Baustellen, die auf Drexler warten
Die Hofübergabe in der Steiermark im Juli wird eine geregelte und geplante sein. Doch es gibt Aufgaben im Bereich von Gesundheit, Pflege und Elementarpädagogik für Christopher Drexler, die keinen Aufschub erlauben.
Auch wenn der Wechsel vom amtierenden Landeshauptmann der Steiermark, Hermann Schützenhöfer (ÖVP), und von seinem designierten Nachfolger, dem 51-jährigen Landesrat Christopher Drexler (ÖVP), im Juli eine geordnete Übergabe mitten in einer – im Vergleich zu anderen VPregierten Bundesländern – derzeit relativ ruhigen, skandalfreien Regierungsperiode werden dürfte: Bis zur nächsten Landtagswahl 2024 warten jede Menge Baustellen auf den neuen Landeschef.
Dauerbrenner Gesundheit
Nicht vergessen darf man das Thema Gesundheit. Es kam Drexler sicher politisch nicht ungelegen, dass er das undankbare Ressort, an dem vor ihm schon die gleichaltrige, ehemalige Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder gescheitert war, abgeben durfte. Während ihn sein 20 Jahre älterer politischer Ziehvater Schützenhöfer für die neue Rolle vorbereitete, war er zuletzt für die Ressorts Europa, Kultur, Personal und Sport verantwortlich, wo es sicher weniger heiß herging als rund um den von Drexler mit entworfenen Regionalen Strukturplan Gesundheit (RSG).
Im Zuge des RSG sollen bis 2030 zahlreiche Spitalsabteilungen oder – wie ihn Bad Aussee, Rottenmann und Schladming – ganze Krankenhäuser geschlossen werden. Wenig überraschend zum Missfallen der lokalen Bevölkerung. Bei den letzten Gemeinderatswahlen haben das die Schwarzen schon in einigen betroffenen Bezirken zu spüren bekommen. Dafür dürfen sich die Bewohner von Stainach über ein neues Leitspital freuen. Als Landeshauptmann, der erst in zwei Jahren auch von der Bevölkerung eine Mehrheit braucht, könnte Drexler das Thema wieder einholen. Zahlreiche Gesundheitszentren, die als Ersatz für geschlossene Spitäler bzw. Abteilungen versprochen wurden, müssten auch gebaut werden.
Heute liegt das Ressort für Gesundheit und Pflege in den Händen der Ex-Ministerin und nunmehrigen Landesrätin Juliane BognerStrauß. Auch die Pflege ist in der Steiermark, genau wie in den anderen Bundesländern, nicht erst seit der Pandemie eine weitere Großbaustelle. Hier könnte Drexler relativ bald als Landeshauptmann Pluspunkte sammeln. Denn der Entwurf für ein neues steirisches Pflege- und Betreuungsgesetz liegt bereits auf dem Tisch. Er wurde mittels Antrags aller im Landtag vertretenen Parteien gefordert.
Dort finden sich auch Vorschläge der Oppositionsparteien wieder, wie etwa eine Pflegedatenbank oder das Klientinnentarifsystem, das der Grazer KPÖ-Gesundheitsstadtrat Robert Krotzer bereits lange vor der Grazer Wahl in der Landeshauptstadt eingeführt hatte.
Neben jenen, die sich um Alte und Kranke kümmern, fühlen sich auch jene, die sich um die Jüngsten in der Bevölkerung sorgen, seit Jahren im Stich gelassen.
Großdemos für Kinder
Die Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen gingen in mehreren Großdemos in Graz auf die Straße. Auch sie sind dem Bildungsressort Bogner-Strauß zugeordnet und forderten etwa seit Jahren eine Obergrenze von 20 statt 25 Kindern pro Kindergartengruppe. Selbst die bisherige Obergrenze von 25 konnte in Ausnahmesituationen immer überschritten werden. Zumindest Letzteres sollte abgeschafft werden, doch mit der Ankunft zahlreicher, teils traumatisierter Flüchtlingskinder aus der Ukraine rückt das wieder in weite Ferne. Ohne zusätzliche Ressourcen wie Dolmetscherinnen oder Psychologen droht hier ein System zu kollabieren. Drexler, der die Kultur als einziges Ressort behalten will, gilt als kulturaffin und gesellschaftspolitisch eher liberal. Die Stadt ist sein Revier, auf dem Land muss er sich erst noch beliebt machen.
