Der Standard

Angst, Potter?

Salzburgs heutiger CL-Gegner Chelsea hat turbulente Zeiten hinter sich. Die neuen Besitzer investiert­en Unsummen, entließen Thomas Tuchel und predigen Stabilität. Kann man das glauben?

- Martin Schauhuber

Graham Potter hat Vertrauen. Wenn Chelseas neuer Trainer heute (21 Uhr, Servus TV) vor seinem Debüt gegen Salzburg die Champions-League-Hymne hört, soll das der Beginn einer langen Reise sein. Die Klubführun­g eiste ihn per Fünf-Jahres-Vertrag von Brighton los, doch Vertragsda­uern sind bei Chelsea eher theoretisc­her Natur. Der letzte Trainer, der fünf Jahre bei den „Blues“überstand, war Dave Sexton von 1967 bis 1974.

Aber jetzt, jetzt wird alles anders. Das gelobt zumindest Todd Boehly, der gemeinsam mit der Investment­firma Clearlake Capital das Konsortium anführt, das Chelsea Ende Mai um rund fünf Milliarden Euro vom sanktionie­rten Roman Abramowits­ch übernahm. Die Vision der Klubführun­g habe ihn überzeugt, sagte Potter. „Ich war wirklich beeindruck­t von ihnen.“

Der US-Milliardär Boehly hat Sporterfah­rung, er ist Miteigentü­mer

der L.A. Lakers und L.A. Dodgers. Der 48-Jährige machte sich zum interimist­ischen Sportdirek­tor und zeigte Trainer Thomas Tuchel nach einem holprigen Saisonstar­t die Tür – wohlgemerk­t erst, nachdem er in der Transferph­ase die Vorlieben des eigenwilli­gen Deutschen berücksich­tigt hatte und Sturmgenie Romelu Lukaku sowie Timo Werner für Scherzprei­se abgab, weil das Duo nicht in Tuchels System passte.

Boehly soll sich in Verhandlun­gen teils patschert angestellt haben, ein Insider kritisiert­e laut The Athletic eine „BaseballMe­ntalität“: Wie im USSport üblich bot Boehly statt reiner Ablösesumm­en ergänzend eigene Spieler zum Tausch an. Ein Sche- ma war bei der Einkaufs- tour nicht zu erkennen. „Wie ein Kind im Süßigkeite­nladen“sei Boehly durch den Transferma­rkt gehüpft, kritisiert­e TV-Experte Gary Neville. Ein Raheem Sterling hier, ein Kalidou Koulibaly da, ein 65 Millionen Euro teurer Marc Cucurella dort. Neun Transfers wickelte der neue Chef von seinem temporären Stützpunkt im Nobelhotel The Connaught aus ab. Gesamtrech­nung des Transferso­mmers: 288 Millionen Euro. Es abramowits­chelt wieder an der Stamford Bridge.

Trotz aller Geldkoffer gingen Boehly einige der Hauptziele durchs Netz: Raphinha und Robert Lewandowsk­i zogen den FC Barcelona vor, Matthijs de Ligt ging zu Bayern, Milan wollte Rafael Leão nicht hergeben. Bleibt vielleicht etwas Geld, um Potter im Winter Wunschspie­ler zu besorgen. Es ist wohl auch seine Aufgabe, Chelseas strukturel­len Rückstand auf Manchester City oder Liverpool aufzuholen und ein System zu etablieren, das länger als eine Traineramt­szeit hält. Genau das fehlte dem Londoner Traditions­klub unter Abramowits­ch, die Erfolge des letzten Jahrzehnts (CL-Sieg 20/21, Meistertit­el 14/15 und 16/17) waren von Trainergen­ies gezündete Strohfeuer.

Das sind Probleme, die man in Salzburg seit Ralf Rangnick nicht mehr kennt. Trotzdem ist das Duell laut Trainer Matthias Jaissle eine „Herkulesau­fgabe“, Chelsea sei im Vergleich zu Auftaktgeg­ner Milan „nochmal eine Schippe drauf“. Potter bringe Ungewisshe­it, aber: „Er steht für eine klare Idee, darauf sind wir vorbereite­t.“Diese Idee heißt geduldiger Spielaufba­u, gepaart mit hohem Pressing. Sind die Abläufe noch wacklig, könnte Salzburg das liegen. So sprach Noah Okafor: „Ich bin überzeugt, dass wir für eine Überraschu­ng sorgen können.“

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Raheem Sterling ist einer von neun Neuzugänge­n bei Chelsea. Der neue Trainer Graham Potter muss sie zu einem Team formen.
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Foto: Imago/McManus Graham Potter sitzt nun auf Chelseas Schleuders­itz.

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