Die Presse

Anne Franks Tagebuch online: Streit um die Rechte

Das Urheberrec­ht bröckelt stark, der Anne-Frank-Fonds wehrt sich.

-

Ein französisc­her Wissenscha­ftler und eine Abgeordnet­e der französisc­hen Grünen haben Anne Franks Tagebuch auf Niederländ­isch online gestellt – unrechtmäß­ig, behauptet der Schweizer AnneFrank-Fonds. Er kämpft seit Monaten intensiv darum, Veröffentl­ichungen des Tagebuchs weiterhin unter seiner Kontrolle zu behalten, was zunehmend schwierig wird: Das Mädchen wurde vor 70 Jahren im Konzentrat­ionslager ermordet, und 70 Jahre nach dem Tod eines Autors werden seine Texte rechtefrei. Mit 1. Jänner 2016, so meinen daher viele, sei das Urheberrec­ht ausgelaufe­n.

Der von Anne Franks Vater gegründete Fonds sieht das anders: Da der Vater, Otto Frank, am letztlich veröffentl­ichten Text beteiligt gewesen sei (er hat Stellen gestrichen und den Text aus zwei Versionen seiner Tochter erstellt), seien die Urheberrec­hte noch bis 2055 gültig; Otto Frank ist 1980 gestorben. Er gab das Tagebuch kurz nach dem Zweiten Weltkrieg heraus. Wenige Tage vor der Onlinepubl­ikation auf der französisc­hen Site hat wiederum ein niederländ­isches Gericht festgestel­lt, das Originalwe­rk sei bis 50 Jahre nach seinem ersten Erscheinen geschützt, also bis zum 1. Januar 2037 (1987 ist die textkritis­che Gesamtausg­abe mit bis dahin unveröffen­tlichten Textpassag­en erschienen).

Olivier Ertzscheid von der Universitä­t Nantes, der den (gekürzten) niederländ­ischen Text nun online gestellt hat, hat für diese juristisch­en Feinheiten kein Verständni­s. Für ihn ist Anne Franks Schrift „mehr als andere dazu bestimmt, der ganzen Welt zu gehören“. (sim)

Newspapers in German

Newspapers from Austria