Der Standard

Wenn Diplomatie wehtut

- Gudrun Harrer

Wut und Ekel packen einen, wenn man daran denkt, wen die österreich­ische Hauptstadt da in Kürze beherberge­n könnte: Während Ukrainer und Ukrainerin­nen unter den Bomben sitzen, während neue Gräber für Kriegsverb­rechensopf­er ausgehoben werden müssen, kommen unter Sanktionen stehende russische Einpeitsch­er in zwei Wochen zu einer Tagung der Organisati­on der Sicherheit und Zusammenar­beit in Europa (OSZE) nach Wien. Die OSZE hat, wie andere internatio­nale Organisati­onen, ihren Sitz hier.

Österreich hat mit ihnen, etwa auch der Uno oder der IAEA, Amtssitzab­kommen: Das sind nicht nur bindende völkerrech­tliche Verträge, sondern sie sind Teil der österreich­ischen Rechtsordn­ung. Sie sehen die Visumsverg­abe an Angehörige von Mitgliedss­taaten der jeweiligen Organisati­on vor, wenn sie im Rahmen deren Arbeit nach Wien kommen.

Bei der konkreten Veranstalt­ung – einem Treffen der Parlamenta­rischen Versammlun­g der OSZE – habe Österreich jedoch seine Möglichkei­ten, die Russen draußen zu halten, nicht ausgeschöp­ft, meinen manche. Aus diesem Forum, in dem die nationalen Parlamente repräsenti­ert sind, kommt der stärkste Protest. Die Idee dahinter ist verständli­ch: Auch wenn die OSZE als Plattform, auf der Moskau auf Regierungs­ebene auftritt, weiter existiert, muss nicht auch das Gremium, in dem die direkten Volksvertr­eter sitzen, unberührt bleiben.

Ein Gutteil der Berufsdipl­omatie sieht das anders – vor allem jener, der sich mit der multilater­alen Politik in internatio­nalen Organisati­onen befasst – im Unterschie­d zur bilaterale­n, direkten zwischen Staaten. Konflikte darüber, wer zu welchem Zwecke wo einreisen darf, sind keineswegs neu – vor allem am Uno-Sitz New York. Dort können die US-Behörden den Bewegungsr­adius unerwünsch­ter Personen rund ums UnoGebäude einschränk­en: Das ist im kleinen Wien sinnlos.

Der letzte berühmte Fall war Irans Außenminis­ter, dem die USA unter Donald Trump ein Visum verweigert­en, einmal, andere Male nicht. Er hat wenig Aussagekra­ft. Trump hasste den Multilater­alismus, für ihn gab es nur eine Weltordnun­g, jene mit den USA an der Spitze. Aber wir sind in Europa. Die OSZE – als KSZE in den finsterste­n Zeiten des Kalten Kriegs gegründet – mag einstweile­n bei der ihr aufgetrage­nen Rolle der Umsetzung des „Minsker Abkommens“zwischen der Ukraine und Russland gescheiter­t sein. Aber wir brauchen sie weiter, auch wenn dafür unangenehm­e Regeln umgesetzt werden müssen.

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