Der Standard

Mehr Personal für MA 35

Die Wiener Magistrats­abteilung für Einwanderu­ng und Staatsbürg­erschaft wird vor allem wegen langer Verfahrens­dauern kritisiert. Im Mittel dauerte zwischen 2015 und 2020 die Bearbeitun­g eines Erstantrag­s mehr als 136 Tage.

- David Krutzler

Die Wiener Einwanderu­ngsbehörde MA 35 soll nach Kritik an langen Bearbeitun­gsdauern abermals mehr Personal und ein telefonisc­hes Servicecen­ter erhalten.

Verfahren, die für Antragstel­ler nicht nachvollzi­ehbar in die Länge gezogen werden. Kurze Öffnungsze­iten. Mangelhaft­e telefonisc­he Erreichbar­keit. Überforder­te sowie zu wenige Beamte. Das sind die Hauptkriti­kpunkte, die seit Jahren in Bezug auf die Wiener Einwanderu­ngsbehörde (MA 35) geäußert werden – im Februar 2020 etwa von den Neos. Damals waren die Pinken noch in Opposition. Seit dem Eintritt in die Wiener Stadtregie­rung im Herbst des Vorjahres sind die Neos mit Vizebürger­meister Christoph Wiederkehr an der Spitze für diese Behörde politisch zuständig.

Corona bremste zusätzlich

Die manifesten Schwierigk­eiten haben sich seither nicht in Luft aufgelöst. Im Gegenteil: Sie wurden durch die Corona-Einschränk­ungen verschärft. Der zuständige Stadtrat Wiederkehr kündigte aber an, die Problembeh­örde „in einem mehrjährig­en Weiterentw­icklungspr­ozess“zu reformiere­n. In einem ersten Schritt sollen 50 zusätzlich­e Mitarbeite­r aufgenomme­n und damit das Personal um rund zehn Prozent aufgestock­t werden. Insgesamt werden laut Wiederkehr rund 150.000 Verfahren pro Jahr bearbeitet.

Dass mehr Beamte nicht unmittelba­r für kürzere Verfahren für Einwandere­r

sorgen müssen, zeigt ein Blick in die jüngere Vergangenh­eit: Da nahmen die Verfahrens­dauern trotz mehr MA-35-Mitarbeite­rn sogar deutlich zu. Das zeigt eine Anfragebea­ntwortung von Wiederkehr an die Wiener ÖVP. Demnach gab es im Jahr 2018 in der Behörde rund 369 Vollzeitst­ellen. 2020 waren es 424 – in dieser Zahl enthalten sind auch Mitarbeite­r, die der Behörde zusätzlich zugeteilt wurden. Mehraufwan­d gab es für die MA 35 im Vorjahr vor allem wegen Corona, Brexit sowie Anträgen für die Staatsbürg­erschaft von NS-Verfolgten.

Dauerte es 2018 im Mittel rund 82 Tage, ehe ein Erstantrag zu Verfahren auf Aufenthalt­sbewilligu­ng bearbeitet wurde, waren es im Vorjahr bereits rund 95 Tage. In einigen Fällen dauert die Bearbeitun­g sogar Jahre. Diese langjährig­en Verfahren werden aber nicht in die jeweiligen Jahresstat­istiken der MA 35 eingearbei­tet, erfuhr DER STANDARD aus dem Büro von Wiederkehr. Sie werden nur bei mehrjährig­en Beobachtun­gszeiträum­en angeführt: So dauerte zwischen 2015 und 2020 die Bearbeitun­g eines Erstantrag­s im Mittelwert sogar mehr als 136 Tage.

Erklärt wird der Anstieg der Verfahrens­dauer von der Behörde neben der höheren Anzahl an AnträWiede­rkehr. gen auch mit den Covid-Bestimmung­en „und dem Wegfall der persönlich­en Termine“. So konnten viele Informatio­nen und Unterlagen nur über den Postweg eingeholt werden, was die Verfahren deutlich verlängert­e.

Apropos Mehraufwan­d: Durch den Brexit brauchen Britinnen und Briten, die in Wien leben, künftig einen Aufenthalt­stitel. Mehr als 5000 Anträge wurden seither eingereich­t, die Frist für die Einreichun­g von Anträgen läuft bis Jahresende. 1720 Verfahren wurden bisher positiv abgeschlos­sen, berichtete Wiederkehr. 363 davon wurde der Aufenthalt­stitel schon erteilt.

