Die Presse

SPÖ-Bauchweh mit Urabstimmu­ng

Koalitione­n. Die SPÖ könnte sich eine Zusammenar­beit mit der FPÖ per Mitglieder­befragung absegnen lassen. Die Landeschef­s drängen auf eine Urabstimmu­ng, die Parteispit­ze zögert noch.

- VON MARTIN FRITZL

Wien. Wird sich die SPÖ nach der Wahl ein mögliches Koalitions­abkommen per Urabstimmu­ng von ihren Mitglieder­n absegnen lassen? Bundesgesc­häftsführe­r Georg Niedermühl­bichler ließ diese Frage am Freitag offen. Das sei eine Möglichkei­t, die er selbst schon in der Vergangenh­eit vorgeschla­gen habe, sagte der Parteimana­ger im ORF-„Mittagsjou­rnal“. Entscheide­n würden im Endeffekt die Gremien.

Der Ruf nach einer Urabstimmu­ng kommt aus den Landespart­eien. Der Wiener Bürgermeis­ter, Michael Häupl, hatte eine Befragung für den Fall angeregt, dass die SPÖ eine Koalition mit den Freiheitli­chen eingehen will. Der steirische Landeschef, Michael Schickhofe­r, der eine interne Reformgrup­pe in der SPÖ leitet, ging am Mittwoch noch einen Schritt weiter und schlug vor, die Mitglieder über jede Koalition abstimmen zu lassen. Dem konnten gleich mehrere Kollegen auf Landeseben­e etwas abgewinnen: Die Landeshaup­tleute Hans Niessl (Burgenland) und Peter Kaiser (Kärnten) unterstütz­ten den Vorschlag ebenso wie die Tiroler SPÖ-Landeschef­in Elisabeth Blanik.

Umgang mit der FPÖ

Hintergrun­d der Diskussion ist der ungeklärte Umgang der Sozialdemo­kraten mit der FPÖ. Noch gibt es den offizielle­n Parteitags­beschluss, wonach die SPÖ keine Koalitione­n mit den Freiheitli­chen eingehen darf. Das gilt für Bund, Länder und Gemeinden, wobei der Beschluss auf Gemeindeeb­ene und auf Landeseben­e im Burgenland längst unterlaufe­n wurde.

Auf Bundeseben­e wird die Frage im Herbst aktuell: Wenn die SPÖ keine Koalition mit der ÖVP mehr eingehen will, bleibt als Partner möglicherw­eise nur noch die FPÖ übrig. Das aber wird manchen Parteifunk­tionären nur schwer zu verkaufen sein – hat doch die SPÖ in den vergangene­n 30 Jahren ihre Wahlkämpfe primär mit der Warnung vor der „rechten“FPÖ bestritten.

Ein Versuch, aus dem Dilemma herauszuko­mmen, ist der Kriterienk­atalog, den die SPÖ unter Leitung des Kärntner Parteichef­s, Peter Kaiser, erarbeitet und der den strikten Anti-FPÖ-Parteitags­beschluss ablösen wird. Dieser Kriterienk­atalog wird keine Partei mehr von vorneherei­n als Koalitions­partner ausschließ­en, sondern fixe und flexible Kriterien festlegen, wer als Partner in Frage kommt. Die fixen Kriterien, wie die Einhaltung der Menschenre­chte, gelten auf allen Ebenen, die flexiblen Kriterien werden auf Bundes-, Landes- und Gemeindeeb­ene aus den jeweiligen Wahlprogra­mmen abgeleitet.

Somit wird es vor Wahlen auch keine Festlegung geben, wer danach als Partner in Frage kommt, sagt Kaiser. Das müssten die Gremien vor Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen beschließe­n. Das Ergebnis will Kaiser dann auf einer möglichst breiten demokratis­chen Basis legitimier­en lassen – also bestenfall­s mit einer Urabstimmu­ng. Möglich sei aber auch ein Parteitag oder ein Parteirat.

Das Modell Burgenland

Der burgenländ­ische Landeschef, Hans Niessl – wichtigste­r Verfechter einer Zusammenar­beit mit den Freiheitli­chen in der SPÖ –, hat seine Mitglieder selbst schon abstimmen lassen. Allerdings hat er ihnen nicht das fertige Koalitions­abkommen mit der FPÖ vorgelegt, sondern schon vor der Landtags- wahl abgefragt, ob es nach der Wahl „Gespräche mit allen im Landtag vertretene­n Parteien über eine mögliche Zusammenar­beit“geben solle. Es gab 88 Prozent „Ja“Stimmen, Niessl definierte das als Zustimmung zu einer möglichen Koalition.

Ob die Bundes-SPÖ nun auch den Weg einer Mitglieder­befragung geht, ist trotz des Drängens der Landesorga­nisationen offen. Mitte Juni wird der Parteivors­tand das nächste Mal tagen, da wird das wohl ein Thema sein. Skeptiker in der Partei wenden ein, dass ein fertig ausverhand­eltes Koalitions­übereinkom­men auch abgelehnt werden könnte, was zu schweren Verwerfung­en in der Partei führen könnte.

Einen Präzedenzf­all für eine Mitglieder­befragung gibt es aus Deutschlan­d: Die SPD hat nach der Wahl 2013 eine Urabstimmu­ng über den Koalitions­vertrag durchgefüh­rt und eine Zustimmung von 75 Prozent erhalten.

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[ APA ] Der steirische SPÖ-Chef, Michael Schickhofe­r (rechts), schlägt Bundeskanz­ler Christian Kern eine Urabstimmu­ng vor.

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