Der große Fjodor als Filmideen-Fabrik
Der Name Dostojewski wird oft synonym zu schwerer Kost gebraucht: Ein Russe mit Grüblerstirn und Rauschebart, umgetrieben von tiefen Gefühlen und komplexen Gedanken, die er in zentnerschweren Schwarten voller dichter Figurengeflechte hin, her, und rundherum wälzte. Das ist nicht komplett unrichtig. Doch so drückend und angestaubt kann Dostojewskis Werk gar nicht sein, wenn es 132 Jahre nach seinem Tod einen britischen Comedian wie Richard Ayoade zu einem schwarzhumorigen Spannungsstück wie „The Double“(nach „Der Doppelgänger“, mit Jesse Eisenberg in der Hauptrolle) inspiriert.
Überhaupt zählt Dostojewski im Film bis heute zu den global wirkmächtigsten Schriftstellern. 296 Titel auf Basis seiner Texte zählt die Online-Filmdatenbank IMDB derzeit – und da ist die fraglos beträchtliche Dunkelziffer indirekt beeinflusster Arbeiten gar nicht dabei. Die erste
Hälfte dieser chronologischen Liste bestimmen klassische KostümfilmAdaptionen wie Richard Brooks’ „Die Brüder Karamasow“(siehe Bild li.) mit Yul Brynner und Maria Schell, die sich als gediegene Literaturverfilmungen vor allem am Pathos der großen Romane laben.
Ähnlich, wenn auch oft feingliedriger, verhält es sich mit den zahlreichen Dostojewski-Serien aus Indien, England, Italien – und nicht zuletzt aus Russland, wo manch ein Darsteller in literarisch gehobenen Seifenopern sein Image veredeln durfte. Etwa Jewgeni Mironow: 2003 spielte er Fürst Myschkin in einer TV-Fassung des „Idioten“, später den Autor selbst in einer Fernsehbiografie.
Besonders spannend sind freilich jene Verfilmungen, die versuchen, einen eigenständigen Zugang zum Schaffen des Romanciers zu finden. Bei Akira Kurosawa, der Dostojewski bewunderte und mit „Hakuchi“ (1951) eine japanische Version des „Idioten“schuf, erwächst dieser wie von selbst aus dem veränderten kulturellen Kontext. (1965 lieferte Dostojewskis „Erniedrigte und Beleidigte“die Grundidee für Kurosawas „Akahige“.) Auch russischsprachige Adaptionen stülpen Dostojewski-Texte eigenwillig um: So kann man Sergei Loznitsas Umdeutung von „Die Sanfte“(2017) zum Albtraumtrip durch eine groteske Gefängniswelt als politische Kritik am christlich geprägten Weltbild des Schriftstellers lesen.
„L’idiot“(2008), eine Miniatur des franko-russischen Regisseurs Pierre Le´on, zeigt indes, wie sich die Essenz eines ganzen Romans mit der schlicht-sorgfältigen Inszenierung einer einzigen Szene daraus auf den Punkt bringen lässt. Und: Allen, denen die Dostojewski-Übersetzerin Swetlana Geier am Herzen liegt, sei hiermit der Porträtfilm „Die Frau mit den 5 Elefanten“empfohlen.