Doch gerade in der Landeshauptstadt verlor die ÖVP bei der Gemeinderatswahl im September 2021 massiv Stimmen an Grüne und KPÖ und den Bürgermeistersessel an die Kommunistin Elke Kahr. Da wirkt die Wahlempfehlung für Alexander Van der Bellen in der Sonntagsausgabe der Kleinen Zeitung fast logisch. Denn über 64 Prozent wählten in Graz 2016 Van der Bellen, in manchen bürgerlichen Bezirken sogar bis zu 80 Prozent. Während die ÖVP bundesweit – abgesehen vom Tiroler Landeshauptmann Günther Platter – dem amtierenden Präsidenten die aktive Unterstützung versagt, meinte Schützenhöfer in erwähntem Interview: „Er soll sowieso bleiben“, und Drexler sagte: „Ich habe beim letzten Mal Alexander Van der Bellen gewählt – und warum sollte ich mich getäuscht haben?“
Mit der Amtsübergabe des steirischen Landeshauptmannes Hermann Schützenhöfer an seinen 51-jährigen designierten Nachfolger Christopher Drexler hat die steirische VP die Chance auf einen Generationswechsel. Nicht weil Drexler 20 Jahre jünger ist als sein politscher Ziehvater. Jung bzw. jünger sein allein ist noch kein Heilsversprechen. Das sollte man spätestens seit Sebastian Kurz verstanden haben. Doch in der Steiermark herrscht im Vergleich zu anderen VP-regierten Bundesländern zurzeit Ruhe an mehreren Fronten: Erstens regiert man in der schwarz-roten Koalition im unter Franz Voves und Schützenhöfer begründeten Harmonie-Paarlauf relativ friktionsfrei vor sich hin.
Zweitens stehen in der Steiermark in den nächsten zwei Jahren keine Wahlen an, man könnte also jetzt, auch unter Einbeziehung der Opposition, konstruktiv Projekte umsetzen. Zu tun gibt es nicht nur in den Bereichen Gesundheit, Pflege und Elementarpädagogik genug. Drittens kann die steirische VP eine skandalfreie Zeit nutzen, was sich, wie man aus Bund, Vorarlberg oder Oberösterreich weiß, schnell ändern kann. Darauf könnte die Landespartei, deren Parteifarbe schon lange vor türkisen Umfärbungen in Wien nicht Schwarz, sondern Grün war, jetzt bauen.
Drexler könnte sich von Korruption distanzieren und die Stärkung von Transparenz auf allen Ebenen fordern. Er könnte beweisen, dass er nicht nur ein jüngerer Jahrgang ist, sondern mit alten Bräuchen aufräumt. Auch wenn das nicht bei allen Bünden und Kammern Gefallen finden würde.
Dabei sollte er sich vielleicht Schützenhöfer lieber nicht in allen Bereichen zum Vorbild nehmen. Dieser sagte am Wochenende in einem Doppelinterview mit Drexler, Sebastian Kurz sei „bestialisch ausradiert“worden. Wer da radiert hatte, blieb offen. Doch das Opfer-Narrativ für den Ex-Kanzler, der immerhin aktuell in zwei Verfahren als Beschuldigter geführt wird, pickt. Drexler legte mit der Einschätzung nach, politische Mitbewerber hätten der „ÖVP einen Korruptionsverdacht und irgendwas Unanständiges“umgehängt. Diese „Zuschreibung“zu „dekonstruieren“sei sein erstes Ziel. Auch wenn Drexlers Sprecher auf Nachfrage betonte, der Chef meinte damit die Landes-VP, die ja für die Zuschreibungen nichts könne, muss man sagen: Weder liest sich das gut, noch gewinnt man damit Stimmen. Mut zur Transparenz und ein Bruch mit der türkisen Vergangenheit wären erfrischend.