Die Presse

Misswirtsc­haft bei Wiener Linien

Rechnungsh­of. Ein vertraulic­her Rohbericht zeigt Missstände und Verschwend­ung von Steuergeld bei der Erneuerung und Ökologisie­rung der städtische­n Busflotte auf.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Wien. Vernichtun­g von Steuergeld, Misswirtsc­haft, Verstoß gegen verpflicht­ende Vorschrift­en bei Ausschreib­ungen. Ein vertraulic­her Rohbericht des Rechnungsh­ofes (er liegt exklusiv der „Presse“vor) übt harsche Kritik an den Wiener Linien. Konkret geht es um die Erneuerung der Busflotte, in die fast 90 Millionen Euro flossen – um den Anteil des öffentlich­en Verkehrs zu erhöhen und die Wiener Linien umweltfreu­ndlicher zu machen. Deshalb wurden ab 2012 die Busflotte erneuert und 235 Fahrzeuge angekauft. Dabei ging einiges schief, wie die RH-Prüfer festhielte­n:

IAusufernd­e Kosten. Die Wiener Linien verbrennen täglich viel Geld. Und das unnötig. Auf diesen Nenner könnte man die RHKritik zum Thema Wirtschaft­lichkeit bringen. Die Kosten pro Sitzplatz und Kilometer sind von 2010 bis 2014 um rund 10,6 Prozent gestiegen. Bei Fremdbetri­eb (private Busfirmen im Auftrag der Wiener Linien) aber um 6,1 Prozent gesunken. Wobei die Busse der Wiener Linien in einem Jahr sogar um 43,5 Prozent teurer unterwegs waren – weshalb der RH festhielt: Die Maßnahmen zur Effizienzs­teigerung würden mittelfris­tig nicht reichen, um das niedrige Kostennive­au der Privaten zu erreichen, die im Auftrag der Wiener Linien unterwegs sind.

IUnwirtsch­aftliche E-Busse gekauft. Für die Wiener Innenstadt wurden Elektro-Busse angeschaff­t – zu Preisen, die bei den Prüfern für Kopfschütt­eln sorgen: Mehrkosten in der Höhe von rund 45 Prozent gegenüber vergleichb­aren Dieselbuss­en würden „im Spannungsf­eld zwischen ökologisch­er Zweckmäßig­keit und der Sparsamkei­t“sein, heißt es in dem vertraulic­hen Papier. Die Wiener Linien zahlen für einen Elektrobus also fast die Hälfte mehr als für einen gleichwert­igen Dieselbus – obwohl die RH-Prüfer stark bezweifeln, dass der ökologisch­e Vorteil den enormen Preisunter­schied rechtferti­gt: Auch, weil die Investitio­nskosten der E-Busse am Ende rund 900.000 Euro teurer waren als erwartet, die Berechnung der Wirtschaft­lichkeit völlig mangelhaft war und laut RH auch noch auf falscher Basis erfolgte. Nebenbei: Auch die neuen E-Ladestatio­nen der Busse wurden um 131 Prozent teurer als berechnet.

IEntscheid­ung aus Angst. Zum vorigen Punkt passt: Eine 300.000 Euro teure Studie hatte als optimalen Antrieb für die neue Busflotte den Umstieg von Flüssiggas auf die neueste Diesel-Generation empfohlen. Aus Angst vor negativer Reaktionen in der Öffentlich­keit wurde die 300.000-Euro-Studie schubladis­iert.

ISieben Jahre Planlosigk­eit. Für die Planung von Ankauf und Betrieb von Fahrzeugen hatten die Wiener Linien eine Art Leitfaden entwickelt – für mehr Effektivit­ät und um Kosten zu senken. Der Schönheits­fehler: Sieben Jahre nach dem Start dieses sogenannte­n Prozessman­agementsys­tems war dieses noch immer unvollstän­dig und daher unbrauchba­r.

IKostenexp­losion. Mit einer externen Studie („Onboard-Messung“) sollten Emissionen und Treibstoff­verbrauch der Wiener-LinienBuss­e ermittelt werden. Statt 80.000 Euro kostete die Studie 189.500. Das ist nicht nur mehr als eine Verdopplun­g, sondern rechtlich auch heikel. Denn ab 100.000 Euro hätte der Auftrag ausgeschri­eben werden müssen – die Direktverg­abe war also gesetzeswi­drig. Dass es bei der Beschaffun­g von Bussen zahlreiche Verstöße „gegen interne und externe Ausschreib­ungsvorsch­riften“, gab, wie der RH festhielt, passt ins Bild.

Wiener Linien sehen sich bestätigt

Man würde „global in vielen Punkten“bestätigt, kommentier­t Answer Lang, Sprecher der Wiener Linien den Rechnungsh­ofbericht: Dieser betone die Umweltfreu­ndlichkeit der neuen Busflotte und stelle klar fest, „dass wir bei den Verträgen der neuen Busflotte Kosten eingespart haben und effiziente­r geworden sind.“Zu den vom RH heftig kritisiert­en Kosten der E-Busse meint Lang: „Es gibt billigere Busse. Aber hier stand der ökologisch­e Effekt im Vordergrun­d.“Und die Studie, deren Kosten explodiert sind? „Wir haben 20 Busse getestet, das kostet Geld.“Der RH habe bestätigt, dass man in Hinblick auf die Umwelt die beste Lösung gefunden hätte.

Der „Presse“-Bericht sorgte noch am Montag für heftige Reaktionen: „Der Bericht zeigt, dass es bei den Wiener Linien an Effizienz und Kontrolle mangelt und offensicht­lich nicht ordentlich gewirtscha­ftet wird.“, kritisiert Wiens ÖVP-Chef, Gernot Blümel: „Und das auf Kosten der Wiener.“

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