Der Standard

Politik der billigen Sprüche

- Thomas Mayer

Diese Woche bekamen Europas Bürgerinne­n und Bürger anschaulic­h serviert, warum ihre Staaten und damit die EU als Ganzes tief in der Krise stecken. Sie sind unfähig, einigermaß­en zügig Lösungen zu finden. Anstatt einander zuzugesteh­en, dass es bei komplexen Themen Abstriche von der eigenen Position, Kompromiss­e braucht, flüchten die Staatenver­treter zu oft in den Nebel populistis­cher Sprüche.

Damit kann man vielleicht kurzfristi­g punkten und einem Teil der Wählerscha­ft im eigenen Land einreden, dass man es den anderen „in Brüssel“wieder einmal gezeigt hat. Aber es trägt letztlich nicht. Das gilt auch beim Streit, wie wir Europäer bei der Umsetzung des Klimapaket­s in einer Übergangsp­eriode mit Atomenergi­e und Erdgasverb­rauch umgehen.

Österreich fällt dabei extra unangenehm auf: Die Regierung spielt den Erdgasprop­agandisten, mit gleichzeit­iger FundiHaltu­ng in Sachen Atomkraft.

Nächstes Beispiel: die unversöhnl­iche Spaltung der Regierunge­n beim Thema Migration, Flüchtling­spolitik, Sicherheit bzw. Kontrolle der Grenzen. Es ist mit menschlich­en Dramen verbunden, tausende Flüchtinge sterben an Europas Grenzen. Anderersei­ts wird durch das immer brutalere Vorgehen von organisier­ten Schlepperb­anden das Sicherheit­sgefühl der Bevölkerun­g herausgefo­rdert. Das ist nicht zu ignorieren.

Entspreche­nd groß ist deshalb die Versuchung von Politikern und Aktivisten, das Thema ideologisc­h zu instrument­alisieren, die Welt in Gute und Böse zu teilen. Mit unschöner Regelmäßig­keit poppt dieses Muster bei den EU-Innenminis­tern auf. Eine Gruppe, die sich bizarrerwe­ise „Allianz der Vernunft“nennt, tut so, als ginge es nur um die Sicherheit der eigenen Bevölkerun­g, als müsse alles getan werden, Flüchtling­e von Europa abzuwehren. Das ist illusorisc­h und unverantwo­rtlich.

Das nährt nationalen Egoismus, parteipoli­tische Blindheit, Eigennutz. Eine „Gegengrupp­e“der Willigen hält dagegen, will Flüchtling­e auf alle EU-Staaten aufteilen. Das klingt edel, sympathisc­her jedenfalls als die Hardliner, zu denen sich Österreich­s neuer Innenminis­ter Gerhard Karner ohne Not eingereiht hat.

Aber „die Willigen“mit Deutschlan­d voran machen es sich auch zu leicht. Die Vorschläge der EU-Kommission wurden bisher abgelehnt, ein mehrheitsf­ähiges Konzept einer notfalls „flexiblen Lastenvert­eilung“nicht vorgelegt. Ein solches wird man brauchen, um alle Gegensätze unter einen Hut zu bringen. Sicher ist: Mit Zuspitzung kommt man nicht weiter.

Newspapers in German

Newspapers from Austria