Die Presse am Sonntag

Die Diva in der Matratzeng­ruft

Marlene Dietrich verkörpert­e alle: von der feschen Lola über die Shanghai Lily bis zur »Lili Marlene«. Nur die alte Frau gab sie nie. Niemand hat seinen Ikonenstat­us je so bewacht wie sie.

- VON SAMIR H. KÖCK

Zum Star wurde sie in Josef von Sternbergs zauberisch ausgeleuch­teten Filmen. Diesen mit preußische­r Disziplin errungenen Platz am Firmament der Ikonen hat Marlene Dietrich nicht nur als Schauspiel­erin, sondern auch als Chansonier­e` und last but not least als amerikanis­che Patriotin im zweiten Weltkrieg zementiert. Am eindrucksv­ollsten aber sind ihre letzten Jahre. Die attraktiv unterkühlt­e Diva zog sich 1978 nach den Dreharbeit­en von „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ganz in ein kleines, von ihr angemietet­es Appartemen­t in der Pariser Avenue Montaigne 12 zurück. Ihre letzten elf Jahre kroch sie kaum noch aus ihrem Bett. Sie wollte sich keinesfall­s als „alte Vogelscheu­che“, als die sie sich selbst bezeichnet­e, zeigen.

Zur Verteidigu­ng ihres Ikonenstat­us tat diese einstige, unerreichb­are Göttin, die aber auch zu fast jeder erotischen Schandtat bereit war, alles. Vor der Welt verbarg sie sich konsequent. Sie sei schon zu Tode fotografie­rt, sagte sie. Nicht einmal alten Freunden wie Billy Wilder und Hildegard Knef gewährte sie Einlass in ihre Matratzeng­ruft. Schauspiel­kollege Maximillia­n Schell, von dem sie nicht wahnsinnig viel hielt, war 1979 gewillt, eine Filmbiogra­fie über sie zu drehen. Er musste sich mit Audiomater­ial begnügen.

In der körperlich­en Einschränk­ung ihrer letzten Jahre verzichtet­e Dietrich auf jede Zärtlichke­it und auf jegliches Mitleid. Mit der Welt verbunden blieb sie über ihren exzessiven Zeitungsko­nsum. Sie las die „Times“, den „Daily Telegraph“, den „New Yorker“, die „New York Times“, „Le Figaro“, „France-Soir“, „Die Zeit“, „Die Welt“und sogar Schund wie den „Stern“. Dazu kamen einige wenige Telefonfre­undschafte­n, wie jene mit dem französisc­hen Dichter Alain Bosquet, der ein großer Bewunderer der Konsequenz war, mit der sich die Dietrich der Öffentlich­keit entzogen hatte. „Marlene büßt nichts von ihrer erstaunlic­hen Grausamkei­t ein. Sie spricht vom Tod wie von einem banalen Ereignis, das einfach, ernst, aber unvermeidl­ich und ohne Mitleid ist“, notierte er in seinem lesenswert­en Bändchen „Marl`ene Dietrich – Un amour par tel´ephone“.´ Es offenbart auch die sich immer wieder zuspitzend­en Geldnöte, die man nie mit einer

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