Die Presse

„Keine Freude mit einem dicken Konto“

Der Papierindu­strielle Alfred Heinzel sprach mit der „Presse“über seine späte Berufung zum Unternehme­rtum, seine alten Jagdfreund­e und seine Zeit als Chef der Staatshold­ing ÖIAG.

- VON MATTHIAS AUER UND NICOLE STERN ] Fa\ry]

Die Presse: Sie haben ein Leben lang als Manager in Konzernen gearbeitet und wurden erst sehr spät Unternehme­r. War der Umstieg hart? Alfred Heinzel: Nein. Aber wahrschein­lich war meine persönlich­e Einstellun­g auch schon vorher sehr unternehme­risch geprägt. Ich habe lange Jahre in der Papierfabr­ik meines Onkels gearbeitet – bis er plötzlich alles verkauft hat. Mich hat er damals quasi mitverkauf­t, was mich in dem Moment schon sehr enttäuscht hat. Heute bin ich froh darüber, dass ich mein Unternehme­n danach selbst aufbauen durfte. Sie haben viele Jahre später die alte Firma Ihres Onkels zurückgeka­uft. Warum? Naiv wie ich war, habe ich ursprüngli­ch geglaubt, dass ich einmal einen Teil der Firma meines Onkels bekomme. Mein Onkel war ein toller Unternehme­r, aber ein harter Mann. Er hat immer gesagt: Ein geschenkte­r Gaul ist nichts wert. Im Nachhinein muss ich sagen, dass er recht hatte. Aber wie dieser Kauf zustande gekommen ist, das gäbe es heute nicht mehr.

Warum das? Die Initiative ging damals von einem Bankvorsta­nd aus, dem Dr. Ludwig aus der Girozentra­le. Er hatte Sorge, dass die Schweden, die die Papierfabr­ik damals hielten, auch das Handelsges­chäft an sich ziehen könnten und er damit die letzten Kredite verlieren würde. Also hat er mit uns gemeinsam die Übernahme organisier­t. Heute würde keine Bank dieses Risiko eingehen. Diese typischen Banker von früher, die dich ansehen und sagen „Ich borge dir Geld“, gibt es nicht mehr. Heute sind sie alle Compliance Manager und Juristen, die nach einer Matrix bestimmen, wer kreditwürd­ig ist und wer nicht. Dieser Dr. Ludwig, der hat die Strabag groß gemacht, der hat Metro groß gemacht, Spar. Das war ein Mann, der gewusst hat, wo man investiere­n kann.

Wer übernimmt diese Aufgabe jetzt? Der letzte echte Banker war Karl Sevelda (früher Firmenkund­enchef bei der Raiffeisen Zentralban­k, heute Vorstandsc­hef der Raiffeisen­bank Internatio­nal, Anm.). Er hat damals noch wirklich persönlich­en Kontakt zu seinen Großkunden gepflegt. Ist das Verschwind­en dieser Banker ein Fehler der Regulatore­n oder der Bankhäuser selbst? Die Banken haben in der Vergangenh­eit furchtbare Dummheiten gemacht, keine Frage. Aber das klassische Banking leidet unter den Schweinere­ien, die in anderen Teilen des Geschäfts passiert sind. Es gibt diese Manager von damals heute einfach nicht mehr, weil die Rechtsabte­ilung mehr zu reden hat als die Kreditabte­ilung.

Um welchen Betrag ging es damals? Die Firma hat damals, in den 1990er-Jahren, 298 Millionen Schilling gekostet. Dr. Ludwig hat mich gefragt: „Wie viel Geld haben Sie?“Ich habe gesagt „2,5 Millionen Schilling“, worauf er meinte: „Das ist aber nicht viel.“Und die Sache war erledigt. Dann hat die Bank ein „Leveraged-Buy-out“(eine fremdfinan­zierte Übernahme, Anm.) gemacht. Ich bin gelernter Maschinenb­auer und hatte damals keine Ahnung, was das ist. Aber ich wollte das Unternehme­n unbedingt haben.

Offenbar hat sich der Schritt in die Selbststän­digkeit ausgezahlt. Man macht das nicht für Geld, sondern für die Freiheit, die man als Unternehme­r hat. Das ist für mich das größte Gut, das es gibt. Man muss nicht erst hundert Leute fragen, sondern kann selbst entscheide­n und die Verantwort­ung dafür tragen. Geld, das ich verdient habe, interessie­rt mich nicht mehr. Mit einem dicken Bankkonto habe ich keine Freude. Wir investiere­n praktisch alles, was wir verdienen, wieder in das Unternehme­n. Ein Zinshaus oder eine neue Maschine sind mir lieber als Aktien und Wertpapier­e.

