Vom Licht zum Dunkel
Verdis »Don Carlo« in der Staatsoper, erstmals mit Fabio Sartori in der Titelpartie.
„Wo viel Licht ist, ist starker Schatten“, heißt es zwar nicht bei Schiller, sondern bei Goethe, aber der Satz bewahrheitete sich diesmal exemplarisch im Königskabinett, am Beginn des zweiten Teils von Verdis „Don Carlo“, dessen vieraktige italienische Fassung wieder auf dem Spielplan steht. Da schienen die Protagonisten in wertender Reihenfolge aufzutreten, vom Licht zum Dunkel.
Pape als imposanter Philipp. Zunächst und in erster Linie konnte Rene´ Pape seine Stärken ausspielen, dessen Philipp noch imposanter klang als zuletzt sein Fiesco im Salzburger „Simon Boccanegra“. Traniges Selbstmitleid gibt es nicht, wenn Pape das Porträt eines Mannes zeichnet, der nach außen wie nach innen Strenge zeigen will und dem diese vermeintliche Stütze in der Einsamkeit wegbricht. Die Konfrontation mit dem neuen Großinquisitor Dmitry Ulyanov konnte diese Höhe halten, obwohl sich dessen Gefährlichkeit vorzugsweise im Fortissimo zeigte.
Abstriche musste man danach bei Anja Harteros machen. Freilich war ihre Elisabetta den ganzen Abend über zwischen Hoheit und Verzweiflung wunderbar hin und her gerissen, doch wird der Umgang mit der Gesangslinie durch wachsende Dramatik immer zwangloser. Mit stimmlich großen Gesten beeindruckte sie dann auch im letzten Akt – aber lyrische, von langem Atem getragene Pianophrasen auch in der Höhe vernimmt man von Harteros mittlerweile selten. Als Eboli eilte ihr Elena Zhidkova zu Hilfe, die komödiantisch-resolute Venus des neuen Bayreuther „Tannhäuser“. Hatte sie dort vokal mit unsteter Tongebung einen ungünstigen Eindruck hinterlassen, präsentierte sie sich vokal nun überraschend gefestigt. Doch Probleme mit den Spitzentönen blieben unüberhörbar. Dirigent Jonathan Darlington mühte sich um Koordination, aber steter Fluss oder gar poetischer Tonfall kam kaum auf. Einen solchen vermisste man vor allem bei Carlo und Posa. Rollendebütant Fabio Sartori und Simon Keenlyside konnten sich gegenseitig lang nicht zu glaubwürdigen Freundschaftsgesten inspirieren. Der Tenor drängt zunehmend ins heldische Fach und reüssierte somit vor allem dort, wo sich sensiblere Stimmen anstrengen müssen. Dem Bariton gehört zwar die Gunst des Publikums, doch sind bei dieser rau, schwer gewordenen Stimme die schönen Tage in Aranjuez zu Ende – einer bewegenden Sterbeszene zum Trotz.