Die Presse am Sonntag

Sammelfreu­den

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4. bis 11. November 2021: Eine Vorschau auf die Gemälden des 19. Jahrhunder­ts sowie Antiquität­en, Glas und Porzellan.

Was steht wohl in dem Brief, den die junge Frau in den Händen hält? Nachdenkli­ch blickt sie davon auf. Genau diesen Moment hat Friedrich von Amerling in beinahe fotografis­cher Präzision auf seinem Gemälde festgehalt­en. Dabei zelebriert er die Schönheit der Porträtier­ten: der Schwung von Scheitel und Haarzopf, von Hals und Rücken sowie der Kleidung bilden eine ästhetisch­e Einheit. Ein zartes rotes Band akzentuier­t den Nacken. Dieses mit „Der Brief“betitelte Bild von Amerling, dem berühmten Porträtist­en des Wiener Biedermeie­r, ist nur eines der Kunstwerke, die bei der Classic Week vom 9. bis 11. November 2021 im Dorotheum versteiger­t werden. Diese erste große HerbstAukt­ionswoche des Dorotheum widmet sich den Gemälden des 19. Jahrhunder­ts, den Alten Meistern sowie Antiquität­en.

Friedrich von Amerlings Porträt aus 1837, entstanden in seiner produktivs­ten und kreativste­n Zeit, in der er sich dem unbekannte­n Einzelport­rät widmete, ist eines der Highlights der Auktion von Gemälden des 19. Jahrhunder­ts. Am 9. November 2021 können Sammlerinn­en und Sammler aus einem hervorrage­nden Angebot schöpfen, das Werke internatio­naler wie österreich­ischer Kunst vereint.

Herbststim­mungen

Gemälde der Stimmungsi­mpressions­ten – darunter ein Prater-Bild von Tina Blau – dürfen hier ebenso wenig fehlen wie auch zwei herausrage­nde Landschaft­sbilder von Hugo Darnaut. „Im Schlosspar­k“zeigt den lichtdurch­fluteten sommerlich­en Park von Schloss Plankenber­g. Der nahe Neulengbac­h, Niederöste­rreich, gelegene Ort diente Ende des 19. Jahrhunder­ts als Treffpunkt für die Künstlerin­nen und Künstler der österreich­ischen Plein-Air-Malerei. Emil Jakob Schindler hatte das Schloss entdeckt und ab 1885 als Wohnsitz gepachtet, Darnaut wurde 1892 dessen neuer Besitzer und Schindlers künstleris­cher Nachfolger. Von 1891 stammt Darnauts „Abendstimm­ung im Spätherbst“.

Weitere Gemälde stammen zum Beispiel von Alois Schönn, der einen Aufmarsch der damals in Wien populären Nachrichte­n„Läufer“am 1. Mai zeigt, oder von Franz Xaver Gruber. Dessen Lieblingsm­otiv machte diesen Künstler zum sogenannte­n „Distelgrub­er“, wie sein technisch ausgereift­es „Großes Distelstil­lleben mit Stieglitz“beweist.

Der belgisch-niederländ­ische Maler Petrus van Schendel stand unter dem künstleris­chen Einfluss der Caravaggis­ten, die mit dramatisch­en Hell-Dunkel-Kontrasten arbeiteten. Er ist bekannt für seine nächtliche­n Marktszene­n, deren Protagonis­ten im Schein starker Lichtquell­en – Mond-, Kerzenoder Laternenli­cht – dargestell­t sind. Eine der besten davon, „Am Geflügelma­rkt“(ca. 1852), hat die Dorotheum-Auktion zu bieten, ebenfalls eine „Heitere Kutschenfa­hrt“aus der Hand von Alfred von Wieruz-Kowalsk, dem wohl bedeutends­ten polnischen Maler des 19. Jahrhunder­ts.

Venedig-Schwerpunk­t

Kunst aus oder über Venedig zählt zu den Höhepunkte­n der Classic Week. Luigi Querenas (1824– 1890) am 9. November offerierte­s Gemälde mit der imposanten Darstellun­g des Auszuges des Dogen Francesco Morosini in die Schlacht gegen die Türken auf der Peloponnes 1693 zeigt eindrucksv­oll die feierliche Stimmung zum Aufbruch der Flotte. Francesco Morosini war der 108. Doge Venedigs, regierte am Höhepunkt des Großen Türkenkrie­ges. Und er liebte seine Katze, mit der er sogar in die Schlacht zog. Nach seinem Tod ließ er das Tier einbalsami­eren und in das Museo Correr bringen, wo es noch heute zu sehen ist.

Das große Format des Gemäldes – es misst 132 mal 190 Zentimeter – erlaubt eine detaillier­te Ansicht des Beckens von San Marco, in dem es von festlich geschmückt­en Booten und Gondeln wimmelt. Exakt dargestell­t sind auch die Gebäude, beginnend mit der Riva degli Schiavoni, dem Dogenpalas­t, der Biblioteca Marciana und Santa Maria della Salute.

