Arbeitgeberverbände warnen vor sofortigem Gasembargo
Österreichische und deutsche Industrie fürchten Produktionsausfälle mit tiefgreifenden Folgen für die Beschäftigung
Wien/Berlin/Moskau – Die Industriellenvereinigung (IV) warnt gemeinsam mit dem deutschen Bund der Arbeitgeber (BDA) vor einem Gasembargo gegen Russland. Ein solches „träfe die Wirtschaft in Deutschland und Österreich unvorbereitet und hätte tiefgreifende Folgen für die Unternehmen und ihre Beschäftigung“, heißt es in einem Papier der Arbeitgeberverbände.
Grundsätzlich unterstütze man die Regierungen, eine strategische Autonomie bei Gas gegenüber Russland zu erlangen. Das solle auch so schnell wie möglich gelingen. Es werde aber nur mittelfristig möglich sein. Bei einem Gasembargo drohten Produktionsausfälle, Produktionsstillstand und eine weitere Deindustrialisierung, warnen IV und BDA. Dies würde nicht nur die Wirtschaft schwächen, sondern auch auf die Beschäftigung durchschlagen. „Daher lehnen wir ein Embargo, das den Stopp der Gaslieferung für Europa bedeutet, ab.“
Es gehöre darauf geachtet, „dass Sanktionen gezielt gesetzt werden und der russischen Wirtschaft mehr schaden als der heimischen. Aus Sicht der IV und des BDA erfüllten die bisherigen Sanktionen diesen Grundsatz weitgehend.
Der Vorstandsvorsitzende des Tiroler Energieversorgers Tiwag, Erich Entstrasser, sieht die aktuellen Zielvorstellungen in Österreich und Europa in Bezug auf die Energiewende kritisch. „Zu sagen: ,Morgen raus aus Gas‘ – das wird nicht funktionieren. Das hätte enorme Folgen, die wir bereits sehen.“
Weiter steigende Kosten
Das alleinige Setzen auf Photovoltaik und Windkraft sei zu kurz gedacht, dann wäre es zu bestimmten Zeiten „ziemlich kalt“. Statt punktueller und ideologiegetriebener Lösungen brauche es eine gesamthafte Schau auf das Energiesystem und einen guten Mix, meint der TiwagChef. Die Energiewende sollte nicht rückabgewickelt, sondern überdacht werden. CO2-getriebene Energieträger sollten zunehmend der Vergangenheit angehören, aber mit „akzeptablen Zeithorizonten“für die Umstellung versehen werden.
Nach dem russischen Lieferstopp für Dänemark und Shell rechnet der Präsident der deutschen Bundesnetzagentur, Klaus Müller, mit weiteren Preissteigerungen beim Gas. „Das Gas, das in Europa frei gehandelt wird, dürfte sukzessive weniger werden“, sagte Müller dem Tagesspiegel. „Wenn die Schraube weiter angezogen wird, seien es auch nur kleine Schritte, wird Gas noch teurer.“Dass Russland auch Deutschland den Gashahn zudrehen wird, befürchtet Müller aktuell nicht. „Die Gaszuflüsse sind derzeit stabil.“
Seriöse Vorhersagen seien aber unmöglich, die Bundesnetzagentur könne nur auf Sicht fahren. „Ich wage keine Prognose, die über 24 Stunden hinausgeht.“