»Ich bin kein Sesselkleber, war es nie«
Justizminister Josef Moser über die Lehren aus seiner lebensbedrohlichen Erkrankung, die anstehenden Verhandlungen mit den Landeshauptleuten und Reformvorschläge, die die Bürger an ihn herantragen sollen.
Wie geht es Ihnen gesundheitlich? Josef Moser: Jetzt wieder besser. Die Medikamente haben gegriffen. Und ich bin eigentlich wieder fit. Was war die Ursache für Ihren Krankenhausaufenthalt? Eine schwere Sepsis mit Komplikationen, mit hohen Fieberschüben. War es lebensbedrohlich? Ja, es war Lebensgefahr gegeben. Da denkt man dann schon, man sollte die Zeit, die man hat, sinnvoll nützen. Denkt man sich dann auch: Soll ich mich in der Politik wirklich verheizen lassen, jetzt, da ich knapp dem Tod entronnen bin? Ich würde sagen: Man ist dankbar, dass man noch einmal einen Ausweg gefunden hat. Dass man die Vorhaben, die man sich gesetzt hat, auch noch erledigen kann. Und man merkt auch, dass es ein Gesundheitssystem gibt, das gut funktioniert. Es heißt ja immer, Sie machten gern Reformen, aber man lasse Sie nicht. Welche Reformen wären das denn? Wir wollen Österreich bürgerfreundlicher gestalten. Dazu gehört die Rechtsbereinigung, mit der man totes Recht zum Wegfall bringt. 2500 Rechtsnormen in einem ersten Schritt. Dann gehen wir das Gold Plating an, also die Übererfüllung von EU-Vorgaben. Fallen da Konsumentenschutzverordnungen auch hinein? Nein. Es geht nicht darum, dass man Umwelt- oder Sozialstandards abschafft, sondern vielmehr um Regelungen, die keinen Mehrwert haben für die Konsumenten oder Unternehmer und die wettbewerbsbeeinträchtigend sind. Und dann geht es in einem dritten Teil um die Aufgabenreform: Wer macht was? Da wollen wir auch die Bevölkerung einbinden. Wir wollen die Bevölkerung ersuchen, uns zu melden, wo sie durch Bürokratie belastet ist. Und auch die Beamten in Bund, Ländern und Gemeinden sollen das tun. Wenn man Reformen durchführt, dann muss man sie mit den Leuten machen. Auch mit den Landeshauptleuten? Nein, das sind jetzt einmal die Reformen, die man so machen kann. Was Sie ansprechen, ist der nächste Part: die Verfassungsbereinigung sprich Kompetenzbereinigung. Da treffe ich mich mit den Landeshauptleuten im Mai. Wir sind gerade dabei, eine Liste zu erstellen, welche Kompetenzen neu aufgeteilt werden. Was schwebt Ihnen vor? Ziel ist es, den Artikel 12 – Grundsatzgesetzgebung des Bundes, Ausführungsgesetze der Länder – abzuschaffen. Und anders aufzuteilen. Die Mindestsicherung wird dann Landesoder Bundessache? Das ist ein Thema. Genauso wie die Krankenanstalten oder das Elektrizitätswesen. Da werden wir diskutieren: Wo wäre das am besten aufgehoben? Soll die Mindestsicherung Bundessache werden? Notwendig ist einmal eine einheitliche Mindestsicherung. Wo das zugeordnet wird, schauen wir uns im Mai an. Könnten Sie Beispiele nennen, was besser beim Bund, was besser bei den Ländern aufgehoben wäre? Ich kann das natürlich. Aber es wäre nicht klug, das jetzt vor den Gesprächen mit den Landeshauptleuten zu präjudizieren. Haben Sie das Gefühl, dass es Widerstand seitens der Landeschefs gegen Sie gibt? Die Gesprächsbasis ist eine sehr gute. Es ist bei allen das Bewusstsein da, dass wir klare Kompetenzzuordnungen brauchen. Das war in der Vergangenheit nicht so. Ich hoffe schon, dass es uns gelingt, dass das Geld dort ankommt, wo es ankommen soll – bei den Bürgern, nicht in den Strukturen. Wie war das mit Ihrer Rücktrittsdrohung? Ich habe immer gesagt: Ich gehe in die Politik, so lange ich die Chance habe, Strukturreformen umzusetzen. So lange ich das kann, tue ich es. Ich bin kein Sesselkleber, war es nie. Sie haben die Rückendeckung des Kanzlers? Absolut. Diese Regierung ist auch eine Reformregierung – an diesem Versprechen wird sie auch gemessen. Hat es Sie überrascht, dass es in der Realpolitik dann doch schwieriger ist als als Rechnungshofpräsident? Es ist nicht schwieriger. Der Widerstand ist immer der gleiche. Es heißt, Sie seien beratungsresistent. Ich nehme mir Ziele vor. Ich bin gewohnt, dass es Widerstände gibt. Und ich bin auch hartnäckig. Aber ich bin auch einer, der alle einbindet. Ich habe nie etwas als meinen Erfolg verkauft. Ihr eigentliches Justizressort haben Sie ja bisher eher vernachlässigt.