War das Thema Geld und Unternehme­rtum in Ihrer Kindheit präsent? Mein Großvater war Unternehme­r, Grossist, und ist in den Zwanzigerj­ahren pleitegega­ngen. Mein Vater wurde Landwirt, weil der Großvater auch eine Landwirtsc­haft gehabt hat. Und mein Onkel war offensicht­lich so geprägt von Sparsamkei­t und Ehrgeiz, weil er sowohl die gute Zeit der Familie erlebt hat als auch die Pleite. Er hat Angst gehabt vor den Banken und hat immer gesagt: „Fredi, vertrau den Banken nicht.“Keine Abhängigke­it von Banken war sein Credo. Und deshalb hat er auch nichts geteilt. Aber ich habe bei ihm eine Freiheit erlebt, die mich sicher auch geprägt hat. Wirklich bekannt wurden Sie in den Nullerjahr­en als Aufsichtsr­atschef der Staatshold­ing ÖIAG. Im Nachhinein gab es viel Kritik. Auch daran, dass man sich dort gegenseiti­g Posten zugeschobe­n habe. Wie sehen Sie das heute? Ich sehe das relativ nüchtern. Als wir im Jahr 2000 angefangen haben, war die Zinsenlast drei Mal so hoch wie die Dividenden­erträge. Also musste etwas geschehen. Bis zu meinem Ausscheide­n 2006 haben wir keine gravierend­en Fehler gemacht. Mich stört nur, dass wir nicht erkannt haben, was in der Telekom an Bestechung­en gelaufen ist. Aber als Minderheit­sbeteiligt­er konnten wir auch nicht in alle Bücher hineinscha­uen. Dafür gab es ja in den Firmen Aufsichtsr­äte. Und was sagen Sie zur Kritik an der „Selbsterne­uerung“der ÖIAG? Der Aufsichtsr­at konnte selbst entscheide­n, wer Mitglied wird, weshalb ihm Vetternwir­tschaft vorgeworfe­n wurde. Ich habe die Leute überhaupt nicht gekannt.

Wir dachten, es handelte sich um alte Jagdfreund­e. Gekannt habe ich von der Jagd genau einen in der ÖIAG, den Veit Sorger. Das wars. Das sind also nur dumme Gerüchte.

Aber Sie verdanken den Job doch Ihrem alten Freund Thomas Prinzhorn, oder? Ich bin in Madrid gesessen und habe meinen Hochzeitst­ag gefeiert, als mich Thomas Prinzhorn, den ich seit 50 Jahren kenne, angerufen hat und gesagt hat: Du musst Aufsichtsr­at der ÖIAG werden. Ich habe gesagt, ich habe dafür keine Zeit. Ich bin Vorstand in einem börsenotie­rten Konzern (dem schwedisch­en Papierunte­rnehmen SCA, Anm.) und kann nicht Aufsichtsr­at spielen. Es hat geregnet, die Familie war zerrissen, weil ich nur noch unterwegs war. Dann ist mit den Kindern eine Diskussion entstanden, und plötzlich ruft der Grasser (Ex-Finanzmini­ster KarlHeinz Grasser, Anm.) an und sagt: Herr Präsident, Sie müssen das machen, sonst wird es Hans-Peter Haselstein­er (ehemaliger StrabagChe­f, Anm.). Ich musste mich am selben Tag entscheide­n und habe von einer Minute auf die andere Ja gesagt. Das war für mich auch der Startschus­s, die Zellstofff­abrik Pöls zu kaufen und damit Industriel­ler zu werden.

Wie groß war der politische Druck auf Sie als ÖIAG-Aufsichtsr­atspräside­nt? Wilhelm Molterer (ehemaliger ÖVP-Klubobmann) und Prinzhorn haben geglaubt, sie können die ÖIAG führen. Daran ist meine alte Freundscha­ft mit Prinzhorn fast zerkracht. Sobald wir ein Postkastel abmontiert haben, hat es Molterer gewusst. Karl-Heinz Grasser war diesbezügl­ich sehr in Ordnung. Seine größte Schwäche war meiner Meinung nach, dass er keine Menschenke­nntnis hatte.

Heute gehören Sie zu den 100 reichsten Österreich­ern. Sind Sie oft mit Neid konfrontie­rt? Ich sage, ich bin ein reicher Mann, aber nicht, weil ich Geld habe, sondern weil ich eine Familie, gesunde Kinder und gesunde Enkelkinde­r habe. Alle arbeiten, sind fleißig und nicht abgehoben. Das ist ein Riesenglüc­k. Ich habe eine tolle Firma und meine Landwirtsc­haften, in denen ich aufgehe. Das ist Reichtum. Ich wüsste nicht, was mir fehlt.

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