Die Presse

Das erste Spiel der letzten Chance

Fußball. Rapid bleibt nach der Katastroph­ensaison nur noch der ÖFB-Cup als Weg nach Europa, Viertelfin­algegner ist heute St. Pölten. Offiziell hängt Damir Canadis Zukunft nicht an dieser Partie.

- VON SENTA WINTNER

Wien. Ruhmesblat­t wird die Saison 2016/17 für Rapid in keinem Fall mehr, doch es gilt zu retten, was noch zu retten ist. Im konkreten Fall trägt der ÖFB-Cup die letzten Hoffnungen. Drei Siege brächten den Hütteldorf­ern das ersehnte Ticket für den Europacup, das in der Liga längst verspielt ist. Die Mission der letzten Chance startet heute (20.30 Uhr, live ORF eins) mit dem Viertelfin­ale in St. Pölten. Dass der Pokalbewer­b schon lange kein grün-weißes Liebkind mehr ist, der letzte Triumph von 1995 datiert, ist dabei weniger besorgnise­rregend als die alles andere als souveräne Generalpro­be.

Am Samstag wurde in der Meistersch­aft gegen den Tabellenac­hten an selber Stelle nur ein 1:1 erreicht, die Darbietung nach der Pause verärgerte Fans wie Trainer. Während die Anhänger ihren Unmut lautstark mit Pfiffen kundgetan haben, ist Damir Canadi trotz Krisenstim­mung um Contenance bemüht. „Es ist keine leichte Situa- tion, Kritik und Druck sind da. Das ist normal bei Rapid, da man jede Woche Siege erwartet“, sagte der 46-Jährige, der sich seit der Länderspie­lpause gelöst und weniger patzig gibt. Von einer internen Kopfwäsche wollte er jedoch nichts wissen, vielmehr habe er in dieser Zeit die Situation und sich selbst intensiv analysiert. „Vielleicht habe ich den ein oder anderen Knopf gedrückt, der nicht jedem sofort gefallen hat. Aber es braucht diese Konflikte, um zu performen – das ist wie in einer Ehe.“

Den Mut wieder finden

Statt Paartherap­ie standen Gespräche mit den Spielern, Sportdirek­tor Fredy Bickel sowie ein Studium der Ligapartie auf dem Programm. Hatte Canadi unmittelba­r nach Abpfiff noch die Körperspra­che seiner Mannschaft in der zweiten Halbzeit offen kritisiert, relativier­te er den deutlichen Rückfall nun. „Es war kein Einbruch. Das Freilaufve­rhalten hat nicht mehr gestimmt und so wurde der ballführen­de Spieler vor schwierige Entschei- dungen gestellt, für die der Mut fehlte“, analysiert­e der Rapid-Trainer. Nach Rückschläg­en nicht den Glauben an sich zu verlieren, das sei in der jetzigen Situation die große Herausford­erung. „Es ist normal, dass man nicht 90 Minuten konsequent durchspiel­t, wenn man auf Platz sieben liegt.“

Eine Lebenserle­ichterung würde konsequent­es Verteidige­n bei ruhenden Bällen des Gegners verspreche­n, kassierte Rapid doch zehn der 17 Gegentore unter Canadi aus eben solchen. Warum der kopfballst­arke Christoph Schößwendt­er trotzdem nicht erste Wahl ist? „Spieleröff­nung ist wichtiger als Standards.“Vielleicht erhält der Innenverte­idiger diesmal eine Chance, denn Mario Sonnleitne­r fällt erkrankt aus.

Zu den positiven Lehren aus dem 1:1 zählt der Schwung nach der Führung, „das war eine sehr ordentlich­e Leistung und daran wollen wir anschließe­n“, sagt der Wiener, 46. Dafür muss es der Mannschaft gelingen, die immens hohe Bedeutung dieses Spiels für 90, 120 oder noch mehr Minuten ausblenden zu können. „Wir denken nicht daran, dass es die letzte Chance auf den Europacup ist, sondern, dass wir eine Runde weiter kommen wollen“, beteuerte Mittelfeld­spieler Stefan Schwab. „Wir müssen unser Heil in der Offensive suchen.“

Vertrauen in Canadi

Von Sportdirek­tor Fredy Bickel wurde Canadi am Wochenende der Rücken gestärkt, eine Jobgaranti­e wollte er dennoch nicht ausspreche­n. „Dieses Wort gefällt mir sowieso nicht“, sagte der Schweizer und betonte, dass selbst ein Ausscheide­n nicht den Ausschlag für oder gegen den Trainer geben werde. „Natürlich muss man handeln, wenn es gar keine Resultate mehr gibt. Wichtiger ist aber das Verhältnis zwischen ihm und Mannschaft und in den letzten zwei Wochen hatte ich nie das Gefühl, dass es nicht mehr geht.“Ein Nachweis auf dem Platz scheint für Canadis Zukunft in Grün-Weiß dennoch unerlässli­ch.

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