Krisenplan für Österreichs China-Küche
Österreich drohen die chinesischen Köche auszugehen. Nach jahrelangen Gesprächen trat ein Deal mit Peking in Kraft, der das verhindern soll. Nun sind die ersten Fachkräfte angekommen.
Nicht weniger als den Beginn einer Geschmacksrevolution erhoffen sich die Betreiber chinesischer Restaurants in Österreich. Lieblos gebratene Bandnudeln, geschmacklos frittierte Frühlingsrollen und in Glutamatsauce getränktes Gemüse sollen der Vergangenheit angehören. China-Küche soll künftig so abwechslungsreich und qualitätvoll schmecken wie im Reich der Mitte. Das Rezept gegen den chinesischen Einheitsbrei? Mehr Köche. Und die Vorhut der Chinesen, die die China-Gastronomie aufwerten sollen, ist vor Kurzem in Wien angekommen.
Sie sitzen an einem Tisch beladen mit Tellern mit chinesischem Frühstück – mit gebratenem Gemüse, tausendjährigen Eiern, mild-scharfen Nudeln und Zhou, einer Reissuppe – während Vertreter aus der Branche und der chinesischen Botschaft in Österreich eine Zwischenbilanz ziehen: Jahrelang haben Restaurantbetreiber mit chinesischen Wurzeln dafür lobbyiert, dass Österreich seine strengen Einreisebestimmungen für gelernte Köche aus der Volksrepublik lockert. Auch Zhu Maozou, Vizepräsident chinesischer Gastronomen in Österreich.
Der Grund für das wenig authentische und einheitliche chinesische Essen sei der Mangel an qualifizierten Fachkräften, sagt der gebürtige Chinese, der mit 16 Jahren nach Österreich gekommen ist: Ein Großteil der Menschen mit chinesischen Wurzeln hierzulande stammt aus der ostchinesischen Provinz Zhejiang. Um sich einen Lebensunterhalt verdienen zu können, eröffneten viele Migranten der ersten Generation Restaurants. Eine Ausbildung hatten die meisten aber nicht – sie griffen auf Hausmannskost zurück.
Kein Deutsch nötig. Ein Abkommen über Spezialitätenköche, das vom verstorbenen Sozialminister Rudolf Hundstorfer initiiert wurde und 2018 in Kraft getreten ist, soll gegensteuern: Es sieht vor, dass jährlich 30 gelernte Köche aus China einen einjährigen Aufenthaltstitel in Österreich erlangen. Dieser kann auf maximal drei Jahre verlängert werden. Als Vorbild für das Modell galt eine Vereinbarung, die Deutschland vor einigen Jahren eingeführt hatte.
Der Vorteil: Die Chinesen sind vom Ausländerbeschäftigungsgesetz ausgenommen. Sie benötigen keine RotWeiß-Rot-Karte, sondern dürfen auf Basis eines speziellen Aufenthaltstitels – als „Sonderfall unselbstständiger Erwerbstätigkeit“– in Österreich arbeiten. Voraussetzungen wie Deutschkenntnisse oder ein Einkommensnachweis entfallen. Bemerkenswertes Detail am Rand: Spezialitätenköche aus China sind nun als einzige länderspezifische Berufsgruppe in einem eigenen Paragrafen in der Ausländerbeschäftigungsverordnung vermerkt.
Nach mehr als einem Jahr wurden nun 23 Köche bewilligt, einige sind schon nach Österreich übersiedelt. Zwei Fachkräfte, einer aus der Provinz Shandong, einer aus der Inneren Mongolei, arbeiten seit August im Restaurant Jasmin nahe der UNO-City. Er sei für seine Familie hierhergekommen, erzählt einer der Köche. Das Geld, das er hier verdiene, werde er zurück nach China schicken. Restaurant-Betreiber Gao Jing ist erleichtert: „Die vergangenen drei Jahre habe ich Tag und Nacht in der Küche gearbeitet“, erklärt der Chinese, der seit 1988 in Wien lebt und die meiste Zeit im Gastrogewerbe tätig war. Seine Kochfertigkeiten musste er sich in diesen Jahren notgedrungen selbst aneignen. Er hoffe mit dem neuen Personal auf mehr Umsatz, auch eine Erneuerung der Speisekarte kann er sich vorstellen.