Josef Moser
war zwölf Jahre (von 2004 bis 2016) lang Präsident des Rechnungshofes. Bei der Nationalratswahl 2017 kandidierte er als Parteifreier auf dem dritten Platz der ÖVP-Bundesliste und erreichte ein Mandat. Nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ im Dezember wurde er von ÖVPObmann Sebastian Kurz als Minister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz in die Regierung geholt. Moser hat eine Vergangenheit in der FPÖ: Von 1992 bis 2003 war er Direktor des freiheitlichen Parlamentsklubs.
Der 62-Jährige
ist in Lienz geboren und in Kärnten aufgewachsen. In Wien hat er Jus studiert und 1981 promoviert. In dieser kurzen Zeit haben wir bisher gemacht: das Bundesvergaberecht, das Sicherheitspaket, das Datenschutzgesetz, die unterlassene Hilfeleistung, die Vorbereitung für den EU-Ratsvorsitz, die Staatszielbestimmung oder die Onlinegründung von GmbH. Und dazu die BVT-Geschichte, die wir auch noch zu bewerkstelligen hatten. Entscheiden muss sich der Gesetzgeber nach einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs auch, ob es ab 2019 neben der Ehe für alle auch die Eingetragene Partnerschaft für alle gibt. Was meinen Sie? Da geht es nicht darum, was ich empfinde. Es gibt es mehrere Varianten. Es geht darum, dass das Ressort einen Vorschlag bringt, der das abbildet, was notwendig ist. Wir arbeiten gerade Lösungsvorschläge aus und suchen den, der dann eine Mehrheit finden wird. Stimmt. Aber es wird finanziert, indem man Umschichtungen durchführt. Wir reduzieren etwa den Sachaufwand. Ich verhandle nie nach. Ich habe schon seit Jänner darauf hingewiesen, dass das Budget, das mir in Aussicht gestellt wurde, nicht ausreicht, um die vollen Aufgaben abzudecken. Der Grund war, dass der Finanzrahmen für das Justizbudget 2018 70 Millionen weniger vorgesehen hat, als der Vollzug 2017 gekostet hat. Ich habe daher darauf hingewiesen, dass so nur die Grundbedürfnisse der Justiz abgedeckt sind, aber nicht Mehrkosten wie jene für Dolmetscher, medizinische Versorgung oder Opferschutz. Und ich mache es nicht wie andere in der Vergangenheit, dass ich erst Ja sage und dann das Budget überschreite. Hat Ihr Vorgänger im Amt, Wolfgang Brandstetter, das so gemacht? So ist es in der Vergangenheit passiert. Aber ich stehe für Transparenz. Ich habe gesagt: Ich komme mit dem Geld nicht aus, ich brauche die Rücklagen. Es wurde eine Taskforce Strafrechtsreform eingerichtet, die nicht von Ihnen als Justizminister, sondern von der Staatssekretärin im Innenministerium, Karoline Edtstadler, geleitet wird. Stört Sie das? Nein, im Gegenteil, ich finde das gut. Der Vorfall am Brunnenmarkt hat gezeigt, dass es eine Vernetzung braucht, damit solche Vorfälle nicht mehr passieren können. Das ist ein Themenfeld, das nicht nur die Justiz betrifft, sondern auch das Familien-, Sozial- und Innenministerium. Deswegen ist die Taskforce breit angelegt. Der Strafrechtsteil wird von Sektionschef Pilnacek geleitet, das Thema steht damit unter der Ägide des Justizministeriums. Sie sehen also kein kompetenzrechtliches Problem, wenn die Staatssekretärin im Innenministerium diese Taskforce leitet? Nein. Es geht nicht darum, wer sie leitet, sondern, dass sich jeder einbringt. Braucht es eine weitere Verschärfung bei Sexual- und Gewaltdelikten? Man muss in diesem Bereich sehr vorsichtig vorgehen. 2016 wurde die letzte große Strafrechtsreform durchgeführt. Wir haben die Universität Wien beauftragt, zu evaluieren, wie sich diese ausgewirkt hat. Dann wird man sehen, ob und welche Schritte notwendig sind. Die Zahl der Sexualdelikte gegenüber Unmündigen hat sich jedenfalls sehr gesteigert.