„Bollwerk gegen Populismus nötig“
Interview. EU-Abgeordneter Othmar Karas überlegt eine Kandidatur als Schulz-Nachfolger und hält eine Unterstützung von Norbert Hofer mit dem ÖVP-Grundsatzprogramm für unvereinbar.
Die Presse: Sie werden vom EUInsidermagazin „Politico“als einer der möglichen Nachfolger für Martin Schulz als EU-Parlamentspräsident gehandelt. Werden Sie antreten? Othmar Karas: Ich kandidiere nur dann, wenn ich die proeuropäischen Kräfte vereinen kann und mir sicher bin, dass ich tun kann, was ich für notwendig und richtig halte. Ich werde nicht kandidieren, nur um zu kandidieren. Das Europäische Parlament muss wieder zum Herz der europäischen Demokratie gemacht werden. Wir brauchen einen Kandidaten, der inhaltlich als Bollwerk gegen den demagogischen Populismus und zunehmenden Nationalismus auftritt. Dieses grundsätzliche Amtsverständnis ist mir wichtiger, als wer es wird.
Ihre Entscheidung ist noch nicht gefallen? Ich bin sowohl von Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und EVPlern (Vertretern der Europäischen Volkspartei, Anm.) angesprochen worden, dass sie mich unterstützen würden. Meine Entscheidung hängt von den zuerst geäußerten Voraussetzungen ab.
Wie weit kann ein Präsident des Europaparlaments denn überhaupt die Kluft innerhalb der EU zwischen Ost und West, Nord und Süd wieder schließen? Indem er eine breite Mehrheit der Abgeordneten hinter sich hat, die gemeinsam die Kluft überwinden. Er muss zum Sprecher der europäischen Demokratie und der handlungsfähigen EU werden. Deshalb muss er ein parteiübergreifender Kandidat vieler sein, nicht nur einer Fraktion oder einer Großen Koalition.
In Österreich werben einige Politiker, darunter auch FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer, für eine engere Zusammenarbeit mit den Visegrad-´Ländern. Unterstützen Sie eine solche Haltung? Nein. Das ist mit ein Grund, warum ich mich in der Bundespräsidentenwahl zu Van der Bellen bekannt habe. Das ist eine Rich- tungsentscheidung, die vielen so nicht klar ist. Es geht darum, welche Rolle Österreich künftig in der EU spielt, und welches Europa wir wollen. Wir brauchen ein effizienteres, handlungsfähigeres und demokratischeres Europa. Deshalb sollte Österreich mit allen, nicht nur mit einigen Ländern zusammenarbeiten. Die Visegrad-´Staaten sind jene Staaten, die gegen einen Verteilungsschlüssel bei Flüchtlingen sind und daher den Druck auf Österreich erhöhen. Die Visegrad-´Staaten sind jene, die Richtung autoritärer Führung gehen. Einige dieser Staaten haben zunehmend Probleme mit der Rechts- und Wertegemeinschaft EU.
Offensichtlich hat sich in der Gesellschaft eine Kluft geöffnet, zwischen jenen, die im gemeinsamen Europa nach wie vor einen Sinn sehen, und jenen, die für eine nationale Abschottung eintreten. Ich bin der Überzeugung, dass einer großen Mehrheit auch der Bevölkerung bewusst ist, dass die großen Probleme und Herausforderungen – von der Veränderung der Arbeitswelt, der Digitalisierung, dem Klimaschutz, dem Terrorismus, der Globalisierung – kein Land mehr allein lösen kann. Die Reduzierung auf den nationalen Protektionismus ist eine populistische Scheinlösung. Viele schüren die Sorgen und Ängste der Menschen, statt ihnen diese zu nehmen. Es geht um die Richtungsentscheidung zwischen Zusammenarbeit oder Abschottung, Mitverantwortung oder Schuldzuweisung, Gerechtigkeit oder Protektionismus.
Ist denn derzeit noch klar, wofür Ihre Partei, die ÖVP, in der Europa-Frage steht? Ja, für das, was im Grundsatzprogramm steht. Es trägt die Handschrift der ÖVP-Delegation im Europaparlament und von Außenminister Sebastian Kurz. Darin ist festgehalten, dass Österreich Motor der europäischen Vertiefung sein soll, weil die EU unsere Antwort auf die Globalisierung ist.
Wie geht das mit einer Unterstützung einzelner ÖVP-Politiker für Norbert Hofer zusammen? Das geht nicht zusammen. Die Aussagen von Herrn Hofer in der Außen- und Europa-Politik stehen in krassem Widerspruch zum ÖVPProgramm.