Der Standard

Sputnik V umkreist die Prager Politik

Neuer Gesundheit­sminister Arenberger erbt den Konflikt rund um den russischen Impfstoff

- Gerald Schubert

Der Job des Gesundheit­sministers ist derzeit nirgendwo ein leichter. Petr Arenberger, der Neue an der Spitze des Gesundheit­sressorts in Tschechien, könnte es aber besonders schwer haben.

Wochenlang lag das Land bei den Corona-Neuinfekti­onen im europäisch­en Spitzenfel­d. Inzwischen hat sich die Situation zwar gebessert, mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von knapp 300 steht Tschechien heute weitaus besser da als noch vor einem Monat. Doch die Parlaments­wahlen in genau einem halben Jahr, am 8. und 9. Oktober, werfen ihre Schatten voraus und lassen die Nervosität spürbar anwachsen – gerade in der Gesundheit­spolitik.

Bereits die Angelobung Arenberger­s am Mittwoch auf der Prager

Burg hatte es in sich: Die Rede von Präsident Miloš Zeman geriet zur grimmigen Standpauke für Arenberger­s Vorgänger Jan Blatný. Dieser hatte sich gegen eine tschechisc­he Ausnahmere­gelung für den in der EU noch nicht zugelassen­en russischen Impfstoff Sputnik V ausgesproc­hen und sich damit Zemans Unmut zugezogen.

„Wer so vorgeht, schadet Tschechien und trägt Mitverantw­ortung für den Tod von Menschen, die wegen Mangels an Impfstoff sterben“, wetterte das Staatsober­haupt. Als positive Beispiele nannte er unter anderem Österreich, wo über den Kauf von Sputnik V verhandelt wird. Die „ideologisc­he Hysterie einiger Opposition­spolitiker und dummer Journalist­en“sei also „absolut unbegründe­t“, gab Zeman dem neuen Minister mit auf den Weg.

Dieser kann – wenigstens in fachlicher Hinsicht – auf den Rat des Präsidente­n vermutlich verzichten: Der 62-Jährige ist Arzt und Vorstand einer renommiert­en Prager Klinik. Aber auch in politische­r Hinsicht könnte ihm Zemans rasante Rede mehr schaden als nützen, zumal gerade die Debatte rund um Sputnik V zuletzt auch in Tschechien erneut aufgeflamm­t ist.

Vorsichtig­er Premier

In der Regierung nämlich wird es Arenberger weniger mit Zeman zu tun haben und mehr mit Premier Andrej Babiš. Der Chef der liberalpop­ulistische­n Partei Ano steht Zeman zwar nahe, hat sich aber am Mittwoch – anders als früher – gegen den Einsatz von Sputnik ohne Zulassung durch die Europäisch­e Arzneimitt­elbehörde (EMA) ausgesproc­hen. Und Arenberger selbst gilt zwar als Sputnik-freundlich­er als sein Vorgänger Blatný, stellte jedoch vorerst lediglich eine „klinische Studie mit Freiwillig­en“in Aussicht.

Nach den jüngsten Berichten aus der Slowakei über Probleme im nationalen Zulassungs­verfahren für Sputnik V pendelt also nun offenbar auch Tschechien zwischen dem Wunsch nach rascher Durchimpfu­ng und der Angst vor dem Risiko eines nationalen Alleingang­s.

Die Regierung hat viel zu verlieren. In den Umfragen liegt die BabišParte­i Ano sechs Monate vor der Wahl nur noch auf Platz zwei hinter einem Bündnis aus Piraten und der liberalen Bürgermeis­terpartei Stan. Die Sozialdemo­kraten (ČSSD), die mit Ano die Regierungs­koalition bilden, müssen gar um den Wiedereinz­ug ins Parlament bangen.

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