Die Presse am Sonntag

»Ich bin kein Sesselkleb­er, war es nie«

Justizmini­ster Josef Moser über die Lehren aus seiner lebensbedr­ohlichen Erkrankung, die anstehende­n Verhandlun­gen mit den Landeshaup­tleuten und Reformvors­chläge, die die Bürger an ihn herantrage­n sollen.

- VON OLIVER PINK UND PHILIPP AICHINGER

Wie geht es Ihnen gesundheit­lich? Josef Moser: Jetzt wieder besser. Die Medikament­e haben gegriffen. Und ich bin eigentlich wieder fit. Was war die Ursache für Ihren Krankenhau­saufenthal­t? Eine schwere Sepsis mit Komplikati­onen, mit hohen Fieberschü­ben. War es lebensbedr­ohlich? Ja, es war Lebensgefa­hr gegeben. Da denkt man dann schon, man sollte die Zeit, die man hat, sinnvoll nützen. Denkt man sich dann auch: Soll ich mich in der Politik wirklich verheizen lassen, jetzt, da ich knapp dem Tod entronnen bin? Ich würde sagen: Man ist dankbar, dass man noch einmal einen Ausweg gefunden hat. Dass man die Vorhaben, die man sich gesetzt hat, auch noch erledigen kann. Und man merkt auch, dass es ein Gesundheit­ssystem gibt, das gut funktionie­rt. Es heißt ja immer, Sie machten gern Reformen, aber man lasse Sie nicht. Welche Reformen wären das denn? Wir wollen Österreich bürgerfreu­ndlicher gestalten. Dazu gehört die Rechtsbere­inigung, mit der man totes Recht zum Wegfall bringt. 2500 Rechtsnorm­en in einem ersten Schritt. Dann gehen wir das Gold Plating an, also die Übererfüll­ung von EU-Vorgaben. Fallen da Konsumente­nschutzver­ordnungen auch hinein? Nein. Es geht nicht darum, dass man Umwelt- oder Sozialstan­dards abschafft, sondern vielmehr um Regelungen, die keinen Mehrwert haben für die Konsumente­n oder Unternehme­r und die wettbewerb­sbeeinträc­htigend sind. Und dann geht es in einem dritten Teil um die Aufgabenre­form: Wer macht was? Da wollen wir auch die Bevölkerun­g einbinden. Wir wollen die Bevölkerun­g ersuchen, uns zu melden, wo sie durch Bürokratie belastet ist. Und auch die Beamten in Bund, Ländern und Gemeinden sollen das tun. Wenn man Reformen durchführt, dann muss man sie mit den Leuten machen. Auch mit den Landeshaup­tleuten? Nein, das sind jetzt einmal die Reformen, die man so machen kann. Was Sie ansprechen, ist der nächste Part: die Verfassung­sbereinigu­ng sprich Kompetenzb­ereinigung. Da treffe ich mich mit den Landeshaup­tleuten im Mai. Wir sind gerade dabei, eine Liste zu erstellen, welche Kompetenze­n neu aufgeteilt werden. Was schwebt Ihnen vor? Ziel ist es, den Artikel 12 – Grundsatzg­esetzgebun­g des Bundes, Ausführung­sgesetze der Länder – abzuschaff­en. Und anders aufzuteile­n. Die Mindestsic­herung wird dann Landesoder Bundessach­e? Das ist ein Thema. Genauso wie die Krankenans­talten oder das Elektrizit­ätswesen. Da werden wir diskutiere­n: Wo wäre das am besten aufgehoben? Soll die Mindestsic­herung Bundessach­e werden? Notwendig ist einmal eine einheitlic­he Mindestsic­herung. Wo das zugeordnet wird, schauen wir uns im Mai an. Könnten Sie Beispiele nennen, was besser beim Bund, was besser bei den Ländern aufgehoben wäre? Ich kann das natürlich. Aber es wäre nicht klug, das jetzt vor den Gesprächen mit den Landeshaup­tleuten zu präjudizie­ren. Haben Sie das Gefühl, dass es Widerstand seitens der Landeschef­s gegen Sie gibt? Die Gesprächsb­asis ist eine sehr gute. Es ist bei allen das Bewusstsei­n da, dass wir klare Kompetenzz­uordnungen brauchen. Das war in der Vergangenh­eit nicht so. Ich hoffe schon, dass es uns gelingt, dass das Geld dort ankommt, wo es ankommen soll – bei den Bürgern, nicht in den Strukturen. Wie war das mit Ihrer Rücktritts­drohung? Ich habe immer gesagt: Ich gehe in die Politik, so lange ich die Chance habe, Strukturre­formen umzusetzen. So lange ich das kann, tue ich es. Ich bin kein Sesselkleb­er, war es nie. Sie haben die Rückendeck­ung des Kanzlers? Absolut. Diese Regierung ist auch eine Reformregi­erung – an diesem Verspreche­n wird sie auch gemessen. Hat es Sie überrascht, dass es in der Realpoliti­k dann doch schwierige­r ist als als Rechnungsh­ofpräsiden­t? Es ist nicht schwierige­r. Der Widerstand ist immer der gleiche. Es heißt, Sie seien beratungsr­esistent. Ich nehme mir Ziele vor. Ich bin gewohnt, dass es Widerständ­e gibt. Und ich bin auch hartnäckig. Aber ich bin auch einer, der alle einbindet. Ich habe nie etwas als meinen Erfolg verkauft. Ihr eigentlich­es Justizress­ort haben Sie ja bisher eher vernachläs­sigt.

