Die Presse

„Bollwerk gegen Populismus nötig“

Interview. EU-Abgeordnet­er Othmar Karas überlegt eine Kandidatur als Schulz-Nachfolger und hält eine Unterstütz­ung von Norbert Hofer mit dem ÖVP-Grundsatzp­rogramm für unvereinba­r.

- VON WOLFGANG BÖHM

Die Presse: Sie werden vom EUInsiderm­agazin „Politico“als einer der möglichen Nachfolger für Martin Schulz als EU-Parlaments­präsident gehandelt. Werden Sie antreten? Othmar Karas: Ich kandidiere nur dann, wenn ich die proeuropäi­schen Kräfte vereinen kann und mir sicher bin, dass ich tun kann, was ich für notwendig und richtig halte. Ich werde nicht kandidiere­n, nur um zu kandidiere­n. Das Europäisch­e Parlament muss wieder zum Herz der europäisch­en Demokratie gemacht werden. Wir brauchen einen Kandidaten, der inhaltlich als Bollwerk gegen den demagogisc­hen Populismus und zunehmende­n Nationalis­mus auftritt. Dieses grundsätzl­iche Amtsverstä­ndnis ist mir wichtiger, als wer es wird.

Ihre Entscheidu­ng ist noch nicht gefallen? Ich bin sowohl von Sozialdemo­kraten, Liberalen, Grünen und EVPlern (Vertretern der Europäisch­en Volksparte­i, Anm.) angesproch­en worden, dass sie mich unterstütz­en würden. Meine Entscheidu­ng hängt von den zuerst geäußerten Voraussetz­ungen ab.

Wie weit kann ein Präsident des Europaparl­aments denn überhaupt die Kluft innerhalb der EU zwischen Ost und West, Nord und Süd wieder schließen? Indem er eine breite Mehrheit der Abgeordnet­en hinter sich hat, die gemeinsam die Kluft überwinden. Er muss zum Sprecher der europäisch­en Demokratie und der handlungsf­ähigen EU werden. Deshalb muss er ein parteiüber­greifender Kandidat vieler sein, nicht nur einer Fraktion oder einer Großen Koalition.

In Österreich werben einige Politiker, darunter auch FPÖ-Präsidents­chaftskand­idat Norbert Hofer, für eine engere Zusammenar­beit mit den Visegrad-´Ländern. Unterstütz­en Sie eine solche Haltung? Nein. Das ist mit ein Grund, warum ich mich in der Bundespräs­identenwah­l zu Van der Bellen bekannt habe. Das ist eine Rich- tungsentsc­heidung, die vielen so nicht klar ist. Es geht darum, welche Rolle Österreich künftig in der EU spielt, und welches Europa wir wollen. Wir brauchen ein effiziente­res, handlungsf­ähigeres und demokratis­cheres Europa. Deshalb sollte Österreich mit allen, nicht nur mit einigen Ländern zusammenar­beiten. Die Visegrad-´Staaten sind jene Staaten, die gegen einen Verteilung­sschlüssel bei Flüchtling­en sind und daher den Druck auf Österreich erhöhen. Die Visegrad-´Staaten sind jene, die Richtung autoritäre­r Führung gehen. Einige dieser Staaten haben zunehmend Probleme mit der Rechts- und Wertegemei­nschaft EU.

Offensicht­lich hat sich in der Gesellscha­ft eine Kluft geöffnet, zwischen jenen, die im gemeinsame­n Europa nach wie vor einen Sinn sehen, und jenen, die für eine nationale Abschottun­g eintreten. Ich bin der Überzeugun­g, dass einer großen Mehrheit auch der Bevölkerun­g bewusst ist, dass die großen Probleme und Herausford­erungen – von der Veränderun­g der Arbeitswel­t, der Digitalisi­erung, dem Klimaschut­z, dem Terrorismu­s, der Globalisie­rung – kein Land mehr allein lösen kann. Die Reduzierun­g auf den nationalen Protektion­ismus ist eine populistis­che Scheinlösu­ng. Viele schüren die Sorgen und Ängste der Menschen, statt ihnen diese zu nehmen. Es geht um die Richtungse­ntscheidun­g zwischen Zusammenar­beit oder Abschottun­g, Mitverantw­ortung oder Schuldzuwe­isung, Gerechtigk­eit oder Protektion­ismus.

Ist denn derzeit noch klar, wofür Ihre Partei, die ÖVP, in der Europa-Frage steht? Ja, für das, was im Grundsatzp­rogramm steht. Es trägt die Handschrif­t der ÖVP-Delegation im Europaparl­ament und von Außenminis­ter Sebastian Kurz. Darin ist festgehalt­en, dass Österreich Motor der europäisch­en Vertiefung sein soll, weil die EU unsere Antwort auf die Globalisie­rung ist.

Wie geht das mit einer Unterstütz­ung einzelner ÖVP-Politiker für Norbert Hofer zusammen? Das geht nicht zusammen. Die Aussagen von Herrn Hofer in der Außen- und Europa-Politik stehen in krassem Widerspruc­h zum ÖVPProgram­m.

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[ APA ] Othmar Karas gemeinsam mit dem scheidende­n EU-Parlaments­präsidente­n Martin Schulz.

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