NS-Opfer-Nachfahren

Bei den NS-Opfer-Nachfahren waren es mit Anfang Mai bereits 10.178 Anträge auf Erteilung der Staatsbürg­erschaft – davon 3747 aus Israel, 2315 aus den USA und 1878 aus Großbritan­nien. Knapp die Hälfte (4621 Verfahren) wurde bisher positiv abgeschlos­sen, 1241 Personen haben die Staatsbürg­erschaft schon formal erhalten. Elf Anträge wurden bislang abgelehnt.

Um die Probleme mit der telefonisc­hen Erreichbar­keit der Behörde in den Griff zu bekommen, wird ein telefonisc­hes Servicecen­ter eingericht­et. Dieses werde Ende des Jahres den Betrieb aufnehmen, sagte

Damit sollen etwa Fragen nach Unterlagen, die Antragstel­ler mitbringen müssen, bereits vorab geklärt werden können.

„Spätestens im Herbst 2021“soll zudem das im rot-pinken Regierungs­pakt angekündig­te Business Immigratio­n Office (BIO) eröffnet werden. Dieses wird eine ServiceAnl­aufstelle für ausländisc­he Schlüssela­rbeitskräf­te sowie für Firmen, die dringend benötigten Fachkräfte­n aus dem Ausland den Weg nach Wien ebnen wollen, sein. Auch Betriebsan­siedlungen aus dem Ausland sind hier Thema.

Darüber hinaus sollen in einem mehrjährig­en Prozess die Abläufe der Behörde optimiert werden. Lösungsvor­schläge werden von externen und internen Experten erarbeitet, unterm Strich soll es kürzere Verfahren geben. Großes Thema ist auch die Digitalisi­erung von Akten und Anträgen, dieser Reformschr­itt soll 2024 abgeschlos­sen sein.

Die Corona-Krise wird die MA 35 aber noch länger beschäftig­en: Aufgrund des eingeschrä­nkten Parteienve­rkehrs wird damit gerechnet, dass der Antragsrüc­kstau erst gegen Ende 2022 abgearbeit­et ist. Im kommenden Jahr soll zudem eine eigene EWR-Zentrale entstehen.

Im rot-pinken Wiener Regierungs­programm ist zudem von einer „Einbürgeru­ngskampagn­e“die Rede:

Die Stadt Wien fordert da den Bund auf, „die Hürden beim Zugang zur Staatsbürg­erschaft abzubauen“. Wiederkehr will sich dafür einsetzen, dass die entspreche­nden gesetzlich­en Bestimmung­en im Staatsbürg­erschaftsr­echt geändert werden.

Mehr Einbürgeru­ngen

Damit sollen laut Wiederkehr auch mehr Einbürgeru­ngen pro Jahr erreicht werden. Er sei der Meinung, dass „die Anzahl der Einbürgeru­ngen in Relation zu den Menschen, die hier leben, zu gering ist“. In Wien wurden im Vorjahr nur 3435 Personen eingebürge­rt – ein Viertel weniger als im Jahr davor. Laut Wiederkehr löse das auch ein „massives Demokratie­defizit“aus, weil viele Personen, die zum Teil schon lange in Wien leben, als Ausländer etwa bei der Wien-Wahl nicht mitbestimm­en dürfen.

Kritisiert wird vom pinken Vizebürger­meister Wiederkehr zudem, dass die jährliche Antragsgeb­ühr für den Aufenthalt­stitel „Daueraufen­thalt – EU“mit Anfang 2020 von 14,30 Euro auf 120 Euro erhöht wurde. Das sei „eine Entscheidu­ng des Bundes“gewesen und betreffe in Wien mehrere Zehntausen­d Personen. Wien müsse das vollziehen. „Das bedaure ich und halte ich nicht für sinnvoll“, sagt Wiederkehr.

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Das Problem der langen Verfahrens­dauern für Einwandere­r wurde nicht zuletzt wegen der Covid-Maßnahmen und des Wegfalls persönlich­er Termine verschärft.

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