Viele der 1200 China-Lokale in Österreich werden auch weiterhin ohne Küchenchef auskommen müssen. In die Vereinbarung fallen nur Restaurants der „gehobenen Gastronomie“, die nur chinesische Speisen anbieten. Sprich: Bratnudelstände sind genauso ausgenommen wie Lokale, die Buffets oder Fusionsküche anbieten. Zhu Maozou ortet eine Benachteiligung: Gerade diese Lokale brauchten gelernte Köche, um die Qualität zu verbessern. „Viele wollen kein Buffet mehr haben“, sagt er. Auch er selbst will das Konzept seines All-you-can-eat-Lokals im 21. Bezirk ändern, um Köche anfordern zu können. Heuer werde sich das nicht mehr ausgehen: Das Verfahren dauere viel zu lang, kritisiert er.
Mehrere Behörden sind involviert, bis die Köche aus China ankommen. In Österreich prüft das Arbeitsmarktservice, ob interessierte Restaurants alle Anforderungen erfüllen. Im Fokus steht dabei, ob der Betrieb in der Vergangenheit illegal Ausländer beschäftigte, ob der Mindestlohn eingehalten wird und die Arbeitnehmer sozialversichert sind, erklärt Barbara Bohaczek vom AMS. Die Ausbildung der Antragsteller prüfe das AMS jedoch nicht. „Wir haben keine Ressourcen, Kochtests durchzuführen“, erklärt sie. Die chinesischen Behörden seien verantwortlich, die Qualifikation der Küchenkräfte sicherzustellen. In Deutschland sei das anders: Dort müssen sich die Köche vor den Augen von Prüfern beweisen.
Leise winkt Chunah Urban-Chao einen Kellner herbei. Die Gründerin des Restaurants Sichuan im Donaupark deutet ihm, die Speisen auf die Teller ihrer Gäste zu verteilen. Noch hat aufgrund der Diskussionen niemand zugegriffen. Zwei Köche haben unter der neuen Regelung bereits in ihrem Lokal zu arbeiten begonnen. Doch die Unternehmerin, die stets auf authentischen Geschmack Wert legte, hat in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Köche aus China angeworben – auch über die Rot-Weiß-Rot-Karte.
Der Wohlstand in China steigt. Talentierte Köche wollen nicht mehr im Ausland arbeiten.
100 statt 30. Es werde aber immer schwieriger, Willige zu finden, schildert Urban-Chao. Die Talentierten blieben lieber in ihrer Heimat: In den Großstädten lebten sie oft besser als im Ausland. „Der Wohlstand in China steigt. Viele Köche haben eine gute Arbeit in Fünf-Sterne-Hotels. Dort haben sie bessere Chancen, zum Großmeister aufzusteigen“, schildert Urban-Chao. „Sie sind der Chef in der Küche und müssen körperlich nicht arbeiten.“
Es sei fast aussichtslos, einen Küchenchef zu finden, der seinen Ansprüchen gerecht werde, klagt Wu Liming. Der Inhaber des Green Cottage in der Kettenbrückengasse ist selbst gelernter Koch. Er sucht nach einem Angestellten, der sich auf die Regionalküche der ostchinesischen Stadt Hangzhou spezialisiert. China entwickle sich rasant – auch die Kochkunst. Ohne ausreichend qualifizierte Fachkräfte drohe Österreichs China-Küche rückständig zu werden, warnt Wu, der 1988 nach Österreich migrierte. In Wien gebe es nur fünf China-Restaurants, in denen ge