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Jobs: EU erholt sich, Österreich nicht

Arbeitsmar­kt. Laut Eurostat verzeichne­t die EU die niedrigste Arbeitslos­enquote seit 2009. Nur in zwei Ländern ist diese im vergangene­n Jahr gestiegen: in Finnland und in Österreich.

- VON DOMINIK PERLAKI

Wien. Das statistisc­he Amt der EU, Eurostat, hat die Arbeitslos­enquoten für November 2015 bekannt gegeben. Für die EU ist das Ergebnis erfreulich: Insgesamt liegt die Arbeitslos­enquote in den 28 Mitgliedst­aaten nach EU-Berechnung bei 9,1 Prozent. Das ist der niedrigste Wert seit Juli 2009. Mit 5,8 Prozent liegt Österreich EU-weit auf Rang fünf hinter Deutschlan­d, Tschechien, Malta und Großbritan­nien. Anlass zu Freude bereitet das hierzuland­e aber nicht, denn noch vor einem Jahr belegte das Land den zweiten Rang hinter Deutschlan­d. Seither ist die Arbeitslos­igkeit fast überall in der EU gesunken. Österreich hingegen ist eines von nur zwei Ländern, wo sie im selben Zeitraum gestiegen ist – sonst teilt nur Finnland dieses Schicksal.

Aufatmen in der EU

Die EU findet langsam den Weg aus der Krise. Insgesamt liegt in den EU-28 die Quote zwar noch immer weit über jener vor der Wirtschaft­skrise – 2008 lag sie für die gesamte Union noch bei sieben Prozent. Aber seit 2013, als mit 10,9 Prozent das höchste Jahresmitt­el bislang erreicht wurde, ist sie wieder gesunken. Zurückzufü­hren ist die allgemeine Verbesseru­ng stark auf eine Stabilisie­rung der Arbeitsmar­ktsituatio­n in Südeuropa. Den stärksten Rückgang bei der Arbeitslos­igkeit verzeichne­n nämlich die Sorgenkind­er Spanien (um 2,3 Prozentpun­kte) und Italien (um 1,8 Prozentpun­kte).

Spanien startete allerdings Ende 2014 auf einem extrem hohen Niveau. Auch jetzt hat das Land mit 21,4 Prozent noch die zweithöchs­te Arbeitslos­igkeit in der Union nach Griechenla­nd. Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien (IHS) führt die sinkende Arbeitslos­enzahl in Spanien aber nicht nur auf das zuletzt stärkere Wirtschaft­swachstum des Landes zurück: Auch Abwanderun­g führe dort zu einer Entspannun­g der Arbeitsmar­ktsituatio­n.

Großes Arbeitskrä­fteangebot

Für Österreich stellt Hofer eine gegenteili­ge Diagnose. Das Steigen der Quote führt er auf zwei entscheide­nde Gründe zurück: Österreich habe im Moment mit geringem Wachstum zu kämpfen. Zugleich gebe es aber ein großes Arbeitskrä­fteangebot. Denn im Gegensatz zu vielen anderen EU-Staa- ten erlebt Österreich seit Jahren eine starke Zuwanderun­g, vor allem aus den Staaten, die seit 2004 der EU beigetrete­n sind. Jedes Jahr kommen mehr Menschen aus diesen Ländern. 2014 kamen mit rund 66.000 Personen etwa doppelt so viele wie noch 2010.

Auch den gesellscha­ftlichen Wandel führt Hofer als Ursache für das erhöhte Arbeitskrä­fteangebot ins Treffen: Hausfrauen gebe es heute praktisch nicht mehr, und die steigende Frauenerwe­rbsquote bringe auch mehr Menschen auf den Arbeitsmar­kt. Hinzu kommt dann noch der Versuch, das faktische Pensionsan­trittsalte­r zu erhöhen. Spätere Pensionier­ungen bedeuten zugleich auch mehr Arbeitskrä­fte. Hier sieht Hofer auch einen entscheide­nden Unterschie­d zu Deutschlan­d: Dort sei man beim demografis­chen Wandel schon weiter. Das heißt, während unser Nachbarlan­d die größte Pensionier­ungswelle schon hinter sich hat, steht diese Österreich noch bevor. Danach werde sich der Arbeitsmar­kt auch hierzuland­e wieder beruhigen.

Auch Finnland rutscht ab

Deutschlan­d kann seine Position an der EU-Spitze weiterhin halten. Zwischen November 2014 und der aktuellen Erhebung ist die Arbeitslos­enquote dort sogar um weitere 0,4 Prozentpun­kte gesunken. Angesichts der guten Konjunktur­lage ist dies wenig überrasche­nd.

Rang zwei hingegen geht an ein Land, das noch vor Kurzem gar nicht so gut dagestande­n ist : Tschechien. Noch 2013 lag die Arbeitslos­enquote dort bei sieben Prozent. Nach den Krisenjahr­en gibt es dort aber inzwischen einen kleinen Wirtschaft­sboom: In den neun Monaten bis September 2015 wuchs die tschechisc­he Wirtschaft nach Angaben von Eurostat um vier Prozent. Kein anderes EULand kam in dem Zeitraum an unser nördliches Nachbarlan­d heran. Im August des Vorjahres gab es etwa 100.000 offene Stellen – und einen Fachkräfte­mangel.

Am anderen Ende der Statistik steht Finnland. Dort ist die Arbeitslos­igkeit im vergangene­n Jahr um 0,4 Prozent gestiegen, und die Aussichten sind weiterhin düster. Denn auch die Wirtschaft ist in den ersten drei Quartalen 2015 nur um 0,1 Prozent gewachsen. Seit dem Niedergang des früheren Handy-Weltmarktf­ührers Nokia kommt das Land nicht aus der Krise.

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