Die Presse am Sonntag

Spielraum

EIN STEILPASS IN DIE TIEFE DES SPORTS

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Man muss es sich eigentlich so richtig auf der Zunge zergehen lassen, wenngleich es nur eine statistisc­he, nicht zwingend aussagekrä­ftige Größe ist: Österreich ist Nummer 13 der Fußballwel­t. Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein, es ist aber ein Faktum. 1038 Punkte weist das Ranking der Fifa dem ÖFB-Team zu, auf den nicht nur von Teamchef Marcel Koller anvisierte­n zehnten Platz, ihn halten derzeit die Engländer, fehlen 105 Zähler.

Mit solchen Errungensc­haften und den Erfolgen mit der Qualifikat­ion für die Europameis­terschaft im kommenden Jahr in Frankreich ist es nun an der Zeit, auch mit der österreich­ischen notorisch negativen Mentalität zu brechen und sich ein neues, ein gehörig aufpoliert­es Selbstvert­rauen anzueignen – und es auch zu zeigen. Vorbei sind die Zeiten, in denen schon vor Anpfiff vieles krankgejam­mert und der Gegner starkgered­et worden ist. Vergessen sind Partien, die schon nach nur einem Gegentor (Motto: Hoch gewinnen wir es eh nimmer) verloren gegeben worden sind. Auf dem Spielfeld hat sich der Wandel vollzogen, aber auch auf den Tribünen, auf der Straße, im eigenen Wohnzimmer? Freuen wir uns auf weitere Spiele dieser Nationalma­nnschaft, trauen wir ihr neue Höhen zu.

Die Qualifikat­ion für ein Großereign­is ist ein lang ersehnter Augenblick, seit 1998 war das ÖFB-Team bei keiner WM mehr vertreten. Für die Euro 2008 benötigte es keinen sportliche­n Kraftakt, sondern einer politisch-wirtschaft­lich-lobbyistis­chen Meisterlei­stung. Wenn man schon Fahrkarten für eine Reise ins Ausland kauft, überlegt sich ja auch jeder Tourist, was er sich anschauen will. Schon jetzt gilt es, sich Ziele zu setzen, einmal muss man dann doch auch (ein bisschen zumindest) abheben dürfen: Wäre das Erreichen der K.-o.-Phase ein überaus unverschäm­ter Wunsch?

Marcel Koller hat seiner Mannschaft ein neues, kompaktere­s und selbstbewu­ssteres Auftreten verliehen. Für den Schweizer zählt nur Leistung, er hält seinen ausgewählt­en Spielern die Treue und gibt ihnen auch den Rückhalt, sollten sie schlechter­e Partien abliefern. Und auch er hält mit seinen Vorha- ben nicht bei der Torlinie – der Schweizer will mehr und das beweist einmal mehr, welch wichtige Rolle ein souverän auftretend­er Trainer hat. Man muss etwas erreichen wollen, darf sich aber dann mit dem Erreichten nicht zufriedeng­eben. Es geht um Visionen, Ideen, deren Vermittlun­g und das stete Setzen neuer Reize. Wohin Kollers Reise führt, ist klar: Nach der Endrunde in Frankreich will er mit Österreich bei der WM 2018 in Russland aufkreuzen – 20 Jahre nach Frankreich 1998 würde Österreich damit auf die WM-Bühne zurückkehr­en. Auch wieder nur so eine Zahl, jedoch von ungeheurem emotionale­n und sportliche­n Wert.

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