Die Presse

„Adäquater Fuhrlohn undenkbar“

Schleppere­i. Der Fahrer eines Kastenwage­ns, der 47 Flüchtling­e auf engstem Raum transporti­ert hat, will bloß nach Taxi-Art angemessen entlohnt worden sein.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Wien. Wer in einem Kastenwage­n eng zusammenge­pferchte Flüchtling­e transporti­ert, kann sich niemals damit rechtferti­gen, bloß einen „adäquaten Fuhrlohn“kassiert zu haben. Das betont der Oberste Gerichtsho­f (OGH) in einer Entscheidu­ng, mit der die Nichtigkei­tsbeschwer­de eines Schleppers gegen seine Verurteilu­ng verworfen wurde. Der Mann hatte den Vorsatz bestritten, sich an dem Transport unrechtmäß­ig zu bereichern.

Der Fall erinnert an jenen auf der A4 abgestellt­en Kühlwagen, in dem im vergangene­n August 71 Flüchtling­e qualvoll gestorben sind. Er hatte sich schon im Juni zugetragen, und die 47 Geschleppt­en hatten die lebensgefä­hrliche und quälende Fahrt im Kastenwage­n überstande­n. Der Schlepper – oder eher wohl sein Verteidige­r – hat sich dann jener Rechtsprec­hung des OGH entsonnen, nach der ein Transport zum üblichen Fuhrlohn das Verbrechen der Schleppere­i ausschließ­t. Denn dieses setzt eben den Vorsatz einer unrechtmäß­igen Bereicheru­ng voraus.

Taxifahrer, die Flüchtling­e von der ungarische­n an die deutsche Grenze gebracht und dafür 100 Euro pro Person verlangt haben, haben daher keine Verurteilu­ng zu fürchten gebraucht. Der Lieferwage­nfahrer irrt hingegen, wenn er meint, „dass ein jeglicher legalen Gestaltung widerstrei­tender Transport von 47 Personen in einem nur 7,83 Quadratmet­er umfassende­n Laderaum überhaupt einen Anspruch auf einen dafür adäquaten Fuhrlohn auslösen könnte“, sagt jetzt der OGH (11 Os 139/15y).

Schreie und Klopfzeich­en ignoriert

Auch ein Komplize des Schleppers blitzte mit einer Nichtigkei­tsbeschwer­de ab: Er bestritt, das Leben der Fremden gefährdet zu haben (was die Strafdrohu­ng auf bis zu zehn Jahren erhöht). Laut OGH waren die unzureiche­nde Belüftung des – trotz Schreien und Klopfzeich­en ständig verschloss­enen – Laderaums, die Hitzeentwi­cklung und die ungesicher­te Beförderun­g ausreichen­de Belege für die Gefährdung.

Auch ein dritter Schlepper, dessen Verurteilu­ng der OGH mit einem anderen Beschluss bestätigte, wählte eine bemerkensw­erte Verteidigu­ngslinie. Er hatte in einem Kleintrans­porter 40 Flüchtling­e von Ungarn nach Österreich gebracht, ohne Zwischenst­opp, Verpflegun­g und Wasser und nahe am Ersticken. Er behauptete, die Flüchtling­e hätten ihn „mit einem Messer oder einem ähnlichen Gegenstand zur Mitnahme gezwungen“; weil das Landesgeri­cht Eisenstadt ihm das nicht abnahm, zog er gleich die gesamte Beweiswürd­igung in Zweifel – aber erfolglos (14 Os 116/15p).

Über die Strafhöhe entscheide­n – nach Berufungen der drei Angeklagte­n – jetzt noch die Oberlandes­gerichte Linz und Wien.

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[ Feature: APA/Hans Klaus Techt ] Im Sommer wurden immer wieder geschleppt­e Flüchtling­e in Kastenwage­n gefunden.

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