Das Comeback der liberalen Idee stellt die Wähler vor ein Trilemma
Steuern, Schulden, Bevormundung: Mit Neos, Kurz-VP und FPÖ werben gleich drei Parteien um wirtschaftsliberale Wähler. Das kennen wir so nicht.
F rechheit siegt bekanntlich. Aber die Freiheit hat es oft schwer. Sogar in Deutschland, wo liberale Ökonomen und Politiker die soziale Marktwirtschaft erfunden haben. Dort sind die Freidemokraten, die FDP, vor vier Jahren völlig überraschend aus dem Bundestag geflogen. Aber jetzt sind sie wieder da. Unter dem jungen Obmann, Christian Lindner, konnte die FDP bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen zuletzt 12,6 Prozent holen. Und das, obwohl die rechte Alternative für Deutschland (AfD) mit 7,4 Prozent aus dem Stand abschneiden konnte. Im laufenden Rennen um den Bundestag kämpft Lindners Truppe gegen Grüne, Linke und AfD um Platz drei. Alle vier liegen in den Umfragen derzeit gleichauf bei sieben bis neun Prozent.
Freilich: Die FDP gehört in Deutschland eigentlich zum Inventar. Dass sie vor vier Jahren nicht mehr in den Bundestag gekommen ist, war für viele schier unglaublich. Liberales Gedankengut steckt sozusagen in der DNA der Bundesrepublik und ist auf allen Ebenen viel stärker ausgeprägt als etwa in Österreich. Man soll deshalb das Comeback der FDP nicht überbewerten.
Aber in Zeiten der zunehmenden politischen Polarisierung, der sich verschärfenden Migrationsdebatte und des Aufstiegs der starken Männer etwa in den USA oder der Türkei darf man erleichtert feststellen: Noch lebt sie, die liberale Sache. Es wird bei nüchterner Betrachtung auch klar, warum: Schulden, Steuern und Bevormundung. Von alledem haben wir zu viel. Nehmen wir die Inflation dazu, vor der die Deutschen immer Angst haben. Und die bizarre Debatte ums Bargeld – und schon ergibt sich ein Wahlprogramm, für das es sich aus klassisch liberaler Sicht lohnt, zu kämpfen.
Da packen Lindner und Co. noch gesellschaftspolitisch liberale Themen drauf: Frauen- und Schwulenrechte etwa. Das bringt ein paar Wähler aus dem grünen Lager, grenzt von den neuen Rechten in Deutschland ab – und passt zur Grundphilosophie: Freiheit muss für alle gelten.
Womit wir schon mitten im österreichischen Wahlkampf wären. Ja, das Programm der FDP ähnelt arg dem der Neos hierzulande. Nur dass es in Wien umge- kehrt ist. Hier war es der Einzug dieser neuen, liberalen Partei, der als Sensation zu werten war. Auch haben es die Neos geschafft, nach drei Jahren immer noch in einem Stück dazustehen. Sogar nach den zuletzt erfolgten Abwerbeversuchen durch die ÖVP. Korrektur: durch die Liste Sebastian Kurz. H ier zeigt sich etwas: Die Neos drohen gerade, zum Opfer des eigenen Erfolgs zu werden. Sie haben viele richtige Themen gesetzt: den Kammerstaat, die Bürokratie, die Steuern, die Schulden. Das hat wiederum der ÖVP Dampf gemacht, in der Österreichs wenige Liberale davor zu Hause waren. Und siehe da: Eines der Großprojekte der gerade gescheiterten Koalition war eine Steuerreform, die die Haushaltseinkommen entlastet hat. Auch, dass Sebastian Kurz jetzt versucht, bei den Neos zu wildern, ist ein Beweis dieses Erfolgs.
Laut Eurobarometer haben die Österreicherinnen und Österreicher aber zwei Hauptsorgen: Einwanderung und Arbeitslosigkeit. Das erste Thema hat Kurz schon gut abgesteckt. Im wahrsten Sinne des Wortes. „Balkanroute“werden wir in den kommenden Monaten oft hören. Das zweite Thema ist schwieriger. Es hängt mit dem ersten zusammen. Und es gibt keine leichten Antworten. Die einen wollen Arbeitslosigkeit durch mehr Staatseinsatz bekämpfen, die anderen durch eine Befreiung der Wirtschaft von Belastungen und Bürokratie.
Es sollte klar sein, wo der Liberale in dieser Frage steht. Zumal mehr Staat auch zu mehr Steuern und Schulden führt. Und da stoßen wir bald an eine mathematische Grenze. Es kann nicht weitergehen wie bisher. Instinktiv spüren das viele Wähler – und wohl auch die Politiker. Selbst die FPÖ wird wirtschaftsliberale Forderungen stellen.
Ergibt ein Trilemma: Die Pinken bieten ein liberales Gesamtpaket. Die Schwarzen mischen konservative Ideen dazu. Und die Blauen? Ein extrem riskantes Spiel. Die liberalen Wirtschaftsideen sind in etwaigen Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ schnell vergessen.