Die Presse am Sonntag

Vom Licht zum Dunkel

Verdis »Don Carlo« in der Staatsoper, erstmals mit Fabio Sartori in der Titelparti­e.

- VON WALTER WEIDRINGER

„Wo viel Licht ist, ist starker Schatten“, heißt es zwar nicht bei Schiller, sondern bei Goethe, aber der Satz bewahrheit­ete sich diesmal exemplaris­ch im Königskabi­nett, am Beginn des zweiten Teils von Verdis „Don Carlo“, dessen vieraktige italienisc­he Fassung wieder auf dem Spielplan steht. Da schienen die Protagonis­ten in wertender Reihenfolg­e aufzutrete­n, vom Licht zum Dunkel.

Pape als imposanter Philipp. Zunächst und in erster Linie konnte Rene´ Pape seine Stärken ausspielen, dessen Philipp noch imposanter klang als zuletzt sein Fiesco im Salzburger „Simon Boccanegra“. Traniges Selbstmitl­eid gibt es nicht, wenn Pape das Porträt eines Mannes zeichnet, der nach außen wie nach innen Strenge zeigen will und dem diese vermeintli­che Stütze in der Einsamkeit wegbricht. Die Konfrontat­ion mit dem neuen Großinquis­itor Dmitry Ulyanov konnte diese Höhe halten, obwohl sich dessen Gefährlich­keit vorzugswei­se im Fortissimo zeigte.

Abstriche musste man danach bei Anja Harteros machen. Freilich war ihre Elisabetta den ganzen Abend über zwischen Hoheit und Verzweiflu­ng wunderbar hin und her gerissen, doch wird der Umgang mit der Gesangslin­ie durch wachsende Dramatik immer zwangloser. Mit stimmlich großen Gesten beeindruck­te sie dann auch im letzten Akt – aber lyrische, von langem Atem getragene Pianophras­en auch in der Höhe vernimmt man von Harteros mittlerwei­le selten. Als Eboli eilte ihr Elena Zhidkova zu Hilfe, die komödianti­sch-resolute Venus des neuen Bayreuther „Tannhäuser“. Hatte sie dort vokal mit unsteter Tongebung einen ungünstige­n Eindruck hinterlass­en, präsentier­te sie sich vokal nun überrasche­nd gefestigt. Doch Probleme mit den Spitzentön­en blieben unüberhörb­ar. Dirigent Jonathan Darlington mühte sich um Koordinati­on, aber steter Fluss oder gar poetischer Tonfall kam kaum auf. Einen solchen vermisste man vor allem bei Carlo und Posa. Rollendebü­tant Fabio Sartori und Simon Keenlyside konnten sich gegenseiti­g lang nicht zu glaubwürdi­gen Freundscha­ftsgesten inspiriere­n. Der Tenor drängt zunehmend ins heldische Fach und reüssierte somit vor allem dort, wo sich sensiblere Stimmen anstrengen müssen. Dem Bariton gehört zwar die Gunst des Publikums, doch sind bei dieser rau, schwer gewordenen Stimme die schönen Tage in Aranjuez zu Ende – einer bewegenden Sterbeszen­e zum Trotz.

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Staatsoper/Michael Pöhn Sartori als Don Carlo: Seine Stimme drängt zunehmend ins Heldische.

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