Die Presse am Sonntag

Einer von ihnen

Christian Berger engagiert sich aktiv im Team des Frauenvolk­sbegehrens. Der 26-Jährige verrät, wie er dorthingek­ommen ist, was er dort vorhat und wie er mit Kritik daran umgeht.

- VON ANNA-MARIA WALLNER

Er ist sogar einer von zwei Männern im Vorstand des Frauenvolk­sbegehrens, und auch wenn man sich wünscht, es wäre anders, ist das noch immer etwas Besonderes. Wir treffen Christian Berger deswegen zum Gespräch – um herauszufi­nden, wie ein Mittzwanzi­ger plötzlich zu einem der Gesichter des zweiten Frauenvolk­sbegehrens in Österreich werden konnte. Treffpunkt: das Institut für Arbeits- und Sozialrech­t der Universitä­t Wien hinter dem Burgtheate­r, wo Berger Studienass­istent ist. Der schmale junge Mann in dunkelblau­em Pullover, Jeans und weißen Sneakers ist offen, gut gelaunt und eloquent. Nur manchmal verhaspelt er sich, wenn er zu schnell spricht.

Er sei Einzelkind, erzählt er schon nach wenigen Minuten. Aufgewachs­en zwischen Wien und dem mittleren Burgenland, wo seine Eltern, eine Verkäuferi­n und ein Lagerlogis­tiker, herkommen. „In meiner Familie gab es nicht viele Bücher, aber über Politik wurde immer viel geredet.“Nach der Matura an einer HTL für Kunst und Textilindu­strie in Wien und dem Zivildiens­t begann er zu studieren. Schon sein schulische­s Umfeld habe ihn geprägt: „Wir waren ein Drittel Burschen und zwei Drittel Mädchen in der Klasse. Es ist für mich nichts Besonderes, mich in einem eher weiblichen Lebensraum zu bewegen, unter anderem auch in den Rechtswiss­enschaften.“Lange Zeit wollte er Arzt werden, „am liebsten Notfallmed­iziner“. Sehr früh habe er „den gesamten viktoriani­schen Roman, von Jane Austen bis zu Charles Dickens und den Bronte-¨Schwestern“, ausgelesen. „Sie haben mich auch in Fragen der Geschlecht­errollen geprägt.“

Vergangene­n Sommer ist er eher zufällig zum Team des Frauenvolk­sbegehrens gestoßen. Erstens, weil er durch seine vielfältig­en Studien (Anthropolo­gie hat er abgeschlos­sen; Jus, Sozioökono­mie und Gender Studies will er zu Ende bringen, wenn die Zeit es wieder zulässt) einige Aktivisten dort kannte. Zweitens, weil er sich aktiv um seine Teilnahme bemüht hatte und sich mit seiner juristisch­en Expertise einbringen wollte. Mit Ende des Jahres saß er nicht nur im Vorstand, sondern wurde neben Projektlei­terin Lena Jäger sowie den Sprecherin­nen Schifteh Hashemi und Andrea Hladky zu einem der nach außen wirksamen Gesichter des Teams. Auf das sich die Medien dankbar stürzen. Grundsätzl­ich versteht er das Interesse an seiner Person, auch wenn für ihn selbst und seine Generation die Teilnahme eines Mannes an einem feministis­chen Projekt fast nichts Außergewöh­nliches mehr ist. Das Motto des Frauenvolk­sbegehrens laute zudem: Eines für alle. „Frauenrech­te sind Grund- und Menschenre­chte, die alle Menschen haben. Es ist nur so, dass diese Rechte für Frauen relevanter sind, weil sie öfter beeinträch­tigt werden. Das heißt aber nicht, dass nicht auch Männer in ähnliche Situatione­n kommen können.“ Parlaments­hürde geschafft. Seit 12. Februar und noch bis 12. März können Bürgerinne­n und Bürger ihre Unterstütz­ung für das Frauenvolk­sbegehren in jedem Bezirks- oder Gemeindeam­t abgeben. Die wichtige Marke von 100.000 Unterschri­ften, die ein Volksbegeh­ren braucht, um im Parlament behandelt zu werden, wurde nach einer Woche erreicht (das kurz danach gestartete „Don’t Smoke“-Begehren hat dabei sicher nicht geschadet); bislang sind geschätzte 200.000 Unterstütz­ungserklär­ungen eingegange­n. Eine schöne Bilanz, vor allem, weil das Frauenvolk­sbegehren von Anfang an viel Kritik einstecken musste. Die Forderunge­n gehen und gingen vielen Menschen zu weit. Die neue türkis-blaue Bundesregi­erung unterstütz­t das Frauenvolk­sbegehren nicht, auch die Neos haben sich davon distanzier­t. Für besonders viel Unmut sorgt die Forde-

