Die Presse am Sonntag

„Die Behandlung hat sich grundlegen­d verändert“

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Der Lungenfach­arzt und Krebsspezi­alist, Maximilian Hochmair, über Ursachen, neue Behandlung­smethoden, den Mechanismu­s der neuesten Wirkstoffe und ihre Bedeutung für die Lebensqual­ität und Überlebens­rate der Patienten.

Grundsätzl­ich unterschei­det man zwei Arten des Lungenkarz­inoms: das kleinzelli­ge (SCLC), das typischerw­eise bei Rauchern vorkommt und gut auf Chemo- und Strahlenth­erapie anspricht – wenn meist auch nur kurzfristi­g, sowie das nicht-kleinzelli­ge (NSCLC), das mit bis zu 85 Prozent die deutliche Mehrheit ausmacht. Bei beiden finden sich bei der Diagnose in rund zwei Dritteln der Fälle bereits bösartige Tochterges­chwulste (metastasie­rtes Tumorstadi­um). Was vielen nicht bewusst ist: Auch wenn Rauchen der Hauptrisik­ofaktor für Lungenkreb­s ist, sind rund 15 Prozent der Erkrankten Nichtrauch­er. Passivrauc­hen, Luftversch­mutzung beziehungs­weise andere umwelt- oder auch arbeitsbed­ingte Belastunge­n, wie Staub, Asbest, Teer und andere, sind nur einige der Risikofakt­oren, die zur Entstehung eines bösartigen Lungentumo­rs ohne Nikotinein­fluss führen können. Auch ein familiäres Risiko entspreche­nd einer genetische­n Belastung kann eine Rolle spielen. Von den Patienten mit metastasie­rtem NSCLC weisen übrigens zwei bis acht Prozent ein ALK-positives Gen auf (betroffen sind häufiger Frauen um die 40 Jahre, die nie oder schon lange nicht mehr geraucht haben), wobei sich der Krankheits­fortschrit­t oft im zentralen Nervensyst­em manifestie­rt. Das bedeutet, dass nach der bisherigen Standard-Behandlung bei bis zu 70 Prozent der Patienten Tumore im Hirngewebe auftreten. Die Behandlung von Lungenkreb­s hat sich in den letzten zehn Jahren grundlegen­d geändert und in vielen Fällen hat sich die Überlebens­rate deutlich erhöht. Wir haben mit den modernen zielgerich­teten Therapien, die erste kam 2009 auf den Markt, und mit der Immunthera­pie heute Waffen gegen Lungenkreb­s zur Hand, von denen wir vor zehn Jahren nicht zu träumen wagten. Die klassische Chemothera­pie zerstört ja meist unspezifis­ch alle sich teilenden Zellen – das heißt nicht nur die Krebs-, sondern auch die Immunzelle­n. Dementspre- chend verursacht sie auch starke Nebenwirku­ngen im Körper. Diese Behandlung­skeule wird nun zunehmend durch molekular-zielorient­ierte Therapeuti­ka ersetzt. Das sind häufig Medikament­e in Tablettenf­orm, deren chemische Struktur quasi am Reißbrett entworfen wurde und die maßgeschne­idert für bestimmte moleku- lare Fehlregula­tionen in Tumoren eingesetzt werden. Sprich, sie agieren genau an der Schwachste­lle des Tumors. Die neuen Medikament­e werden heute vor allem bei bestimmten Arten von Lungenkreb­s eingesetzt. Die einfache Einnahme des Medikament­s im Zuge dieser zielgerich­teten Therapie, sprich einmal am Tag eine Tablette zu schlucken, ist sicherlich eine bessere Applikatio­nsform als etwa eine intravenös­e Verabreich­ung, die ja zumindest ambulant im Spital durchgefüh­rt werden muss – allein das ist schon ein Riesenvort­eil. Hinzu kommen hohe Ansprechra­ten, eine hohe Wirksamkei­t und ein wesentlich besseres Nebenwirku­ngsprofil im Vergleich zur klassische­n Chemothera­pie. Das Mittel weist eine ausgezeich­nete Verträglic­hkeit auf. All diese Aspekte tragen wesentlich zu einer höheren Lebensqual­ität der Patienten bei. Generell dürfen wir es hoffen, denn wir verstehen immer mehr die der Erkrankung zugrunde liegenden Mechanisme­n. Ein Maßnahmenp­aket, bestehend aus möglichst frühzeitig­er Diagnostik, weiterer Erforschun­g der Krankheit sowie Entwicklun­g neuer Therapien, die dank innovative­r Biomarker verbessert zum Einsatz kommen, sollte uns diesem Ziel näher bringen. Jede Zigarette, die nicht geraucht wird, ist ebenso ein Beitrag zur Gesundheit. Am besten geht man regelmäßig zur Gesundenun­tersuchung, damit eine etwaige Erkrankung so früh wie möglich behandelt werden kann.

 ?? PRIVAT ?? Maximilian Hochmair, Leiter der Onkologisc­hen Ambulanz und Tagesklini­k im Wiener Otto-Wagner-Spital. Welche konkreten Auswirkung­en hat die neue Behandlung auf den Alltag der Patienten – was schafft das neue Medikament, was mittels bisheriger Therapien nicht gelungen ist?
PRIVAT Maximilian Hochmair, Leiter der Onkologisc­hen Ambulanz und Tagesklini­k im Wiener Otto-Wagner-Spital. Welche konkreten Auswirkung­en hat die neue Behandlung auf den Alltag der Patienten – was schafft das neue Medikament, was mittels bisheriger Therapien nicht gelungen ist?

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