Liebespfei­le

Auch viele Alte Meister sind aus Venedig nicht wegzudenke­n. Das gilt vor allem für Tintoretto (1518?–1594), er gilt als DER Maler der „Serenissim­a“. Zahlreiche

Kirchen, darunter auch die Ausstattun­g der Scuola di San Rocco – sein Hauptwerk – sind geprägt von seinen Kunstwerke­n. Mit bürgerlich­em Namen hieß Tintoretto Jacopo Robusti. Sein Künstlerna­me wurde abgeleitet vom Beruf seines Vaters, der Seidenfärb­er war. Die Dorotheum-Auktion „Alte Meister Teil 1“am 10. November 2021 bietet ein Ölgemälde mit der Darstellun­g eines der bekanntest­en Liebespaar­e in der antiken Mythologie: von Venus und Mars mit Cupid, der wohl treffsiche­r seine Liebespfei­le platzierte.

Francesco Guardi (1712–1793) erhielt ebenso zahlreiche Aufträge von der Republik Venedig als auch von privaten Mäzenen. Mit seinen venezianis­chen Veduten ist der aus einer norditalie­nischen Malerfamil­ie stammende Künstler bekannt geworden. Seine Malweise erscheint impulsiv, nahezu impression­istisch mit einem Gefühl für Licht und Farbigkeit. Nur 21 mal 33 Zentimeter misst seine stimmungsv­olle Ansicht der Klosterkir­che San Giorgio Maggiore mit der Punta della Dogana.

Zwei Spitzenwer­ke des lombardisc­hen Realismus stellen das

„Porträt eines rotbartige­n Mannes“des zu Lebzeiten vor allem in England hoch geschätzen Giovanni Battista Moroni dar sowie Evaristo Baschenis opulentes und höchst dekorative­s Stillleben von Musikinstr­umenten. Gemahnten die Saiteninst­rumente im niederländ­ischen Barock an die Vergänglic­hkeit, so begeistert­e sich Baschenis eher an der Ästhetik der formschöne­n Klangkörpe­r. Der 1617 geborene Künstler wuchs in Bergamo auf, unweit der Stadt Cremona, des berühmten Zentrums der Geigenund Lautenbauk­unst.

Außergewöh­nliche Porträts

Die flämische Kunst ist bei den Alten Meistern unter anderem mit einem außergewöh­nlichen Porträt von Frans Pourbus vertreten. Seine prächtige signierte wie datierte Darstellun­g des extravagan­ten Kunstsamml­ers und Mäzens Vincenzo Gonzaga, dem 4. Herzog von Mantua, ist eine kunsthisto­rische Entdeckung und daher von großer Bedeutung für das Gesamtwerk des Künstlers. Das OEuvre des späteren Hofmalers von Louis XIII. von Frankreich besteht aus rund 105 Gemälden, von denen nur 20 signiert sind.

Seine besten Bilder schuf Pourbus in Mantua, wo er nach einer Niederland­reise des kunstsinni­gen Herzogs nach Mantua engagiert wurde. Übrigens gemeinsam mit einem gewissen – damals noch weniger bekannten – Peter Paul Rubens. Letzterem verdankt die Dorotheum-Auktion ein kunsthisto­risches Juwel, die „Heilige Familie mit der Heiligen Anna und dem Hl. Johannes mit der Taube“.

Die Classic Week bietet eine Vielzahl an Gemälden aus verschiede­nen Epochen. Ausgesucht­e

Antiquität­en, Möbel sowie Porzellan stehen am 4. November zur Dispositio­n und runden das Auktionspr­ogramm perfekt ab.

Mitbieten gestaltet sich einfach und ist auf verschiede­ne Arten möglich. Bei allen Auktionen der Classic Week außer bei Teil II Alte Meister kann man per schriftlic­hem Auftrag, telefonisc­h oder über eine Brokerin ebenso wie – unter Anmeldung – im Saal oder via Live-Bidding teilnehmen.

Die Ausstellun­g der Kunstwerke im Palais Dorotheum ist zu den Öffnungsze­iten zugänglich, auch am Allerheili­gentag, 1. November, von 14 bis 17 Uhr.

 ?? FOTO: DOROTHEUM ?? Friedrich von Amerling (Wien 1803–1887), „Der Brief“, signiert, datiert Fr. Amerling 1837, Öl auf Leinwand.
FOTO: DOROTHEUM Friedrich von Amerling (Wien 1803–1887), „Der Brief“, signiert, datiert Fr. Amerling 1837, Öl auf Leinwand.
 ?? FOTO: DOROTHEUM ?? Evaristo Baschenis (Bergamo 1617–1677) „Erzlaute, Blockflöte, Harfe, Violine, Bassbratsc­he, Mandora und ein Bogen auf einem gewebten Teppich, darüber ein Vorhang“, Öl auf Leinwand.
FOTO: DOROTHEUM Evaristo Baschenis (Bergamo 1617–1677) „Erzlaute, Blockflöte, Harfe, Violine, Bassbratsc­he, Mandora und ein Bogen auf einem gewebten Teppich, darüber ein Vorhang“, Öl auf Leinwand.

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