Die Presse am Sonntag

Bergsteige­n mit Stöckelsch­uhen

Für Matteo Garrones (»Gomorrha«) surreal schöne Fantasy-Extravagan­z »Das Märchen der Märchen« nahm Hollywood-Star Salma Hayek allerhand Mühen auf sich. Ein Interview über gefährlich­e Kletterpar­tien, Kunstblut aus Zucker und den Zwang zur Schönheit.

- VON KURT ZECHNER UND GINI BRENNER

Auch wenn sie vom Image der Latina-Sexbombe locker hätte leben können – das war Salma Hayek immer schon zu wenig. Von Anfang an hat sie ihre Rollen nicht nur nach Star-Appeal, sondern auch nach gutem Gefühl ausgesucht – und betätigt sich als umtriebige Produzenti­n (Frida) vor allem im Arthouse-Genre. Für Matteo Garrone stellte sie sich in „Das Märchen der Märchen“wieder vor die Kamera – als wunderschö­ne, mächtige Königin, die an ihrem unerfüllte­n Kinderwuns­ch zugrunde geht. Matteo Garrone ist bekannt dafür, seine Darsteller bis ans Äußerste gehen zu lassen. Können Sie das bestätigen? Salma Hayek: Und wie. Stellen Sie sich vor, die allererste Szene, die wir gedreht haben, spielte gleich oben auf einer riesigen Felswand. Es war wirklich sehr hoch oben. Und Matteo sagte zu mir: „Salma, es gibt nur ein einziges Problem – es hat da oben nur eine Person Platz, und man kann auch nicht wirklich hoch“– „Und wie soll ich dann hinkommen?“– „Naja, wir werden dir irgendetwa­s bauen. Mach dir keine Sorgen!“Ich geh dann also in die Maske, und als ich zurückkomm­e, steht da so ein Holzgerüst mit einer elendslang­en Leiter oben drauf. Und dann ging es immer noch ein ganzes Stück die Felswand hoch. Und da mussten Sie hinaufklet­tern? Ja. Ich fragte ihn, wie, und er sagte: „Na, wie wohl? Klettern halt! Mit deinen Händen und Füßen!“– „Aber – mit Stöckelsch­uhen und meinem 30 Kilogramm schweren Königinnen­kleid?“– „Natürlich nicht, da wird ja das Kleid ruiniert, das bringen wir natürlich extra hinauf. Du ziehst dich oben um.“– „Vor allen Leuten?“– „Salma, wir sind nicht Hollywood, und dort oben ist kein Platz für Umkleideka­binen!“Ich hab’ das dann irgendwie geschafft. Aber wissen Sie, was das Beste war? Er hat die Szene allen Ernstes aus dem fertigen Film herausgesc­hnitten. Zum Glück ist die dringeblie­ben, in der Sie das riesengroß­e Monsterher­z roh verspeisen. Das sah recht „natürlich“aus. Woraus bestand das eigentlich? Ich habe keinen blassen Schimmer. Vor Drehbeginn musste ich ihnen eine Liste geben, gegen was ich alles allergisch bin, dann haben sie das irgendwie aus verschiede­nen Zutaten gebastelt. Es war auf jeden Fall grauenhaft süß – essbares

Salma Hayek

wurde am 2. September 1966 in Mexiko geboren. Sie trat anfangs im Theater auf, spielte in einer Telenovela mit.

Durchbruch

Märchen der Märchen“ihren neuen Film „Das Salma Hayek musste für gehen.

bis an ihre äußersten Grenzen auf sich nehmen. Und 1995 spielte sie an der Seite von Antonio Banderas in dem Film „Desperado“, sie wurde in ihrer Karriere bereits für Oscar und Golden Globe nominiert. Filmblut ist oft aus einer Zuckerlösu­ng. Einmal fand ich da drin etwas, das wie ein Wurm aussah. Ich wollte das zuerst nicht essen, aber meine Tochter Valentina sagte: „Mama, das ist kein Wurm, das ist ein aufgeweich­ter Marshmallo­w!“Aber es schmeckte jedenfalls wirklich widerlich. Ach, was ich nicht alles für einen Film zu tun bereit bin! Da erinnert man sich an Ihre Szene mit der Schlange in „From Dusk till Dawn“. Ja, das war auch wirklich tough. Das Monsterher­z diesmal war wenigstens Fake, aber die Schlange war echt. Das war echt das Ärgste, was ich jemals für einen Film gemacht habe. Haben Sie als Kind eigentlich gern Märchen gehört oder gelesen? Nein, gar nicht! Ich habe diese ganzen klassische­n Märchenbüc­her nie gelesen. Und zwar deshalb, weil ich eine Großmutter hatte, die Autorin war und mir jeden Abend die unglaublic­hsten Geschichte­n erzählt hat. Und jetzt, da ich meinem eigenen Kind manchmal Märchen vorlese, sehe ich erst, wie viel besser die von meiner Oma waren. Sie haben in einem Interview einmal zu uns gesagt, Sie fänden es angenehm, im Filmbusine­ss zu altern. Sehen Sie das immer noch so? Ja, schon, mein Leben ist nach wie vor fasziniere­nd, aber das liegt wohl auch daran, dass ich nicht nur vor der Kamera arbeite. Weil das Leben abseits der Kamera weniger oberflächl­ich ist als der Jugend- und Schönheits­zwang? Ach, das ist so eine Sache mit der Oberflächl­ichkeit. Weiblichen Stars, die auf ihr Äußeres achten, wird ja ständig vorgeworfe­n, sie seien oberflächl­ich. Aber ist es denn nicht so, dass wir Frauen immer noch hauptsächl­ich nach unserer Schönheit bewertet werden? Wir sind nicht oberflächl­ich, wir sind einfach nur verletzlic­h – und wenn wir versuchen, jünger oder schöner auszusehen, macht uns das ein bisschen weniger angreifbar. Aber wenn wir hauptsächl­ich für unsere Schönheit geliebt und geachtet werden, ist das doch vor allem eine Reflexion der Oberflächl­ichkeit der Männer, die nicht fähig sind, weiter in die Tiefe zu blicken.

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Reuters einige Strapazen

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