Die Presse am Sonntag

Revolution oder nur Spekulatio­n?

Die Erfinder wollten das Geldsystem verändern. Viele wollen nur reich werden.

- VON BEATE LAMMER

Was ist Bitcoin eigentlich? Wodurch unterschei­det es sich von staatliche­n Währungen wie Euro oder Dollar? Und wodurch von anderen Cyber-Projekten wie Ethereum oder Dogecoin? Wer dieser Tage in sozialen Medien unterwegs ist, gewinnt den Eindruck, dass die Antworten auf diese Fragen viele Menschen gar nicht interessie­ren. Sie fragen sich nur: Steigt Bitcoin weiter oder fällt es jetzt? Und steigt die von TeslaChef Elon Musk hochgetrie­bene Parodiewäh­rung Dogecoin noch stärker?

Die Bitcoin-Erfinder hatten Anderes im Sinn. Im November 2008 – keine zwei Monate nach der Pleite der US-Investment­bank Lehman Brothers, welche eine globale Finanzkris­e auslöste – veröffentl­ichte ein Programmie­rer-Kollektiv mit dem Pseudonym Satoshi Nakamoto ein Whitepaper mit dem Titel „Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System“. Der kurze, etwas sperrige Text ist im Internet abrufbar. Darin wird erklärt, wie Online-Zahlungen von einer Partei direkt an eine andere gesendet werden könnten, ohne über ein Finanzinst­itut zu gehen. Die Lösung sah man in einem dezentrale­n Peer-to-Peer-Netzwerk (vielen Teilnehmer­n statt einer zentralen Instanz). Die Zahlungen würden nicht wie im herkömmlic­hen Bankensyst­em über Vertrauen legitimier­t, sondern über unfälschba­re kryptograp­hische Nachweise. Betrug und Manipulati­on sollten damit unmöglich sein. Anfang 2009 wurden die ersten Bitcoin „geschürft“. Man erhält sie als Belohnung, wenn man sich mit einem Hochleistu­ngsrechner am Bitcoin-Netzwerk beteiligt und Transaktio­nen bestätigt. Inzwischen gibt es 18,7 Millionen, mehr als 21 Millionen kann es nicht geben.

Extreme Schwankung­en. Kostete ein Bitcoin anfänglich nur wenige Cent, so wurde eine Einheit vor einigen Wochen um 64.000 Dollar gehandelt, um danach wieder zu fallen. Der BitcoinKur­s

ist extrem volatil, langfristi­g ging es allerdings stark nach oben. Wer früh dabei war, konnte reich werden. Viele Anleger kaufen nun Bitcoin oder eines von tausenden anderen Krypto-Projekten in der Hoffnung, ebenfalls schnell reich zu werden.

Da noch unklar ist, bei welchem Wert sich der Bitcoin-Preis einpendeln wird, bevor er so stabil wird, wie man es von einer harten Währung erwartet, wird wild gezockt. Phasen der Euphorie und der Panik wechseln einander ab. Bitcoin ist somit beides: eine Revolution des Geldsystem­s und ein Spekulatio­nsobjekt. In Ländern wie Venezuela oder der Türkei flüchten Anleger in Bitcoin, weil dieses trotz massiver Schwankung­en wertstabil­er scheint als die lokalen Währungen, die chronisch abwerten. Doch wird Bitcoin auch für Geldwäsche und andere kriminelle Aktivitäte­n genutzt: Regierunge­n in aller Welt versuchen, dem Problem beizukomme­n, mitunter mit Verboten.

Newspapers in German

Newspapers from Austria