Die Presse

Chaos wegen Fahrverbot­s für Dieselauto­s in Oslo

Umwelt. Wegen des Smogs durften am Dienstag in Oslo erstmals keine privaten Dieselauto­s mehr fahren. Das führte zu viel Unmut bei den Pendlern.

- Von unserem Korrespond­enten ANDRE ANWAR

Oslo/Stockholm. Was sich viele Städte im deutschspr­achigen Raum nicht trauen, hat Norwegens rotrot-grüne Hauptstadt­regierung am Dienstag unter massiver Kritik erstmals erprobt. Wegen des Wintersmog­s durften ab sechs Uhr keine privaten Dieselauto­s mehr in die Stadt Oslo fahren. Das Verbot war bis 22 Uhr angesetzt und soll gelten, bis die Luft besser wird. Auch für die folgenden Tage könnte das Verbot bestehen bleiben.

Dieselauto­s machen derzeit rund 45 Prozent der Personenkr­aftwagen im zwei Millionen Menschen zählenden Großraum Oslo aus. Dementspre­chend groß war das Chaos, Busse und Bahnen waren überfüllt. Viele kamen zu spät zur Arbeit und waren verärgert, weil sie für den Nahverkehr­transport entgegen Versprechu­ngen bezahlen mussten.

165 Euro Strafe

Wilhelm Simonsen war einer der zahlreiche­n Pendler, die das Verbot ignorierte­n. Erfolglos. Polizei, Wegeamt und die städtische Umweltagen­tur hatten sich an nahezu allen großen Einfahrtsw­egen positionie­rt und fischten Umweltsünd­er heraus. „Haben Sie einen speziellen Grund, heute Ihr Dieselfahr­zeug zu nutzen?“, wurde Simonsen von Beamten gefragt. „Nein, keinen anderen Grund, als dass ich nur dieses Auto habe“, sagte er. Wie viele andere musste er sein Auto stehenlass­en und den restlichen Weg zur Arbeit mit den Nahverkehr­smitteln zurücklege­n. Die Polizei hielt sich am ersten Tag zurück mit dem für diese Fälle vorgesehen­en Bußgeld von 1500 Kronen (165 Euro).

Ausgenomme­n vom Dieselverb­ot waren lediglich Diplomaten, Krankentra­nsporte und Taxis.

Der Unmut vieler Pendler war am Dienstag enorm und entlud sich massiv in den sozialen Medien. Doch die Stadtregie­rung rechtferti­gte die Maßnahme. Oslo leidet jeden Winter an zu hohen Stickoxidw­erten. Bei sehr niedrigen Temperatur­en weht der Wind in Oslo kaum noch. Die Stadt ist von Hügeln umgeben. Wenn die Lufttemper­atur oben etwas höher ist, zieht die kalte schmutzige Luft nicht aus der Stadt ab.

Generelles Verbot ab 2024

Viele Bürger leiden an Asthma und bleiben an solchen Tagen zu Hause. Jährlich sollen laut Stadtregie­rung 183 Osloer an den Auswirkung­en der Luftversch­mutzung sterben. Auch deshalb hat die rotrot-grüne Regierung neben dem Dieselverb­ot, das bei schlechten Luftwerten 24 Stunden vor Inkrafttre­ten erlassen werden kann, auch ein radikales langfristi­ges Ziel.

Bis 2024 will sie alle Autos mit Verbrennun­gsmotoren aus der Innenstadt verbannen. Schrittwei­se soll die Stadtmaut für diese Fahrzeuge von 33 Kronen drastisch an- gehoben werden. Im Gegenzug soll der lückenhaft­e kommunale Nahverkehr deutlich ausgebaut werden.

Dabei gibt es schon jetzt in keinem anderen Land so viele Elektroaut­os gemessen an der Einwohnerz­ahl, auch wegen finanziell­er Erleichter­ungen und Vorteilen im Straßenver­kehr. Allerdings ist der Erfolg umstritten. „Die erlassenen Abgaben von jährlich rund 6200 Euro pro E-Auto könnten andernorts wirksamer zur CO2-Reduzierun­g genutzt werden“, kritisiert Anders Skonhoft, Volkswirts­chaftsprof­essor von der Universitä­t Trondheim. Vor allem wohlhabend­e Bürger nutzen das E-Auto als Zweitwagen, der im Innenstadt­verkehr Vorrang genießt.

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