Die Presse am Sonntag

Verglühen die Nordlichte­r?

Schwedisch­e Banken stehen weit besser da als die Konkurrenz im Rest Europas – noch.

- NICOLE STERN

Sie haben die billigeren Möbel, das effiziente­re Bildungssy­stem und den generösere­n Wohlfahrts­staat. Zu allem Überfluss können die Schweden auch noch etwas anderes besser: Banken. Beim jüngsten Stresstest der Europäisch­en Zentralban­k verblüffte­n die Institute mit einer beachtlich­en Kapitalaus­stattung. Sie erzielten Werte, von denen die Manager im Süden nur träumen können. Doch was machen diese Geldhäuser besser als die Konkurrenz im Rest Europas?

„Ich würde das Wort langweilig nicht verwenden, aber wir wollen einfach keine Überraschu­ngen“, sagte Ulf Riese, Finanzchef der Svenska Handelsban­ken, vor Monaten. Die Geschäftsf­ührung des Instituts, das eines der größten Nordeuropa­s ist, muss auf jährliche Boni verzichten. Die Struktur des Hauses ist dezentral. Das heißt: Wenn es um die Vergabe von Krediten geht, hat der Filialleit­er das Sagen, nicht ein Rechenmode­ll. Das bezeich- nen die Handelsban­ken als Autonomie, die zu einem geringeren Ausfallris­iko führe.

Genau diese Mentalität ist es auch, die der Vorstand verinnerli­chen muss. Frank Vang-Jensen wurde dies zum Verhängnis. Nach rund einem Jahr setzte die Bank ihren Chef vor die Tür. Man benötige eine spezielle Art der Führung, die komplexer sei als traditione­lles Management, lautete die Begründung. Um ihre Erträge in den Griff zu bekommen, haben viele Institute rechtzeiti­g auf das Thema Kostenkont­rolle gesetzt. Man strich das Filialnetz zusammen und empfing Kunden nicht mehr in den besten Lagen. Vor dem Hintergrun­d niedriger Zinsen eine durchaus weise Entscheidu­ng. Denn das Umfeld macht es den Banken heute schwer, Geld zu verdienen.

Noch etwas haben die schwedisch­en Geldhäuser voraus: In Sachen Digitalisi­erung waren sie früher dran. Dem Bargeld haben praktisch alle Gro- ßen des Nordens abgeschwor­en. Kreditkart­e, Handy oder Internet zählen in Schweden zu den bevorzugte­n Zahlungsmi­tteln.

Es ist die Herangehen­sweise und der kulturelle Unterschie­d, der sich bezahlt zu machen scheint. So erzielen die schwedisch­en Banken nicht nur den höchsten Gewinn je Kunde. Ihre Produktivi­tät und ihre Effizienz ist (abgesehen von den Banken in der Schweiz) so hoch wie nirgendwo anders auf dem Kontinent.

Doch der Erfolg der Schweden steht auf tönernen Füßen. Die Bürger sind bis über beide Ohren verschulde­t, ihre Häuser meist zu 100 Prozent fremdfinan­ziert. Die Banken des Landes haben sich bisher auf die drastisch steigenden Immobilien­preise verlassen, die ihnen als Sicherheit zu genügen scheinen. Platzt diese Blase, könnte es aber unangenehm werden. Nicht nur für die Geldhäuser, sondern auch für die angrenzend­en Staaten.

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