Wenn das alte Schlachtross in den Kampf zieht
Der Zweikampf zwischen Michael Häupl und Heinz-Christian Strache in Wien wird den Kleinparteien massiv schaden. Und der SPÖ eine Richtungsentscheidung bringen.
Michael Häupl ist ein politisches Phänomen. Keinem anderen Politiker wurde von Beratern, durch eigene Auftritte und dafür dankbare Medien ein Image verpasst, das bestenfalls eine Seite darstellt: die des ersten Fiakers der Stadt, der mit lautem Schmäh, derber Wortwahl und Themensetzung aus dem großen Bauch heraus Rathaus, Stadt und Regierung dirigiert. Über Jahrzehnte verfestigte sich das Bild des populären bis populistischen roten Geheim-SPÖ-Chefs gegenüber dem schwarzen Erwin Pröll.
Und eigentlich wollte die SPÖ das Bild weiter verwenden, wie „Presse“-Wien-Chefin Ulrike Weiser schreibt: „Die Wiener SPÖ wollte im Wahlkampf möglichst wenig zum Thema Asylwerber sagen. Die Ratio lautete: Egal, was man sagt, das Thema spielt nur der FPÖ in die Hände, und überhaupt, so die SPÖ-Strategen, bewege die Menschen anderes: Arbeitsplätze, Wohnungen. Also pst!“
Doch dann passierte Geschichte. Der Flüchtlingsstrom nach Europa setzte ein, die Bilder von Traiskirchen, später die Toten in einem Lkw und die Hilfsbereitschaft auf den Bahnhöfen zwangen die SPÖ, Farbe zu bekennen. Und Michael Häupl bekannte: Ließ unbegleitete Minderjährige aus Traiskirchen holen und bot dem Innenministerium an, das Aufnahmezentrum Erdberg zu übernehmen. (Was wurde daraus, Herrengasse?) Vor allem aber fordert er bei jeder Gelegenheit Humanität ein. Sagt, dass die Einhaltung der Grundrechte nicht verhandelbar sei. Das ist insofern erstaunlich, als Wahlkämpfe seit Jörg Haider von fast allen Parteien populistisch geführt werden: Noch nie ist eine Mehrheitspartei mit Wahrheit und einer bitteren Pille in eine Kampagne gegangen. Die Botschaft, Wien müsse den Flüchtlingen helfen und das werde Geld, Nerven und Ressourcen kosten, ist mutig, wenn dieselbe Partei bisher mehr Sozialleistungen und Gemeindebauwohnungen versprach. Fünf vor zwölf merkt Häupl, dass Schmäh, Wiener Grant, „Krone“Kontakte, Geldpumpe und Rathaus-Patriarchat doch nicht für einen Wahlsieg reichen.
An dieser (möglicherweise zu) spitzen Positionierung der Wiener SPÖ ist Hans Niessl „schuld“; dessen rot-blaue Koalition zwang fast alle in der SPÖ zum Offenbarungseid. Häupl war der Erste, der sich abgrenzte. In Wien steht genau diese Position damit zur Wahl. Amüsanterweise hatten die SP-Strategen schon bei früheren Urnengängen das Häupl-Strache-Duell um Wien ausgerufen. Das war nur Show, nun ist es ernst. Die FPÖ wird weiter Asyl-Festungsanlagen fordern. Wie sie wirklich mit dem Problem umgehen würde, weiß sie natürlich auch nicht. Die Verlierer. Schaden wird dieser Zweikampf den drei Kleinparteien, die kaum mehr Aufmerksamkeit bekommen. Die Grünen verlieren (potenzielle) Anhänger an die SPÖ, die das alte Grünen-Kernthema Asyl besetzt. Verkehrspolitik und MariahilferStraße-Partyschlangen sind merkwürdig irrelevant geworden. Die Neos lächeln mit Obamas Change-Geplapper leer durch die Stadt. Unterboten wird das nur noch von der Wiener ÖVP, der intrigantesten Politiktruppe des Landes. Dort sucht man schon den Schuldigen für die Wahlschlappe. Sebastian Kurz müsste mehr helfen, flüstern die alten Niederlagenveteranen. Wenn draußen in Europa die schwerste Krise seit Jahrzehnten ausbricht, sollte der Außenminister in Döbling und Hietzing um Stimmen werben? Schon einmal überlegt, dass das nahe am Amtsmissbrauch ist?
Während in Wien also fast alle rennen, hat es Bundeskanzler Werner Faymann gefallen, das tatsächlich zynische Spiel der Ungarn mit falschen Zielen für Flüchtlingszüge mit der „dunkelsten“Zeit, also dem Holocaust, zu vergleichen. Das hilft weder den diplomatischen Beziehungen noch der Sache. Österreichische Kanzler haben in der Vergangenheit gut daran getan, sich gegenüber anderen Ländern mit Holocaust-Vergleichen zurückzuhalten. Vielleicht wäre es besser, im Kanzleramt wieder in der „Krone“zu blättern oder den Schreibtisch zu streicheln. Die Österreicher machen das schon irgendwie.