„Der Impfstoff wirkt auf jeden Fall“
Der Impfstoffexperte Florian Krammer beantwortete am Mittwoch im STANDARD-Chat Fragen der User. Er würde sich mit jedem zugelassenen Vakzin impfen lassen und hält Langzeitschäden für unwahrscheinlich.
Ist das Vakzin von Astra Zeneca ein Impfstoff zweiter Klasse? Schützt die Impfung nur vor Erkrankung oder auch vor Übertragung? Wie gut wirken die bisher zugelassenen Impfstoffe gegenüber Mutationen des Coronavirus? Der Professor für Impfstoffkunde Florian Krammer beantwortete am Mittwoch Userfragen zu den Corona-Impfstoffen im STANDARD-Livechat. Der gebürtige Österreicher forscht an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York und ist Mitglied des STANDARD-Corona-Fachrats.
Viele User beschäftigte die Frage, ob geimpfte Personen das Coronavirus übertragen können. Krammer sagte dazu: „Im Tiermodell hat sich gezeigt, dass alle getesteten Impfstoffe vor Erkrankungen schützen (also vor Virusreplikation in der Lunge), aber dass es noch zu Infektionen in den oberen Atemwegen kommen kann.“Allerdings war dabei nur eine geringe Viruslast festzustellen und die Tiere waren nur für kurze Zeit infektiös.
Weiterverbreitung trotz Impfung
Wie es bei Menschen aussieht, dazu gebe es Daten zum Impfstoff von Moderna. Diese zeigen, dass es nach einer Impfung zu einer Reduktion von asymptomatischen Infektionen kommt. „Es ist anzunehmen, dass weniger Virus ausgeschieden wird“, sagte Krammer, „aber man kann nicht ausschließen, dass es in manchen Fällen trotzdem zu einer Weitergabe des Virus kommt.“Das sei aber etwa auch bei der Influenzaimpfung oder der Keuchhustenimpfung der Fall und kein Novum von Impfstoffen gegen Sars-CoV-2.
Der weitverbreiteten Skepsis gegenüber dem Vakzin von Astra Zeneca begegnete Krammer differenziert. Zunächst war ihm wichtig festzuhalten, dass der Astra-ZenecaImpfstoff „gegen symptomatische Erkrankungen einen signifikanten Schutz“bietet. Vor allem gegen schwere Erkrankungen dürfte dieser Impfstoff besonders wirksam sein, wahrscheinlich höher als gegen leichte und moderate Verläufe. Generell lasse sich die Wirksamkeit des Astra-Zeneca-Impfstoffes aber noch nicht genau einschätzen: „Es gibt verschiedene Studien, die unterschiedliche Ergebnisse hatten, weil auch unterschiedliche Dosierungen verwendet wurden und die Zeitabstände zwischen der ersten und der zweiten Impfung recht variabel sind.“Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) gibt die Effizienz des Astra-Zeneca-Impfstoffes gegen symptomatische Sars-CoV-2-Infektionen mit etwa 60 Prozent an. Einige Substudien ergaben eine noch höhere Wirksamkeit. „Man kann auf jeden Fall sagen, dass der Impfstoff wirkt, aber ob er so gut wirkt, ist noch immer etwas unklar.“
Der Frage, ob Astra Zeneca ein Impfstoff zweiter Klasse sei, begegnete Krammer jedenfalls entschieden: „Es geht momentan nicht um Klassen, sondern um Verfügbarkeit. Ich würde mich auf jeden Fall mit dem Impfstoff von Astra Zeneca impfen lassen.“
Was den russischen Impfstoff angeht, kritisierte Krammer vor allem den „unethischen“Start: „Da wurde am Anfang durch eine – meiner Meinung nach unethische – Zulassung nach einer sehr kleinen Phase II sehr viel Vertrauen zerstört.“Grundsätzlich sei die Strategie, zwei verschiedene Adenovirusvektoren zu verwenden, „recht gut“, so Krammer, „die Phase-III-Daten, die jetzt für Sputnik V publiziert wurden, schauen gut aus“.
Die Frage nach möglichen Langzeitfolgen von Corona-Impfungen beantwortete Krammer vorsichtig optimistisch: „Es gab bei unterschiedlichen Impfungen seltene – aber schwere – Nebenwirkungen, die zu Langzeitschäden geführt haben.“Als Beispiele nannte der Forscher Narkolepsie nach der Schweinegrippe-Impfung 2009 und das Guillain-Barré-Syndrom bei Influenzaimpfungen. „Diese Probleme sind Tage bis Monate nach der Impfung aufgetreten und heißen deswegen Langzeitschäden, weil sie lange anhalten können – nicht weil sie nach langer Zeit auftreten.“
Man könne daher nach den Phase-III-Studien mit zehntausenden Geimpften „ausschließen, dass es häufig zu solchen schweren Komplikationen kommt“, sagte Krammer. „Sars-CoV-2-Impfstoffe wurden bisher in mehr als 100 Millionen Menschen verwendet, und außer allergischen Reaktionen gab es noch keine Probleme.“
Mutation eindämmen
Auch was die Wirksamkeit der aktuell verfügbaren Impfstoffe gegen Virusmutationen angeht, zeigte sich Krammer optimistisch: „Es ist anzunehmen, dass eigentlich alle Impfstoffe gegen die britische Variante B.1.1.7 wirken. Da gibt es mittlerweile sehr viele unterschiedliche Datensätze.“
Etwas anders sieht es mit der südafrikanischen Variante aus, sagte der Impfstoffexperte: „Die Effizienz aller Impfstoffe gegen die Variante B.1.351 dürfte geringer ausfallen, wahrscheinlich nicht viel geringer, aber es scheint einen Effekt zu geben. Es kann sein, dass da unterschiedliche Impfstoffe unterschiedlich schwer betroffen sind, es ist aber nicht klar, welcher Impfstoff Vorteile oder Nachteile hat.“Auch aus diesem Grund rät Krammer dazu, die südafrikanische Variante B.1.341 „in Tirol einzudämmen“.
„Beim russischen Impfstoff wurde am Anfang viel Vertrauen zerstört.“
Florian Krammer