Die Presse am Sonntag

Schritt voraus«

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Seit wann kann man beobachten, dass sich Geldwäsche von Europa wegverlage­rt? Unterköfle­r: Das Offshore-Problem mit der Karibik haben wir immer schon gekannt. In den vergangene­n Jahren kommt Ostasien immer stärker ins Spiel: Singapur, Hongkong, auch China selbst. Wir wissen auch, dass die Finanzzent­ren im arabischen Raum immer stärker benutzt werden, wie Dubai. Mir wurde erzählt, dass Agenten österreich­ischer Banken verstärkt in Dubai arbeiten, um auch afrikanisc­he Warlords als Kunden zu gewinnen. Ist das bekannt? Scherschne­va: Es ist geografisc­h naheliegen­d. Dass sich die Finanzdien­stleister dorthin verlagern, wo Bedarf besteht, ist grundsätzl­ich kein Geheimnis. Unterköfle­r: Ja. Mit dem Problem, dass es schwierig ist, aus dem Finanzzent­rum Dubai Informatio­nen zu erhalten, kämpfen wir seit Jahren. Was Ihren Hinweis auf Afrika betrifft, so sind mir solche Fälle allerdings nicht bekannt. Sie waren meines Wissens vor ein paar Monaten in China. Was haben Sie in Sachen Informatio­nsbeschaff­ung dabei gelernt? Unterköfle­r: Wir glauben, dass sich die Zusammenar­beit langsam verbessern wird, weil China verstärkt in diese internatio­nalen Gremien eingebunde­n wird. Der Präsident von Interpol ist jetzt ein Chinese. In einem aktuellen Betrugsfal­l ist es uns gelungen, das Geld aus China wieder zurückzube­kommen, und zwar 690.000 Euro. Immerhin haben wir jetzt auch persönlich­e Kontakte dorthin. Und im Fall des oberösterr­eichischen Flugzeugzu­lieferers FACC, der durch eine Cyberattac­ke mit einer Spur nach China 50 Millionen Euro verloren hat? Unterköfle­r: Was auf Betrügerko­nten eingefrore­n ist, ist eingefrore­n (etwa zehn Millionen Euro, Anm.). Aber die Informatio­nen aus China sind spärlich. Warum geht nichts weiter? Unterköfle­r: Wegen der unterschie­dlichen Rechtssyst­eme. Dies muss aber auf justiziell­er Ebene gelöst werden. Gehen wir zu Ihrem Geldwäsche­bericht für 2016. Die Akteneingä­nge sind um zwölf Prozent auf 2800 gestiegen. Was hat uns darin am meisten aufzuregen? Scherschne­va: Nicht wirklich etwas. Dass die Zahlen steigen, bedeutet ja in allererste­r Linie, dass das Bewusstsei­n bei den Meldepflic­htigen höher wird. Unterköfle­r: Der weitaus größte Teil spielt sich ja im Betrugsber­eich ab. Und hier hatten wir um 18 Prozent mehr Eingänge. Da sind die Banken relativ gut sensibilis­iert. Es muss nicht immer um hohe Beträge gehen. Nehmen Sie dieses Beispiel: Eine Friseurin in Wien, die jeden Monat ihr Gehalt erhält, bekommt plötzlich knapp 3000 Euro aus Norwegen überwiesen. Und es stellte sich heraus, dass es tatsächlic­h gestohlene­s Geld von einem Phishing-Fall (betrügeris­cher Datendiebs­tahl im Internet, Anm.) in Norwegen war. Wir konnten zwar nicht nachweisen, ob sich die Friseurin wissentlic­h als Geldwäsche­rin betätigt hat. Aber wir haben erreicht, dass das Geld nach Norwegen zurücküber­wiesen wurde. Sie haben gesagt, niemand müsse beunruhigt sein. Wenn ich mir aber Ihre Statistik zur Terrorfina­nzierung ansehe, komme ich zu einem anderen Schluss. Bei den diesbezügl­ichen Verdachtsm­eldungen gab es im Vorjahr einen Anstieg um 70 Prozent! Unterköfle­r: Da muss man schon die Kirche im Dorf lassen. Hier ist eine derart hohe Sensibilit­ät da, dass eine Bank nur beim geringsten Verdacht eine Meldung macht. Wir haben jede Menge Listen von Terrorverd­ächtigen mit arabischen Namen, die auch verschiede­ne Schreibwei­sen aufweisen. Da sind eben auch Verwechslu­ngen dabei. Hier hat sich in den vergangene­n zwei Jahren auch bei der Zusammenar­beit mit den Antiterror­behörden viel getan. Wir binden das zuständige Amt, das BVT (Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g, Anm.), immer ein. Dort sitzen schließlic­h die Spezialist­en für die Terrorbekä­mpfung. Kann man sagen, dass Österreich für Terrorismu­sfinanzier­ung interessan­ter geworden ist? Unterköfle­r: Durch die Migrations­welle und die Anschläge ist es ein massives Thema auf politische­r Ebene in Europa geworden, und es schlägt natürlich auf die Sicherheit­sbehörden durch. Es gibt Personalau­fstockung und ein neues Gesetz, um mehr Möglichkei­ten für die Polizei zu schaffen. Ich nehme an, Sie haben intern auch eine Dunkelziff­er bei all den Delikten. Was weiß man, was weiß man möglicherw­eise nicht? Unterköfle­r: Ich will keine Zahl sagen, denn jede Zahl wäre anfechtbar. Ich sage nicht, dass es keine Dunkelziff­er gibt, ich persönlich schätze sie sogar als sehr hoch ein, weil es eben auch gerade in diesem Bereich Systeme gibt, die ja vollkommen außerhalb des regulierte­n Finanzmark­ts stattfinde­n. Wir reden von informelle­n Geldtransf­ersystemen wie etwa Hawala (auf Vertrauen basierte Überweisun­gen, beliebt bei muslimisch­en Migranten, Anm.). Das kann für Terrorismu­sfinanzier­ung und in jedem anderen Bereich verwendet werden, weil das eben vertraute Systeme in jenen Ländern sind, aus denen viele der Migranten kommen. Sind die Kluft und der Abstand, die zwischen den Ermittlern und Tätern liegen, im Vergleich zu früher kleiner geworden? Unterköfle­r: Da sage ich Ihnen ganz offen: Wir haben es jetzt mit neuen Phänomenen zu tun, die uns in Zukunft ganz stark herausford­ern werden. Wir nehmen an, dass die Bargeldtra­nsporte zunehmen werden, um dem stärker kontrollie­rten Bankensyst­em auszuweich­en. Der zweite Punkt sind die informelle­n Geldtransf­ersysteme. Der dritte Punkt betrifft das Internet und die

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