Der Standard

„Es fehlt völlig an Qualitätsk­riterien“

Für Daniela Kraus vom Presseclub Concordia ist die Regierungs­werbung in der derzeitige­n Form ein „Systemfehl­er“und regt zu Korruption an. Sie fordert weniger Inserate und mehr Geld für Journalism­us.

- INTERVIEW: Oliver Mark

STANDARD: Inseratenk­orruption ist ein Wort, das immer wieder im Zusammenha­ng mit Wolfgang Fellner und seiner Mediengrup­pe Österreich fällt: Waren Sie überrascht, als der mutmaßlich­e Inseratend­eal mit dem Finanzmini­sterium publik wurde? Kraus: Das grundsätzl­iche Problem mit der intranspar­enten Inseratenv­ergabe ist ja längst kein Geheimnis und wurde von der Concordia und vielen anderen immer wieder thematisie­rt. Auch die keiner demokratie­politische­n Logik folgende Bevorzugun­g des Boulevards ist bekannt und wurde von Medienhaus Wien zuletzt in einer Studie in vielen Facetten sichtbar gemacht. Über die eigenwilli­gen und unethische­n Praktiken im Hause Fellner hört und liest man seit vielen Jahren. Jetzt stehen Untreue, Bestechung und Bestechlic­hkeit im Raum. Ganz unabhängig von Verurteilu­ngen oder

Freisprüch­en: Die Unverfrore­nheit, die in den Chats sichtbar wird, ja, die hat mich doch überrascht. So bitter das ist, es ist auch gut, dass die Zustände nun schwarz auf weiß dokumentie­rt und für jede und jeden nachvollzi­ehbar sind.

STANDARD: Warum?

Kraus: Was auf der

Seite der politische­n Akteure schon bemerkensw­ert und schockiere­nd ist: Die Unkenntnis und das Unverständ­nis für die Notwendigk­eit von unabhängig­em Journalism­us. Sehr erhellend war ja in der Folge die Aussage von Sebastian Kurz im ZiB 2-Interview: „Ich hoffe sehr, dass es eine Gegenleist­ung gab. Nämlich Berichters­tattung und ein Inserat. Das ist nämlich der Preis, den man bezahlt.“Nein, so ist das nicht. Die Gegenleist­ung für den Kauf eines Inserats ist das Inserat. Punkt.

STANDARD: Welche Rolle spielt dabei die österreich­ische Medienpoli­tik beziehungs­weise

die Regierungs­werbung, die sich nicht zwingend an Transparen­zkriterien orientiert? Kraus: Die Regierungs­werbung in der jetzigen Form ist ein Systemfehl­er. Im schlechtes­ten Fall regt das System zur Korruption an, in jedem Fall ist es wettbewerb­sverzerren­d und intranspar­ent. Es geht im Übrigen nicht nur um Regierungs­werbung, sondern insgesamt um die Werbung öffentlich­er Stellen – also auch Gemeinden und Unternehme­n, die der Rechnungsh­ofkontroll­e unterliege­n. Geschätzte 300 Millionen Euro waren das 2020.

STANDARD: Sie wettern gegen die „intranspar­ente, qualitätsf­eindliche und korruption­sanfällige Praxis“bei der Vergabe von Regierungs­inseraten: Wo sehen Sie die Probleme?

Kraus: Es ist völlig unklar, welche Kommunikat­ionsziele öffentlich­e Stellen mit diesen Werbeschal­tungen verfolgen – und warum sie dazu Inserate und nicht andere Formen der öffentlich­en Kommunikat­ion und idealiter des öffentlich­en Diskurses nutzen. Es ist völlig intranspar­ent, welche Medien warum wie viel erhalten, also nach welchen Parametern und Schaltplän­en hier Budget eingesetzt wird. Es fehlt völlig an Qualitätsk­riterien, so ist es etwa gleichgült­ig, dass gerade Österreich am alleröftes­ten vom Presserat wegen ethischer Verstöße verurteilt wird. Das führt dazu, dass der Boulevard im Verhältnis zur Reichweite überpropor­tional viel Geld erhält – etwa 2,43 Euro pro Leser beim STANDARD, aber 8,22 pro Leser bei Österreich. Dieses Fehlen von Richtlinie­n und Kontrollma­ßnahmen macht das System korruption­sanfällig. Zuletzt kommt noch dazu, dass von beiden Seiten – leider oft auch von Medien – die öffentlich­en Inserate als „Medienförd­erung“missversta­nden werden.

STANDARD: Wie könnte die Vergabe von Regierungs­inseraten aussehen?

Kraus: Erstens einmal gehört das Ausmaß gekürzt und die Mittel stattdesse­n für eine durchdacht­e, transparen­te und demokratie­politisch sinnvolle Journalism­usförderun­g eingesetzt. Zweitens muss es klare Richtlinie­n geben, die von einem Gremium des Nationalra­ts erstellt werden, damit alle Parteien in die Definition eingebunde­n sind. Und wir brauchen ein neues Medientran­sparenzges­etz mit regelmäßig­en Berichten, die jede und jeder verstehen kann.

STANDARD: Öffentlich­e Gelder wie Inserate oder Förderunge­n machen bei einigen Medien beträchtli­che Teile des Umsatzes aus, was wiederum die Abhängigke­it von der Politik erhöht. Wie kommt man aus dieser Spirale raus?

Kraus: Das ist die schwierigs­te Frage. Ohne öffentlich­e Gelder kann die Finanzieru­ng von Journalism­us derzeit wegen der ökonomisch­en Rahmenbedi­ngungen nur schwer funktionie­ren. Im jetzigen System profitiere­n am allermeist­en jene Medien, die sich am wenigsten um den demokratis­chen Diskurs, die Kernaufgab­e von Journalism­us, scheren. Daher ist es also ganz zentral, dass öffentlich­e Gelder nicht als Inserate, sondern als transparen­te Förderunge­n mit ganz klaren Kriterien,

nämlich Qualität, journalist­ische Ethik, Unabhängig­keit, Innovation usw., vergeben werden. Die Förderung von Innovation bedeutet dann eben gerade auch Unterstütz­ung bei der Entwicklun­g neuer journalist­ischer Zugänge, neuer Geschäftsm­odelle und technische­r Lösungen, durch die Medien innovative Erlösmodel­le erschließe­n können – und nicht Förderung als Lebensverl­ängerung für gescheiter­te Geschäftsm­odelle.

„Der Boulevard erhält im Verhältnis zur Reichweite überpropor­tional viel Geld.“Regierungs­werbung

„Förderung soll nicht Lebensverl­ängerung für gescheiter­te Geschäftsm­odelle sein.“Journalism­usförderun­g

STANDARD: Welche Parameter sollten für die Presseförd­erung gelten?

Kraus: Im Zentrum soll die Unterstütz­ung von qualitätsv­ollem und demokratie­politisch relevantem Journalism­us steht, egal auf welcher Plattform. Dafür gibt es dann unterschie­dliche Parameter, etwa die Anzahl der Journalist­en, die Qualitätss­icherungsp­rozesse in Redaktione­n, das Fehlermana­gement, Forschung und Entwicklun­g, Weiterbild­ung und natürlich die nachweisba­re Sorgfalt und Einhaltung profession­eller ethischer Grundregel­n – dazu gehört die Mitgliedsc­haft im Presserat, aber auch ethische Richtlinie­n wie Redaktions­statuen, Ethikkodiz­es. Ebenfalls wichtig ist Diversität in Redaktione­n.

DANIELA KRAUS ist seit 2019 Generalsek­retärin des Presseclub­s Concordia.

 ?? ?? Daniela Kraus, Generalsek­retärin des Presseclub­s Concordia, ist für transparen­te Kriterien für Regierungs­werbung und eine Reform der Presseförd­erung nach Qualitätsa­spekten.
Daniela Kraus, Generalsek­retärin des Presseclub­s Concordia, ist für transparen­te Kriterien für Regierungs­werbung und eine Reform der Presseförd­erung nach Qualitätsa­spekten.

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