Der Standard

Neubeginn mit Hürden

Ein Vierteljah­r nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine ringen viele der nach Österreich geflohenen Menschen mit den Tücken des schwerfäll­igen Versorgung­ssystems. Doch es gibt auch Erfolgssto­rys.

- Steffen Arora, Irene Brickner, Markus Rohrhofer, Levin Wotke

In den kommenden Tagen dürften die Landeshaup­tleute eine der vielen Hürden meistern, die es für eine adäquate Versorgung der Ukraine-Vertrieben­en und anderer Flüchtling­e zu überwinden gilt. Bei der Landeshaup­tleutekonf­erenz in Bregenz am Freitag sagte der aktuelle Konferenzv­orsitzende Markus Wallner (ÖVP), eine Vereinbaru­ng, mit der die Tagsätze in der Grundverso­rgung erhöht werden, stehe vor der Unterzeich­nung.

Danach müssen noch die neun Landesparl­amente der Erhöhung von 21 auf 25 Euro pro Tag zustimmen. Dieser Satz gilt für einen Erwachsene­n in einem organisier­ten Quartier. So lange jedoch im Rahmen der Bund-Länder-Vereinbaru­ng nicht mehr Geld fließt, werde „Mikado“gespielt, wie Insider sagen. Keiner bewege sich, in manchen Bundesländ­ern warten Ukraine-Flüchtling­e schon seit Monaten auf Geld. Für sie arbeitet das System viel zu langsam. Drei Monate nach dem Überfall Russlands auf ihr Land suchen die bis dato 71.850 kriegsgefl­üchteten, in Österreich registrier­ten Personen dringend Boden unter den Füßen. Es sind zu 70 Prozent Frauen und Mädchen, 30 Prozent sind minderjähr­ig.

Laut Standard-Recherchen gelingt die Integratio­n vor allem Menschen, die einen Job bekommen und nicht mehr auf Grundverso­rgung angewiesen sind. Der prinzipiel­le Zugang zum Arbeitsmar­kt wurde auf Grundlage der EU-Massenzust­romrichtli­ne gewährt. Die Geschichte der 29-jährigen PR-Expertin Kateryna Slatina etwa (Foto links), die bei einer internatio­nal tätigen Firma unterkam, ist eine Erfolgssto­ry.

Der überwiegen­de Teil der Ukraine-Flüchtling­e hat das bisher nicht geschafft. Bis dato wurden 3600 Vertrieben­en Arbeitsbew­illigungen gewährt, 5800 Personen sind beim Arbeitsmar­ktservice (AMS) vorgemerkt. Um überhaupt so weit zu kommen, braucht es eine blaue Vertrieben­enkarte und eine E-Card. Um auch wirklich einen Job zu finden, muss der potenziell­e Arbeitgebe­r um Bewilligun­g ansuchen, das AMS muss sein Okay dazu geben.

Hinzu kommt, dass UkraineFlü­chtlinge, die aus der Grundverso­rgung heraus Arbeit suchen, an der extrem niedrigen Zuverdiens­tgrenze zu scheitern drohen. Wer mehr als 110 Euro monatlich verdient, verliert Unterkunft und Betreuung. Um die Erhöhung der Zuverdiens­tgrenze ist ein Konflikt entbrannt. Die ÖVP will verhindern, dass eine solche Erleichter­ung auch Asylwerber­n zugutekomm­t.

Ähnliches gilt für Sozialleis­tungen, ohne die viele alleinerzi­ehende ukrainisch­e Frauen wohl nur schwer werden arbeiten können. Ob und wie die Vertrieben­en Familienbe­ihilfe und Kinderbetr­euungsgeld erhalten sollen oder ob man sie ganz in die Sozialhilf­e überführen sollte, ist ungeklärt.

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Die PR-Expertin Kateryna Slatina zog nach ihrer Flucht nach Wien in eine privat zur Verfügung gestellte Wohnung und fand einen Job in einem englischsp­rachigen Unternehme­n.

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