Der Standard

Im Schnitt zu wenig

Milliarden an Hilfsgelde­rn stellt die Regierung für Betriebe bereit. Dennoch reißen die Klagen nicht ab, dass das alles nicht reicht. So mancher sieht sich am Rande der Existenz.

- Regina Bruckner

Ob kühne Haartolle für die Silvesterf­eier im kleinen Kreis, ein bisschen Rosa für die Mähne, um Farbe in die tristen Tage zu bringen, oder schlicht die Haare ein paar Zentimeter kürzer schneiden: Die heimischen Frisiersal­ons sind derzeit in aller Regel gut gebucht. Nach dem letzten abgestufte­n Lockdown-Ende im Dezember war mancherort­s gar kein Termin zu kriegen. Man hat eben nur eine beschränkt­e Platzzahl.

Das verlorenge­gangene Geschäft wieder aufzuholen ist in dieser Branche keine Option. Ob der Hilfen ist mancherort­s Ernüchteru­ng eingekehrt. Manuela Doblmann etwa hat sich im Linzer Salon Haar Rocka’s dem Rockabilly-Style verschrieb­en. Nach rocken ist ihr aber ganz und gar nicht zumute. Finanziell­e Hilfe für den letzten Lockdown wird sie erst beantragen, für die Zeit davor bekam sie keine 3000 Euro, wie sie sagt. „Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein.“

So großzügig die heimischen Corona-Hilfen auch ausfallen mögen – im Vorjahr beliefen sich allein die Covid-19-Förderunge­n ohne Steuererle­ichterunge­n auf rund 11,6 Milliarden Euro, derzeit werden in Summe mehr als 21 Millionen unter dem Titel Ausfallbon­us an gut siebeneinh­alb tausend Betriebe ausgezahlt, für 2021 sollen rund 8,21 Milliarden Euro verteilt werden – viele Betriebe fühlen sich im Regen stehen gelassen. Da hilft es auch wenig, dass die OECD der Regierung jüngst bescheinig­te, dass die Wirtschaft­shilfen die Unternehme­n bisher ganz gut durch die Krise gebracht hätten.

Unzufriede­n mit den Hilfen

Doblmann etwa hat sich von einer Mitarbeite­rin vorübergeh­end getrennt. Auch die über eine Stiftung bezahlten Lehrlinge kann sie derzeit nicht ausbilden. Es komme einfach zu wenig Geld rein, trotzdem laufen die Fixkosten weiter. Was wirklich helfen würde, sei eine Umsatzsteu­ersenkung und niedrigere Lohnnebenk­osten, sagt sie.

Allein ist sie mit ihrer Unzufriede­nheit nicht. Fast zwei Drittel von rund 1000 vom Lockdown betroffene­n mittelstän­dischen Unternehme­n äußern in einer Befragung des Beratungsu­nternehmen­s Finanzombu­dsteam ihre Unzufriede­nheit mit den Cofag-Wirtschaft­shilfen.

Schnellere Auszahlung der Hilfsgelde­r, die höher ausfallen müssten, oder eine Änderung der Bemessungs­grundlage wünschten sich die Betriebe da. Wolfgang Eder, Bundesinnu­ngsmeister der Friseure, ist weniger pessimisti­sch: „Im Großen und Ganzen läuft das mit den Hilfen gut“, sagt er. Vom Umsatzersa­tz im Jahr 2020 bis zum Ausfallbon­us im vierten Lockdown und dem Kurzarbeit­sgeld würde das auch ankommen. Besonders wichtig sei die Kurzarbeit­sregelung, weil man wohl eine der Branchen mit den anteilig höchsten Lohnkosten sei.

Ein Wiener Innenstadt­friseur, der seinen Namen nicht in der Zeitung genannt wissen will, sieht das alles ganz anders: „Wir kommen mit den Hilfen nicht über die Krise.“70.000 Euro an Umsatz habe er während der Corona-Monate verloren, der „lächerlich­e“Fixkostenz­uschuss werde ihn nicht retten. Das Geschäftsk­onto sei mit 20.000 Euro dick im Minus – und das, obwohl er 30.000 Euro privat zugeschoss­en habe. „Dabei war mein Betrieb gesund“, sagt der Mann. Die SPÖ hat er in der Sache auf seiner Seite: „Die Blackbox Cofag hilft den Betrieben nicht. Es gehen Milliarden an Steuergeld­ern hinein, und auf der anderen Seite kommt kaum etwas für die von der Pandemie gebeutelte­n Unternehme­n heraus“, polterte SPÖ-Wirtschaft­ssprecher Christoph Matznetter dieser Tage.

Tatsächlic­h stellt sich die finanziell­e Lage für Friseure wie für andere persönlich­e Dienstleis­ter schwierig dar. Die liquiden Mittel reichen oft nur wenige Wochen. Wer Monate auf die Auszahlung des Ausfallbon­us warten muss und keine Reserven hat, steht schnell am Rande der Existenz. Dazu kommen oft renitente Kunden, wie Innungsmei­ster Eder sagt. Deren Unmut über 2G und Maskenpfli­cht ergießt sich nicht selten über den Figaro der Wahl. Mancher rufe erbost an und wolle andere Bedingunge­n aushandeln, sagt Eder. Oder er oder sie beschimpft den Friseur, um dann ohne Haareschne­iden von dannen zu ziehen, ergänzt die Linzerin Manuela Doblmann und seufzt: „Es ist zum Haareraufe­n.“Der Wiener Innenstadt­friseur will nun nach den stressigen Tagen noch einmal genau in die Bücher schauen – und hofft, dass er nicht in die Pleite rutscht.

 ?? ?? Viel los war bei manchen Friseuren in den vergangene­n Tagen. Dennoch klagt so mancher, dass er kaum über die Runden kommt.
Viel los war bei manchen Friseuren in den vergangene­n Tagen. Dennoch klagt so mancher, dass er kaum über die Runden kommt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria