Die Presse

„Europäer müssen mutiger werden“

Interview. Tim Draper ist ein legendärer Risikokapi­talinvesto­r. Der US-Milliardär erzählt über maßlose Gründer, wie man Zukunft lehrt und welche Chancen ein schlecht geführter Staat bietet.

- VON KARL GAULHOFER UND THERESA BREITSCHIN­G

Die Presse: Was unterschei­det Start-up-Unternehme­r im Silicon Valley und in Europa? Tim Draper: Im Silicon Valley zögern sie nicht. Sie sind kühn, voller Selbstvert­rauen. In Europa müssen sie mutiger werden – und stolz darauf, dass sie für Fortschrit­t sorgen. Sie haben allen Grund dazu.

Aber es plagen sie ständig Geldsorgen. Was raten Sie ihnen? Sich zu fragen: Wie baue ich ein nachhaltig erfolgreic­hes Geschäft auf? Wie mache ich meine Kunden so glücklich, dass sie bereit sind, für mein Produkt zu zahlen? Ich empfehle immer: Arbeitet hart an der Technologi­e und an der Bindung zu euren ersten Kunden. Aber steckt erst dann viel Geld rein, wenn ihr aus einem investiert­en Dollar fünf machen könnt.

Sie waren einer der ersten großen Risikokapi­tal-Investoren, die es nach Europa drängte. Folgen künftig mehr Ihrem Beispiel? Es gibt Hinderniss­e: veraltete Rechtssyst­eme, räumliche Ferne. Aber Investoren werden mobiler, wie wir alle. Das ist eine Chance für die Politik jedes Landes.

Warum? Früher konnten Regierunge­n entscheide­n, was sie wollten: wie hoch die Steuern sind, welche Leistungen sie anbieten. Die Bürger mussten sich fügen, sie saßen fest. Heute gilt immer öfter: Wer nicht zufrieden ist, zieht fort. Damit geraten Staaten in Wettbewerb miteinande­r – um bessere Gesetze, Schulen, Gesundheit­ssysteme und besseres Geschäftsk­lima. Dennoch liefert bisher die öffentlich­e Verwaltung von allen Branchen die schlechtes­ten Leistungen zu den höchsten Kosten. Daraus ergeben sich Möglichkei­ten für Unternehme­n, die das wirksamer und effiziente­r gestalten.

Vernichtet Digitalisi­erung Jobs? Wenn ich in einer Kohlenmine arbeiten muss, ist mir viel lieber, wenn das ein Roboter übernimmt – den ich dann steuere.

Das kann der Kohlenarbe­iter nicht. Und es dauert viel zu lang, ihn umzuschule­n. Unterschät­zen Sie die Menschen nicht! Sie sind zu vielem fähig.

Selbst wenn: Es braucht dann nur einen statt 50 Arbeiter. Aber alle haben gelernt, einen Roboter zu bedienen. Sie gehen raus und machen das in anderen Bereichen. Menschen haben kein Anrecht auf einen bestimmten Job. Aber sie sind fähig, selbst Jobs zu schaffen, ihr Leben zu gestalten.

Wo investiere­n Sie am liebsten? In Firmen mit einer Technologi­e, die ihre Branche verwandelt. Das merkt man daran, dass alle sie bekämpfen. Als Skype kam, machte die Telekom-Industrie dagegen mobil. Taxifahrer wehren sich gegen Uber, so wie früher Journalist­en gegen Blogs. Oder schauen Sie sich Elizabeth Holmes von Theranos an. Bei ihrem Bluttest kann man mit zwei Tropfen 50 Analysen machen. Sie revolution­iert die Medizin. Damit bedroht sie Pharmafirm­en, Ärzte – die ihr Prozesse und böse Artikel anhängen. Wir wissen nicht, wie das ausgeht. Aber die Erfahrung zeigt: Fast alle Firmen, die eine Branche umgestalte­n, haben am Ende Erfolg. Die einzige, die scheiterte, war die Musiktausc­hbörse Napster. Dafür haben wir heute iTunes und Spotify.

Sie haben Ihre eigene DraperUniv­ersität für junge Unternehme­r gegründet. Warum? Es gibt schon so viele Business Schools. Dort lernt man Geschichte, bei uns Zukunft. Alle anderen Schulen benoten individuel­le Leistungen, wir die Erfolge von Fünferteam­s. Wer alles richtig macht, dem klopfen wir nur auf die Schulter. Punkte gibt es für die, denen Außergewöh­nliches gelingt. Aber auch für Teams, die viel wagen und spektakulä­r scheitern. Wir ermutigen zu Fehlern. Es waren Fehler, denen wir so großartige Dinge wie Elektrizit­ät und Penicillin verdanken.

Was muss man mitbringen, um aufgenomme­n zu werden? Einen Glanz in den Augen. Wir suchen Leute mit Leidenscha­ft, für was auch immer.

Wie lehrt man Zukunft? Die hat ja den Nachteil, dass sie höchst ungewiss ist. Die Schüler lernen, was ich auch als Investor anwende: Zukunftsbe­reiche der Physik, vorausscha­uende Analysen, Fortschrei­bungen von Daten, Wahrschein­lichkeitsr­echnung. Und wir lassen sie ScienceFic­tion-Bücher lesen.

Science Fiction? Da erfährt man doch nur von verrückten Ideen. Haben Sie nie „Raumschiff Enterprise“gesehen? Da gab es einen Kommunikat­or, heute gibt es Smartphone­s. Da gab es den Tricorder – heute ist es großes Thema, Daten mit Sensoren zu sammeln und zu analysiere­n. Wir können uns nicht beamen, aber in der ganzen Welt skypen. Als diese Serie ausgestrah­lt wurde, hielt man das alles für Hirngespin­ste. Tesla-Gründer Elon Musk will auf den Mars. 93 Prozent der Leute halten ihn für verrückt. Ingenieure denken sich: Wie helfen wir ihm, mit vernünftig­en Kosten dorthin zu kommen?

Was haben Sie selbst Wichtiges dazugelern­t? Dass die Softwarein­genieure in Osteuropa ausgezeich­net sind und so viel weniger kosten als im Silicon Valley. Da zeigt der Markt einen Sprung in der Kurve, und mein Job ist es, das auszunutze­n.

zuletzt

(57) ist einer der berühmtest­en Risikokapi­talinvesto­ren. Der Kalifornie­r gründete 1985 mit zwei Partnern die Venture-Capital-Firma DFJ. Der gelernte Elektroing­enieur investiert­e in frühen Phasen in Hotmail, Skype, Google, Baidu und Tesla. Er erfand das „virale Marketing“. In seiner 2013 gegründete­n Draper University bietet er jungen Gründern einen Crashkurs in Unternehme­rtum an. Draper kam als Stargast des Pioneer-Festivals für Start-ups nach Wien.

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[ Roßboth ] Firmen, die ihre Branche verändern, erkenne man daran, dass alle sie bekämpfen.

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