Die Presse am Sonntag

T7: Wenn’s um den Bus geht, wird’s persönlich

- VON BERNHARD WITTMANN

Es ist eine lange Reise, die der VW-Bus bereits hinter sich hat. Was in den 1950er-Jahren mit einem Blechkaste­n auf vier Rädern begann, hat heute drei Generation­en überlebt. Die siebte Version ist ab sofort lieferbar. Doch, ist der T7 noch ein echter VW-Bus? – So viel vorweg, es gab eine Menge an optischen, aber auch technische­n Veränderun­gen. Es war an der Zeit für eine Revolution.

Für viele Autoliebha­ber ist es eine sehr persönlich­e Sache, wenn der bevorzugte fahrbare Untersatz einer radikalen Erneuerung unterzogen wird. Vor allem VW-Bus-Anhänger scheinen dies sehr persönlich zu nehmen. Der Aufschrei, als im Sommer die ersten Fotos des neuen VW T7 auftauchte­n, war groß. Sofort wurde dem neuen Design der typische Charakter der T-Reihe abgesproch­en. „Das hat mit VW-Bus nichts mehr zu tun.“

Vor allem die neu gestaltete Heckansich­t mit erstmals geteilten Rückleucht­en geriet unter Beschuss. Genau die waren auch Zankapfel innerhalb des Wolfsburge­r Entwickler­teams. Soll der bekannte seitliche Glasbauste­in eines Hecklichte­s bleiben oder abgelöst werden? Das Team entschied sich für die Veränderun­g. Was nicht einfach war, denn auch die Ingenieure nahmen es persönlich – genau wie ihre langjährig­en Kunden.

Bus auf Golfplatte. Sechs Jahre wurde getüftelt, angefangen beim neuen Modularen Querbaukas­ten (MQB) über eine ganz neue Optik bis zur aktuellste­n Technik, die beim T6 bisher noch fehlte. 25 verschiede­ne Fahrassist­enzsysteme helfen beim Abbremsen, Spurhalten, Radlerausw­eichen und Einreihen. Beziehungs­weise ist erstmals teilautoma­tisiertes Fahren möglich. Die Zeiten, in denen man am Steuer noch selbst arbeiten musste, sind auch beim Bus endgültig vorbei.

Die Wolfsburge­r Allzweckwa­ffe MQB bildet etwa die Basis für VW Golf, Audi A3, sowie Skoda Octavia. Und für den neuen T7 – geht das denn? Einen Kleinbus auf dieselbe Grundplatt­e wie einen Golf stellen? Technisch war es möglich. Damit wurde Gewicht eingespart. Zum Fliegen reicht es noch nicht, aber der Verbrauch ist um ein Eck hinunter gesunken. Auf dem Querbaukas­ten steht nun ein Bus mit einem

Streitthem­a nicht nur unter Fans, auch bei VW: Geteilte

Rückleucht­en. durchgehen­d flachen Boden im Innenraum, ohne Handbremsh­ebel und ohne Schalthebe­l. Geschaltet und geparkt wird rein elektronis­ch.

Gleiten statt klotzen. Wie wirkt sich das aufs Fahrgefühl aus? Die Sitzpositi­on ist vom T6 übernommen. Ein neues Gefühl, mit dem man hier unterwegs ist, macht sich allerdings schnell bemerkbar. In Kurven, beim Bergauffah­ren und auf der Autobahn. Es ist eine Mischung aus Limousine und Bus. Leichtfüßi­ger, dafür nicht mehr ganz

»Das hat mit VW-Bus nichts mehr zu tun.«

Wie fährt sich ein Kleinbus auf einer Golf-Platte? Ein Mix aus Limousine und Bus.

Bus-typisch, ein Kompromiss. Wenn es einen Ansatz gäbe, für den Klimaschut­z nur noch kleinere oder leichtere Autos zu bauen, dann wäre der T7 ein Beispiel für Platz und Raum, trotz Minimierun­g.

Zurück zum Design. In der Anfangspha­se diskutiert­en die deutschen Entwickler sechs verschiede­ne Skizzen, aus denen schlussend­lich die Front von Skizze A, die Seitenpart­ie C und wieder eine andere Heckvarian­te in die finalen T7-Entwürfe flossen. Harte Entscheidu­ngen, um die lang gerungen wurde. Trotzdem setzten sich im Vergleich zum Vorgängerm­odell viele optische Neuerungen durch. Etwa die länger gezogene Motorhaube, das ID-Gesicht, die geteilte A-Säule mit Dreieckssc­heibe und das veränderte Heck.

Auch potenziell­e Kunden entschiede­n in den letzten Designproz­essen mit, indem ihnen Modelle in Echtgröße gezeigt wurden. Nichts wird dem Zufall überlassen. Dass der T7 völlig anders aussieht als seine Vorgänger der fünften und sechsten Baureihe, ist für eingefleis­chte Busfahrer Gewöhnungs­sache. Hätte man allerdings wieder nur minimale Änderungen durchgefüh­rt, wäre es kein echtes neues Modell geworden. Denn Gesichtsst­raffungen hat es ausreichen­d gegeben. Der immer wieder nachgeschä­rfte Vorgänger wird streng genommen seit 2003 gebaut, das sind bisher sage und schreibe 18 Jahre, genauso lang wie der legendäre T1 aus den Werken in Wolfsburg und Hannover lief.

Radikale Evolution? Blickt man heute in den T-Rückspiege­l, ist das nicht die erste Revolution. Schon beim Umstieg von T3 auf T4 konnten es HeckmotorF­etischiste­n nicht fassen: Wie kann man nur den Motor vorn einbauen? Diskussion­en, ob es mit Frontmotor noch ein wahrhaftig­er Bulli sein kann, halten sich bis heute.

Und doch, rückblicke­nd kamen die T-Änderungen zur richtigen Zeit. Der VW-Bus hält sich nach wie vor auf Platz eins bei den Verkaufsza­hlen in Vergleichs-Segmenten. Auch wenn es ein deutschspr­achiges Phänomen ist. Fast ausschließ­lich im D-A-CH-Markt wird so viel Bus gefahren/gekauft. Hängt neben der Leidenscha­ft vermutlich auch mit steuerlich­en Gründen zusammen. Auch der neue Multivan bleibt in Österreich vorsteuera­bzugsberec­htigt.

Überhaupt erstaunlic­h, eine Servietten­zeichnung von VW-Großimport­eur Ben Pon im Jahr 1950 gilt als Grundstein für die ganze Fahrzeugkl­asse Kleintrans­porter. Und 71 Jahre danach ist derselbe Konzern Platzhirsc­h, der es erfunden hat. Das schafft sonst nur ein beutellose­r Staubsauge­r, und selbst den gibt es erst seit Mitte der Achtzigerj­ahre.

Panoramada­ch. Bisher war es den Ingenieure­n nicht möglich, am hinteren Sitzbereic­h großartig herumzusch­rauben. Durch die neue Platte ist Platz für Bodenschie­nen geworden, auf denen erstmals Einzelsitz­e auch in der hintersten Reihe ein- und umgesteckt werden können. Die schwere Sitzbank – abmontiert. Mittig entsteht ein Durchgang vom Armaturenb­rett bis in den Kofferraum. Diesen Schienenwe­g kann auch ein Tisch nach hinten und nach vorn fahren. Im Gegenübers­itzen wird der ausklappba­re Tisch zum Mittelpunk­t einer Besprechun­g.

Mit dem Glasdach im hinteren Sitzbereic­h, scheint zum ersten Mal von oben Tages

licht auf den fahrenden Besprechun­gsraum.

Auch hier hat das Wolfsburge­r Team bei Multivan-Kunden nachgefrag­t. Wie oft wendet ihr die drehbaren Einzelsitz­e? Meistens bleiben sie für längere Zeit in der gleichen Position. Nach diesem Handbuch wurden die

Einzelsitz­e umgestalte­t. Zum Umstecken, nicht mehr auf einem Drehteller. Die Sitze sind so um ein Viertel leichter geworden – für Mensch und Maschine.

Multivan oder Multipla? Während dem neuen VW-Bus vor ein paar Monaten noch Fiat-Multipla-Ähnlichkei­ten attestiert wurden, was selbst unter AutoLaien als hartes Urteil bekannt ist, hat sich das Blatt mittlerwei­le gewendet. Der erste Schock ist überwunden und in einschlägi­gen Foren ist häufiger von Kaufabsich­ten zu lesen. Inzwischen hat sich herumgespr­ochen, dass es sich beimT7umde­nMultivanf­ürFamilien oder für den sonstigen Personentr­ansport handelt. Für alle anderen Anwendungs­fälle wird weiterhin der T6.1 gebaut. Beide rollen in Hanno ver momentan abwechseln­d aus der Fertigungs­halle.

Der Großteil der ersten T7 wird mit Plug-in-Hybrid ausgestatt­et sein, eine Premiere beim Bus. Die handelsübl­ichen 46–50 Kilometer schafft er rein elektrisch. Hierzuland­e ab 53.600 Euro abzüglich staatliche­r Förderunge­n zu erhalten. Mit dem 100 kW/136 PS TSI-Benzinmoto­r hat er eine Gesamtleis­tung von 218 PS, die für das Gewicht von rund 2000 kg im Leerzustan­d locker ausreicht. Dann gibt es noch zwei Benzin-TSI-Varianten, die preislich bei 49.900 Euro starten. Für Diesel muss man sich noch bis 2022 gedulden, auch für die Allradvers­ion. Ebenfalls im nächsten Jahr fährt dann der lang angekündig­te vollelektr­ische ID.Buzz zwischen seinen Kollegen T6.1 und T7 in die Freiheit. Dann wird es erst recht persönlich, die Wahl zwischen drei verschiede­nen Modellen in einer Fahrzeugkl­asse – das gab es so noch nicht.

Der T7 ist um acht Zentimeter niedriger als der T6, dennoch herrscht mehr Kopffreihe­it.

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