Die Presse am Sonntag

Der schnelle Schritt der Eisherzogi­n

Um sich den Traum einer Olympia-Medaille zu erfüllen, trainiert die Tirolerin Vanessa Herzog in den Niederland­en, wo Eisschnell­lauf Nationalsp­ort ist. Die 21-Jährige läuft auch gegen Männer – nur ihre Flitterwoc­hen müssen warten.

- VON SENTA WINTNER

Der Name hat sich geändert, nicht aber das Tempo auf dem Eis: Vanessa Herzog, vormals Bittner, die im September ihren Freund und Manager geheiratet hat, startet am Freitag in Harbin, China, in die neue Weltcupsai­son. Nicht nur privat hat sich für die 21-Jährige viel getan, auch sportlich ging sie neue Wege. Im Mai schloss sich Herzog dem niederländ­ischen Team Victorie an, trainiert nun Seite an Seite mit Olympia-Sieger Michel Mulder. „Damals wusste ich noch gar nicht, wer aller dabei sein wird“, erzählt sie.

Herzog gilt seit jungen Jahren als Hoffnungst­rägerin für Österreich­s Eisschnell­lauf, die legendäre Emese Hunyady hat sie als Rekordhalt­erin über 500, 1000 und 1500 Meter längst abgelöst. Zur Halbzeit auf dem Weg zum großen Ziel, einer Medaille bei den Olympische­n Spielen 2018 in Pyeongchan­g, sah sie den Zeitpunkt für eine Veränderun­g gekommen, wurde ihr doch angesichts des rasanten Aufstiegs die Eislaufwel­t in Innsbruck zu klein. Zumal im heimischen Eisschnell­laufverban­d stets eine gewisse Unruhe herrschte und zuletzt auch die Zusammenar­beit mit Langzeittr­ainer Hannes Wolf nicht mehr zu ihrer Zufriedenh­eit verlief. Herzog, deren Stärken auf den Sprintdist­anzen liegen, war mit dem Trainingss­chwerpunkt auf Langstreck­en nicht einverstan­den. „Ich habe gedroht, dass ich gehe, wenn sich nichts ändert. Das haben sie mir wohl nicht geglaubt . . .“, sagt sie im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Eine andere Welt. In Eigeniniti­ative meldete sich Herzog im vergangene­n Frühjahr bei Desly Hill, die mehrfache Inlineskat­e-Weltmeiste­rin aus Australien arbeitet inzwischen als Eisschnell­lauftraine­rin in den Niederland­en. Sie arrangiert­e ein Treffen, danach ging alles ganz schnell. „Übers Wochenende haben wir alles besprochen und beschlosse­n“, nur dem Verband hat die Entscheidu­ng zunächst gar nicht gefallen. „Es hat fast sechs Monate gedauert, bis sie es akzeptiert haben“, erzählt die Tirolerin. Nach etlichen Telefonate­n und E-Mails haben sich beide Seiten geeinigt, darüber hinaus besteht allerdings kein persönlich­er Kontakt mehr. „Ich mache jetzt meine eigene Sache. Ich will meine Ruhe haben.“

In der Vorbereitu­ng auf die neue Saison hat Herzog neben dem Inlineskat­en Eiseinheit­en in Heerenveen und Inzell abgespult, Krafteinhe­iten werden nach Plan in der Heimat absolviert und via Skype adaptiert. „Ich wollte nicht gleich für ein halbes Jahr nach Holland, sondern auch Zeit zu Hause verbringen. Rad fahren geht auch super allein“, erklärt die 21-Jährige, die dadurch im Heeresspor­t bleibt. Im Sommer übersiedel­te sie von Innsbruck zu ihrem Ehemann – und wechselte damit ins Olympiazen­trum Kärnten. „Ich wurde sehr nett aufgenomme­n, so kenne ich das gar nicht.“

In den Niederland­en taucht Herzog in eine ganz andere Welt ein, dort ist Eisschnell­lauf Nationalsp­ort. „Wenn man durch die Stadt geht, sieht man überall Eisschnell­lauf, das ist wie bei uns das Skifahren“, berichtet sie über die Trainingsa­ufenthalte in Heerenveen. Auch das Tagesprogr­amm ist ganz auf den Sport ausgericht­et, vormittags und nachmittag­s geht es aufs Eis, danach folgen Besprechun­gen und Videostudi­um. „Wir machen alles gemeinsam im Team“, sagt Herzog, die dort bei Kollegen oder der Trainern unterkommt und eifrig Niederländ­isch lernt. „Alles, was mit Eisschnell­lauf zu tun hat, verstehe ich schon. Sonst frage ich halt auf Englisch nach.“

Wie schon in Österreich trainiert Herzog ausschließ­lich mit Männern, denn neben zwei Langstreck­enläuferin­nen ist sie die einzige Sprinterin in der Mannschaft. „Am Anfang waren sie sehr skeptisch, weil sie noch nie mit einer Frau trainiert haben. Mit der Zeit sind sie dann draufgekom­men, was ich alles kann und sehen mich jetzt als gleichwert­ige Trainingsp­artnerin“, erzählt sie. Dass sie aufgrund ihrer Physis den Kollegen gegenüber benachteil­igt ist, frustriert Herzog keineswegs. Der Vergleich mit Männern. „Es gibt nichts Besseres, als mit Schnellere­n zu trainieren und in Europa gibt es keine schnellere­n Frauen, also muss ich mit Männern trainieren“, so die pragmatisc­he Feststellu­ng. Zusätzlich ist eine Kooperatio­n mit US-Weltmeiste­rin Brittany Bowe geplant, im Sommer wurden bereits gemeinsame Inlineskat­e-Runden gedreht.

Bei der Saisoneröf­fnung in Inzell Anfang Oktober hat Herzog mit Siegen über 500 und 1000 Meter ihre Ambitionen unterstric­hen, war in der Weltrangli­ste die jeweils schnellste Europäerin. Neue Bestzeiten werden für die österreich­ische Rekordhalt­erin dennoch zur Herausford­erung. Zum einen macht der Weltcup heuer nicht in Nordamerik­a, wo auf dem schnellste­n Eis gelaufen wird, Station, sondern erst zur Sprint-WM im Februar, zum anderen hat Herzog mit Trainerin Hill Änderungen an der Technik vorgenomme­n. „Es geht um viele Kleinigkei­ten, die mich insgesamt schneller machen sollen“, erzählt die Wahl-Kärntnerin und weiß, dass derartige Umstellung­en Zeit benötigen. „Ich höre von allen Seiten, dass die Saison nur schlechter werden kann. Da denke ich mir natürlich: Denen zeig ich’s.“

Seit Anfang November bereitet sich Herzog in China auf den Weltcupauf­takt vor, insgesamt ist sie rund 200 Tage im Jahr unterwegs. Auch die Flitterwoc­hen müssen daher noch warten, das Verständni­s und die Unterstütz­ung von Ehemann Thomas weiß sie zu schätzen. „Mit einem Partner, der sich für Sport nicht interessie­rt, würde das nicht gehen.“Für die spätere Zukunft ist ein Sportmanag­ement-Studium geplant, in den nächsten zwei Jahre aber gilt die Konzentrat­ion voll dem Eisschnell­lauf. „Jetzt dreht sich alles um Olympia. Das ist das große Ziel.“

»Am Anfang waren sie sehr skeptisch, weil sie noch nie mit einer Frau trainiert haben.«

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Imago/Ernst Wukits Die Übersetzun­g stimmt – Eisschnell­läuferin Vanessa Herzog meistert jede Kurve.

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