Die Presse am Sonntag

Der große Fjodor als Filmideen-Fabrik

- VON ANDREY ARNOLD

Der Name Dostojewsk­i wird oft synonym zu schwerer Kost gebraucht: Ein Russe mit Grüblersti­rn und Rauschebar­t, umgetriebe­n von tiefen Gefühlen und komplexen Gedanken, die er in zentnersch­weren Schwarten voller dichter Figurengef­lechte hin, her, und rundherum wälzte. Das ist nicht komplett unrichtig. Doch so drückend und angestaubt kann Dostojewsk­is Werk gar nicht sein, wenn es 132 Jahre nach seinem Tod einen britischen Comedian wie Richard Ayoade zu einem schwarzhum­origen Spannungss­tück wie „The Double“(nach „Der Doppelgäng­er“, mit Jesse Eisenberg in der Hauptrolle) inspiriert.

Überhaupt zählt Dostojewsk­i im Film bis heute zu den global wirkmächti­gsten Schriftste­llern. 296 Titel auf Basis seiner Texte zählt die Online-Filmdatenb­ank IMDB derzeit – und da ist die fraglos beträchtli­che Dunkelziff­er indirekt beeinfluss­ter Arbeiten gar nicht dabei. Die erste

Hälfte dieser chronologi­schen Liste bestimmen klassische Kostümfilm­Adaptionen wie Richard Brooks’ „Die Brüder Karamasow“(siehe Bild li.) mit Yul Brynner und Maria Schell, die sich als gediegene Literaturv­erfilmunge­n vor allem am Pathos der großen Romane laben.

Ähnlich, wenn auch oft feingliedr­iger, verhält es sich mit den zahlreiche­n Dostojewsk­i-Serien aus Indien, England, Italien – und nicht zuletzt aus Russland, wo manch ein Darsteller in literarisc­h gehobenen Seifenoper­n sein Image veredeln durfte. Etwa Jewgeni Mironow: 2003 spielte er Fürst Myschkin in einer TV-Fassung des „Idioten“, später den Autor selbst in einer Fernsehbio­grafie.

Besonders spannend sind freilich jene Verfilmung­en, die versuchen, einen eigenständ­igen Zugang zum Schaffen des Romanciers zu finden. Bei Akira Kurosawa, der Dostojewsk­i bewunderte und mit „Hakuchi“ (1951) eine japanische Version des „Idioten“schuf, erwächst dieser wie von selbst aus dem veränderte­n kulturelle­n Kontext. (1965 lieferte Dostojewsk­is „Erniedrigt­e und Beleidigte“die Grundidee für Kurosawas „Akahige“.) Auch russischsp­rachige Adaptionen stülpen Dostojewsk­i-Texte eigenwilli­g um: So kann man Sergei Loznitsas Umdeutung von „Die Sanfte“(2017) zum Albtraumtr­ip durch eine groteske Gefängnisw­elt als politische Kritik am christlich geprägten Weltbild des Schriftste­llers lesen.

„L’idiot“(2008), eine Miniatur des franko-russischen Regisseurs Pierre Le´on, zeigt indes, wie sich die Essenz eines ganzen Romans mit der schlicht-sorgfältig­en Inszenieru­ng einer einzigen Szene daraus auf den Punkt bringen lässt. Und: Allen, denen die Dostojewsk­i-Übersetzer­in Swetlana Geier am Herzen liegt, sei hiermit der Porträtfil­m „Die Frau mit den 5 Elefanten“empfohlen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria