andere Themen wie etwa die Flexibilisierung sind viel wichtiger geworden.“Mit dem 2016 in den KV aufgenommenen Zeitkontenmodell (mit mehr Flexibilität und Aufteilung der Arbeitszeit) hätten die Metaller Vorbildfunktion übernommen. Wünschenswert wäre eine Erweiterung dieses Modells, so Knill.
Eine Abkehr von der Tarifebene würde doch auch die Aufgabe der Branchen-Kollektivverträge bedeuten – ein Weg, der in Deutschland seit einigen Jahren praktiziert wird? „Das ist kaum vergleichbar, aber ich würde sogar noch weiter gehen“, sagt Knill und fordert neue Lösungen für eine Arbeitswelt, die sich seit Installierung der Sozialpartnerschaft in den Nachkriegsjahren drastisch ge- wandelt hat. Während hierzulande 95 bis 98 Prozent der Arbeitnehmer unter einen der 859 Kollektivverträge fallen, womit Österreich europaweit führend ist, sind es in Deutschland nur 56 Prozent der Beschäftigten. Die Abkehr von den Flächen-Tarifverträgen stößt keineswegs überraschend auch im Nachbarland auf heftige Kritik der Gewerkschaften – schließlich büßen sie damit Macht ein.
Auf Betriebsebene gutes Klima
Die Alternative sind für Knill Vereinbarungen auf Betriebsebene. „Dort funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Betriebsräten und Management, beide Seiten wissen genau, was die Firma braucht.“Viele Unternehmen hätten bereits solche Betriebsvereinbarungen, was fehlt, sei die rechtliche Absicherung. So könnte das Arbeitszeitgesetz, das schon viele Mög- lichkeiten zur Flexibilisierung enthält, als Rahmen dienen. In den Größenunterschieden der Unternehmen sieht Knill kein Problem. „Je kleiner ein Betrieb, desto leichter ist es, gezielt auf Bedürfnisse einzugehen.“
Was bedeutet das nun für die Herbst-Lohnrunde? „Wir werden neue Modelle überlegen“, sagt Knill, der seit fünf Jahren die für viele andere Branchen richtungsweisende Metaller-Runde führt. „Auf das lange, in Ritualen erstarrte KV-Theater kann ich jedenfalls verzichten.“Bei der Arbeitszeitflexibilisierung glaubt Knill übrigens nicht mehr an eine Einigung. „Die Chance ist vertan.“Ganz abgesehen davon, dass ein „Tauschgeschäft“gegen die 35-Stunden-Woche oder die sechste Urlaubswoche nicht in Frage komme. „Das wäre der Tod des Wirtschaftsstandorts.“