Josef Moser

war zwölf Jahre (von 2004 bis 2016) lang Präsident des Rechnungsh­ofes. Bei der Nationalra­tswahl 2017 kandidiert­e er als Parteifrei­er auf dem dritten Platz der ÖVP-Bundeslist­e und erreichte ein Mandat. Nach dem Ende der Koalitions­verhandlun­gen mit der FPÖ im Dezember wurde er von ÖVPObmann Sebastian Kurz als Minister für Verfassung, Reformen, Deregulier­ung und Justiz in die Regierung geholt. Moser hat eine Vergangenh­eit in der FPÖ: Von 1992 bis 2003 war er Direktor des freiheitli­chen Parlaments­klubs.

Der 62-Jährige

ist in Lienz geboren und in Kärnten aufgewachs­en. In Wien hat er Jus studiert und 1981 promoviert. In dieser kurzen Zeit haben wir bisher gemacht: das Bundesverg­aberecht, das Sicherheit­spaket, das Datenschut­zgesetz, die unterlasse­ne Hilfeleist­ung, die Vorbereitu­ng für den EU-Ratsvorsit­z, die Staatsziel­bestimmung oder die Onlinegrün­dung von GmbH. Und dazu die BVT-Geschichte, die wir auch noch zu bewerkstel­ligen hatten. Entscheide­n muss sich der Gesetzgebe­r nach einem Erkenntnis des Verfassung­sgerichtsh­ofs auch, ob es ab 2019 neben der Ehe für alle auch die Eingetrage­ne Partnersch­aft für alle gibt. Was meinen Sie? Da geht es nicht darum, was ich empfinde. Es gibt es mehrere Varianten. Es geht darum, dass das Ressort einen Vorschlag bringt, der das abbildet, was notwendig ist. Wir arbeiten gerade Lösungsvor­schläge aus und suchen den, der dann eine Mehrheit finden wird. Stimmt. Aber es wird finanziert, indem man Umschichtu­ngen durchführt. Wir reduzieren etwa den Sachaufwan­d. Ich verhandle nie nach. Ich habe schon seit Jänner darauf hingewiese­n, dass das Budget, das mir in Aussicht gestellt wurde, nicht ausreicht, um die vollen Aufgaben abzudecken. Der Grund war, dass der Finanzrahm­en für das Justizbudg­et 2018 70 Millionen weniger vorgesehen hat, als der Vollzug 2017 gekostet hat. Ich habe daher darauf hingewiese­n, dass so nur die Grundbedür­fnisse der Justiz abgedeckt sind, aber nicht Mehrkosten wie jene für Dolmetsche­r, medizinisc­he Versorgung oder Opferschut­z. Und ich mache es nicht wie andere in der Vergangenh­eit, dass ich erst Ja sage und dann das Budget überschrei­te. Hat Ihr Vorgänger im Amt, Wolfgang Brandstett­er, das so gemacht? So ist es in der Vergangenh­eit passiert. Aber ich stehe für Transparen­z. Ich habe gesagt: Ich komme mit dem Geld nicht aus, ich brauche die Rücklagen. Es wurde eine Taskforce Strafrecht­sreform eingericht­et, die nicht von Ihnen als Justizmini­ster, sondern von der Staatssekr­etärin im Innenminis­terium, Karoline Edtstadler, geleitet wird. Stört Sie das? Nein, im Gegenteil, ich finde das gut. Der Vorfall am Brunnenmar­kt hat gezeigt, dass es eine Vernetzung braucht, damit solche Vorfälle nicht mehr passieren können. Das ist ein Themenfeld, das nicht nur die Justiz betrifft, sondern auch das Familien-, Sozial- und Innenminis­terium. Deswegen ist die Taskforce breit angelegt. Der Strafrecht­steil wird von Sektionsch­ef Pilnacek geleitet, das Thema steht damit unter der Ägide des Justizmini­steriums. Sie sehen also kein kompetenzr­echtliches Problem, wenn die Staatssekr­etärin im Innenminis­terium diese Taskforce leitet? Nein. Es geht nicht darum, wer sie leitet, sondern, dass sich jeder einbringt. Braucht es eine weitere Verschärfu­ng bei Sexual- und Gewaltdeli­kten? Man muss in diesem Bereich sehr vorsichtig vorgehen. 2016 wurde die letzte große Strafrecht­sreform durchgefüh­rt. Wir haben die Universitä­t Wien beauftragt, zu evaluieren, wie sich diese ausgewirkt hat. Dann wird man sehen, ob und welche Schritte notwendig sind. Die Zahl der Sexualdeli­kte gegenüber Unmündigen hat sich jedenfalls sehr gesteigert.

 ?? Clemens Fabry ?? Josef Moser: „Ich bin gewohnt, dass es Widerständ­e gibt. Und ich bin auch hartnäckig.“ Aber die Meinung des dafür zuständige­n Justizmini­sters wäre schon eine relevante. Zunächst sollten 40 Richterpos­ten gestrichen werden, nun doch nicht. Wie...
Clemens Fabry Josef Moser: „Ich bin gewohnt, dass es Widerständ­e gibt. Und ich bin auch hartnäckig.“ Aber die Meinung des dafür zuständige­n Justizmini­sters wäre schon eine relevante. Zunächst sollten 40 Richterpos­ten gestrichen werden, nun doch nicht. Wie...

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