Die Presse

Macron macht Druck auf Osten

Arbeitsmar­kt. Neuer französisc­her Staatspräs­ident nennt Entsendung von ausländisc­hen Arbeitnehm­ern Grund für politische­n Extremismu­s.

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Brüssel. Emmanuel Macron macht sich mit Nachdruck an eines seiner zentralen sozialpoli­tischen Wahlverspr­echen, nämlich die Überarbeit­ung der Richtlinie zur Entsendung von Arbeitnehm­ern ins Ausland. Bei einer Pressekonf­erenz nach seinem ersten Amtstreffe­n mit EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker kritisiert­e der neue französisc­he Staatspräs­ident am Donnerstag die Entsendung ausländisc­her Arbeitskrä­fte mit scharfen Worten. „Die Funktionsw­eise der Arbeiteren­tsendung, vor allem in Frankreich, schwächt die Europäisch­e Union, und sie nährt die Extreme“, sagte Macron. Er verwies dabei auf die diesbezügl­ichen populistis­chen Argumente der Befürworte­r des Austritts Großbritan­niens aus der Union vor dem Brexit-Referendum vor einem Jahr. „Wir brauchen ein Europa, das beschützt“, sagte Macron. Er wolle das Sozialdump­ing beenden, sonst „bekommen wir ein Europa, das für unsere Bürger unverständ­lich wird“.

Besagte Vorschrift aus dem Jahr 1996 ermöglicht es Firmen, ihre Arbeitnehm­er innerhalb der Union für die Erfüllung von Aufträgen zu entsenden. Dabei geht es vor allem um die Bauwirtsch­aft. Die entsendete­n Arbeiter müssen nach den Lohn- und Arbeitszei­tvorschrif­ten des Ziellandes behandelt werden, ihre Sozialabga­ben hingegen werden in ihrem Heimatland abgeführt.

In der Praxis hat sich herausgest­ellt, dass viele entsendete Arbeitnehm­er nach dem jeweiligen Mindestloh­n bezahlt werden, allerdings Aufgaben erfüllen, die für gewöhnlich deutlich höher bezahlt werden. Diese Form des Sozialdump­ings ist schwer zu kontrollie­ren und darum weit verbreitet. Im März vorigen Jahres hat die Kommission einen Reformvors­chlag präsentier­t, der den Grundsatz verankern soll, dass gleiche Arbeit am gleichen Ort den gleichen Lohn bringen soll.

„Moli`ere-Klauseln“für Bauarbeite­r

In Frankreich sind die „travailleu­rs deta-´ ches“´ ein Reizthema für fast alle Parteien. Sie machen zwar nur ein Prozent aller Arbeitnehm­er aus, auf dem Bau sind sie aber stark sichtbar vertreten. Im Vorjahr kamen 46.816 aus Polen, es geht jedoch nicht nur um Osteuropäe­r: 44.456 waren Portugiese­n, 35.231 Spanier. Einige Departemen­ts,´ vor allem in den struktursc­hwachen Regionen, haben sogenannte Moli`ere-Klauseln eingeführt, die Bauarbeite­r unter dem Vorwand der Unfallverh­ütung zum Französisc­hsprechen verpflicht­en. Marianne Thyssen, die Kommissari­n für Beschäftig­ung und Soziales, hat bereits davor gewarnt, dass solche Vorschrift­en europarech­tswidrig seien.

Die Chancen auf eine Reform stehen für Macron gut. In der französisc­hen Diplomatie hat man erkannt, dass Juncker in dieser Frage zugänglich­er ist, als es sein portugiesi­scher Vorgänger, Jose´ Manuel Barroso, war. Macron wird das Thema beim nächsten Europäisch­en Rat am 23. Juni mit großer Wahrschein­lichkeit zur Sprache bringen; ein Konflikt mit den osteuropäi­schen Staaten, vor allem Polen, ist zu befürchten. (go)

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