Prozess um Vergewaltigung unter Hauptbahnhof
Zwei Jahre für Teenager, der 16-Jährige zu Nacktfotos nötigte und sie zu Sex zwang
Dass sich der 17-jährige Angeklagte B. und die damals 16 Jahre alte K. im März 2020 über Instagram kennengelernt haben, ist so ziemlich der einzige Punkt, in dem sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung einig sind. Wie sich der Kontakt entwickelte, divergiert dagegen: Laut Ankläger soll der unbescholtene B. die 16-Jährige mit Drohungen dazu gebracht haben, ihm intime Bilder von ihr zu schicken, und sie schließlich am 12. Mai in einem abgelegenen Winkel der Station Südtiroler Platz / Hauptbahnhof in Wien-Favoriten vergewaltigt haben.
Der Angeklagte bestreitet das vor dem Schöffensenat unter Vorsitz von Martina Hahn und bekennt sich nicht schuldig. Der in Wien geborene Österreicher B. sagt über sich selbst: „Ich bin ein türkischer Junge“, da auch K. türkische Wurzeln hat, vermutet er eine Verleumdung durch die 16-Jährige. „Das ist die türkische Kultur, ein türkisches Mädchen lügt, damit die Eltern ein gutes Bild von ihr haben!“, meint er.
Zwei Mal habe er K. persönlich getroffen, sagt der Angeklagte. Zwei bis drei Wochen habe man eine Beziehung
gehabt – eine Beziehung, die zumindest von seiner Seite aus platonisch gewesen ist. Allerdings soll K. ihm, wie B. sagt, unaufgefordert eindeutige Bilder von sich übermittelt haben. Sie habe ihm das vorab angekündigt und gewusst, dass er zu diesem Zeitpunkt mit einem Freund im Auto saß. Der Freund filmte mit seinem Mobiltelefon den Bilderstrom, ehe der sich, wie von K. eingestellt, nach zehn Sekunden selbst löschte. Am Tattag hat B. sich um sechs Uhr morgens im Wiener Hauptbahnhof mit K. getroffen, um das Video, das ihm sein Freund geschickt hatte, vor ihren Augen zu löschen. Das habe er gemacht, dann habe sich K. ihm „genähert“und sie hätten sich fünf Minuten geküsst.
B. wiederholt seine Vermutung, dass K. die Vergewaltigung nur erfinde, um ihrer Familie eine Erklärung für die pornografischen Bilder liefern zu können. „Das ist ja völlig absurd!“, platzt es aus Beisitzer Andreas Hautz heraus. „Die Bilder sind ja erst durch die Anzeige aufgekommen!“
Diese erstattete K. am 14. Mai und konnte ein wesentliches Beweisstück liefern: den Screenshot einer Konversation zwischen ihr und dem
Angeklagten. Nicht alles ist für Vorsitzende Hahn zu entziffern, den lesbaren Teil hält sie dem Angeklagten vor. „... weil es juckt mich nicht mehr“, schrieb er an die 16-Jährige. „Wirst du es weiterschicken?“, fragt die offenbar hinsichtlich des Videos zurück. „Nicht nur weiterschicken. Hochladen!“, folgt die Antwort. B. kann darin keine Drohung erkennen.
Die auf Video aufgezeichnete kontradiktorische Einvernahme K.s wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorgespielt. Die Aussage der 16-Jährigen scheint aber Eindruck gemacht zu haben. Denn nach kurzer Besprechung vor der Saaltür kündigt der Verteidiger an: „Mein Mandant möchte seine Verantwortung ändern.“
Ebenso ruhig, wie er davor jede Schuld von sich gewiesen hat, sagt der 17-Jährige nun: „Ja, ich gestehe meine Tat.“Er bekennt sich in allen Anklagepunkten – Nötigung, Kinderpornografie, sexueller Missbrauch und Vergewaltigung – für schuldig. „Wieso haben Sie das gemacht?“, will die Vorsitzende wissen. „Ich weiß es bis heute nicht“, antwortet der Angeklagte.
Bei einem Strafrahmen bis zu fünf Jahren Haft entscheidet sich der Senat nicht rechtskräftig für 24 Monate, acht davon sind unbedingt.