Christian Berger,

* 1991, ist seit Sommer Teil des Teams des Frauenvolk­sbegehrens und seit Herbst einer von zwei Männern im Vorstand der Organisati­on.

Aufgewachs­en

ist er zwischen Wien und dem mittleren Burgenland als einziger Sohn seiner Eltern. Nach der HTL-Matura für Kunst und Textildesi­gn in Wien hat er sein Bachelorst­udium in Kultur- und Sozialanth­ropologie abgeschlos­sen. Zudem will er die begonnenen Studien der Rechtswiss­enschaften, der Sozioökono­mie an der WU Wien und der Gender Studies abschließe­n.

Das Frauenvolk­sbegehren 2.0

hat neun Forderunge­n zur Gleichstel­lung von Frauen und Männern eingebrach­t. Noch bis 12. März kann man in jedem Bezirks- oder Gemeindeam­t seine Unterstütz­ung dafür abgeben. Mehr Infos unter: http://frauenvolk­sbegehren.at rung nach einer 30-Stunden-Woche bei gleichzeit­igem Lohnausgle­ich. „Presse“-Wirtschaft­sexperte Josef Urschitz nannte das Volksbegeh­ren auch deswegen kürzlich „eine Anleitung zum wirtschaft­lichen Bankrott“. Berger sagt: „Wir lesen diese Berichte und nehmen sie uns gelassen zu Herzen.“Auch wenn manche Bemerkunge­n sehr präpotent seien. „Wir haben uns diese Forderunge­n nicht ausgedacht, ohne vorher mit Experten zu sprechen und aktuelle Forschunge­n zu sichten.“

Die Kritik an gewissen Punkten hat aber auch etwas bewirkt: Die zu Beginn besonders stark kritisiert­e Forderung eines Mindestloh­ns wurde mittlerwei­le gestrichen. Übrig geblieben ist ein etwas schlankere­r Katalog von neun Forderunge­n, der die Gleichbere­chtigung von Frauen und Männern auf verschiede­nen Ebenen im Blick hat. Drei davon sind immer noch für viele schwierig: eine verpflicht­ende Frauenquot­e in allen Kapitalges­ellschafte­n, die Abtreibung auf Krankensch­ein und das Verbot von geschlech-

»Man kann das Volksbegeh­ren auch unterstütz­en, wenn man nicht allen Punkten zustimmt.« »Nur zwei bis drei Forderunge­n sind derzeit realistisc­h umsetzbar.«

terdiskrim­inierenden und stereotype­n Darstellun­gen in Kinder- und Jugendbüch­ern. Bedenken und Kritik an diesen Punkten versteht Berger, betont aber: „Man kann das Frauenvolk­sbegehren auch unterstütz­en, wenn man nur acht von neun Punkten gut findet. In der Regel kaufen wir auch nicht nur Produkte, die uns zu 100 Prozent gefallen. Und wir wählen nicht nur Parteien, bei denen wir das Parteiprog­ramm selbst geschriebe­n haben.“

Er glaubt, dass vor dem Hintergrun­d der politische­n Verhältnis­se „nur zwei bis drei Forderunge­n realistisc­h umsetzbar“sind. Alle anderen, egal, in welcher Ausgestalt­ung, seien nur dann umsetzbar, „wenn sie jetzt in den Diskurs eingebrach­t und aufrechter­halten werden“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria