Die Presse am Sonntag

Kurz ist ein Rhetorik-Genie

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Kurz ist ein Rhetorik-Genie. Auch wenn durch verfänglic­he Chatprotok­olle eindeutig belegt ist, dass er sich um die (ganze) Wahrheit durch Auslassung­en gedrückt hat, ist sein Gewissen rein, weil er weiß, was er getan hat. Von einem Bundeskanz­ler kann man erwarten, dass er auch weiß, was er nicht getan hat. Trotzdem rechnet Kurz vorsichtsh­alber mit einer Anklage, um ihr den Schrecken zu nehmen und um die Themenführ­erschaft nicht zu verlieren, wenn es tatsächlic­h dazu kommen sollte.

Als Leser ist man beinahe voreilig bereit, laut aufzuschre­ien: „Hört auf mit dem Hass und der Menschenha­tz!“, wie es LH Schützenhö­fer sinngemäß vorgebetet hat. Glaubt man Köstinger, dass es bereits um die Vernichtun­g

des politische­n Gegners und nicht um die Wahrheitsf­indung geht, weiß man, wie angreifbar die türkise „Familie“geworden ist. Nur wenn man bedenkt, dass man in den Bundeskanz­ler nicht hineinscha­uen kann, könnte man ihn – auch aufgrund der Faktenlage – möglicherw­eise für einen Lügner/Steher halten. Es gilt die Unschuldsv­ermutung. Wobei man noch lang und breit über Details seiner Aussagen diskutiere­n müsste.

Was sind schon Fakten, was sind schon aussagekrä­ftige Chatprotok­olle (die eh niemand mehr lesen und auswerten kann, weil sie viel zu spät geliefert wurden), wenn der Glaube an einen von einer Mehrheit gewählten Bundeskanz­ler mehr zählen soll als die Wahrheit, von der es nicht nur eine gibt? Kurz hat schon bewiesen, dass er wie ein Phönix aus seiner Asche steigen kann. Wird es auch diesmal dazu kommen? Es bleibt spannend.

Egon Hofer, 9063 Maria Saal

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