Kokain-Killer will in die Politik
Kolumbien. Jhon Jairo Vel´asquez (54) alias „Popeye“war Mörder für das Medell´ın-Kartell und tötete mehr als 250 Menschen. Frei nach 23 Jahren Haft, will er als Senator kandidieren.
Medellin. Männer erheben sich vom Frühstückstisch, als „Popeye“den Salon betritt. Er schüttelt Hände, lacht, auf beiden Armen steht tätowiert: „El General de la Mafia“. Er geht zu den Tischen am Pool, eine junge Frau kommt, bittet um ein Foto, ihre Stimme zittert. „Sind Sie echt Popeye?“Er nimmt sie für das Foto in den Schwitzkasten und grinst.
Jhon (auch: „John“) Jairo Velasquez´ (54) alias Popeye ist ein Gentleman mit Manieren. Er hat aber auch 250 Menschen ermordet. Oder mehr, sagt er. Er erzählt, wie man jemanden am besten umlegt – zwei Schüsse oberhalb der Augen – und trinkt Orangensaft. Er war die rechte Hand von Kolumbiens Kokainkaiser Pablo Escobar, der 1993 in Medell´ın von Polizisten erschossen wurde.
Popeye stellte sich, redete über die Taten des Medell´ın-Kartells, und ist seit über zwei Jahren auf Bewährung frei. Er machte Diplome in Haft, lebte vorbildlich, ließ sich Jesus auf den Arm tätowieren. Er sagt, er habe Verwandte von Opfern um Gnade gebeten. Er ist Spiegelbild einer gespaltenen Gesellschaft. In Armenvierteln wie dem Barrio Pablo Escobar in Medell´ın werden Leute wie er verehrt. Er schrieb ein Buch, will seinen Mythos versilbern. Widmungen zeichnet er mit „Der Mörder des Vertrauens von Pablo Escobar“. Er redet so laut, dass Leute an Nachbartischen zuhören können.
Medell´ın sei heute unsicher, klagt er, unlängst habe man ihn überfallen, Uhr und Sonnenbrille weg. Zehntausende folgen ihm in sozialen Netzwerken, auf Twitter nennt er sich „politischer Aktivist“und „Verteidiger der Menschenrechte“. Jetzt will er Senator werden. 2018 wird gewählt, doch müsste das Gesetz geändert werden, denn mit seinen Vorstrafen darf man (noch) nicht kandidieren. Milde ist er nicht: Präsident Juan Manuel Santos, den Friedensnobelpreisträger, nennt er „korrupte Ratte“, über Kokain sagt er: „Legalisiert es!“
Er legte seine eigene Geliebte um
Einst war Popeye in der Marine, dann Leibwächter und lernte Escobar kennen. Der „Patron“´ habe beim Karneval in Rio einmal zwei Millionen Dollar verprasst, lockte Frauen mit Cartier-Uhren, Diamanten, 10.000 Dollar, Pralinen und Blumen zu sich. Wer nicht spurte, starb. Velasquez’ Loyalität ging so weit, dass er seine Freundin Wendy Chavarriaga opferte: Die war zuvor von Escobar schwanger geworden, der sie zur Abtreibung zwang, worauf sie sich Popeye anlachte, doch dann Informantin der Polizei und angeblich des Cali-Kartells wurde. Escobar merkte das und trug Popeye auf, sie zu töten. Der ließ sie in eine Bar kommen und von Kumpels erschießen. Zahlen des Todes rattert er runter wie Fußballresultate: 250 und mehr Morde, 3000 Mordaufträge. „Wir ließen 250 Bomben hochgehen, haben 540 Bullen getötet, 800 verletzt.“Auf den Hinweis, einer wie er würde in Europa nicht hofiert, auch nach 23 Jahren, drei Monaten Knast, sagt er: „Esto es el tropico“.´ Frei übersetzt: Kolumbien ist anders.
Über die linke Farc-Guerilla, die 2016 nach 52 Jahren die Waffen streckte, spottet er: „Wir (das Kartell, Anm.) haben mit 2000 Mann den Staat besiegt.“Um Gesetze zu stoppen, die Auslieferungen an die USA erlaubt hätten, tötete man Politiker bis hin zu Präsidentschaftskandidaten. Escobar handelte letztlich mit dem Staat aus, dass er mit Popeye und Co. 1991 in das selbst gebaute Luxusgefängnis „La Catedral“ziehen durfte, eine gemütliche Ranch. 1992 floh er dennoch und wurde letztlich erschossen.
„Gefängnis, Krankenhaus oder Friedhof“
Heute sei Venezuelas Linksregime einer der größten Kokainexporteure. Kolumbien erlebt eine Blüte samt Touristenboom und TopWirtschaftswachstum. Medell´ın ist weitgehend befriedet, hat eine brodelnde Kulturszene und Seilbahnen in die Armenviertel.
Der Ex-Mörder hat einen Rat an Junge: „Geht einen Weg mit Disziplin, Arbeit, Studium, Kunst und Sport. Denn einem Banditen stehen nur drei Türen offen: zu Gefängnis, Krankenhaus oder Friedhof.“(dpa/red.)