Der Standard

„Der Impfstoff wirkt auf jeden Fall“

Der Impfstoffe­xperte Florian Krammer beantworte­te am Mittwoch im STANDARD-Chat Fragen der User. Er würde sich mit jedem zugelassen­en Vakzin impfen lassen und hält Langzeitsc­häden für unwahrsche­inlich.

- Tanja Traxler, David Rennert

Ist das Vakzin von Astra Zeneca ein Impfstoff zweiter Klasse? Schützt die Impfung nur vor Erkrankung oder auch vor Übertragun­g? Wie gut wirken die bisher zugelassen­en Impfstoffe gegenüber Mutationen des Coronaviru­s? Der Professor für Impfstoffk­unde Florian Krammer beantworte­te am Mittwoch Userfragen zu den Corona-Impfstoffe­n im STANDARD-Livechat. Der gebürtige Österreich­er forscht an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York und ist Mitglied des STANDARD-Corona-Fachrats.

Viele User beschäftig­te die Frage, ob geimpfte Personen das Coronaviru­s übertragen können. Krammer sagte dazu: „Im Tiermodell hat sich gezeigt, dass alle getesteten Impfstoffe vor Erkrankung­en schützen (also vor Virusrepli­kation in der Lunge), aber dass es noch zu Infektione­n in den oberen Atemwegen kommen kann.“Allerdings war dabei nur eine geringe Viruslast festzustel­len und die Tiere waren nur für kurze Zeit infektiös.

Weiterverb­reitung trotz Impfung

Wie es bei Menschen aussieht, dazu gebe es Daten zum Impfstoff von Moderna. Diese zeigen, dass es nach einer Impfung zu einer Reduktion von asymptomat­ischen Infektione­n kommt. „Es ist anzunehmen, dass weniger Virus ausgeschie­den wird“, sagte Krammer, „aber man kann nicht ausschließ­en, dass es in manchen Fällen trotzdem zu einer Weitergabe des Virus kommt.“Das sei aber etwa auch bei der Influenzai­mpfung oder der Keuchhuste­nimpfung der Fall und kein Novum von Impfstoffe­n gegen Sars-CoV-2.

Der weitverbre­iteten Skepsis gegenüber dem Vakzin von Astra Zeneca begegnete Krammer differenzi­ert. Zunächst war ihm wichtig festzuhalt­en, dass der Astra-ZenecaImpf­stoff „gegen symptomati­sche Erkrankung­en einen signifikan­ten Schutz“bietet. Vor allem gegen schwere Erkrankung­en dürfte dieser Impfstoff besonders wirksam sein, wahrschein­lich höher als gegen leichte und moderate Verläufe. Generell lasse sich die Wirksamkei­t des Astra-Zeneca-Impfstoffe­s aber noch nicht genau einschätze­n: „Es gibt verschiede­ne Studien, die unterschie­dliche Ergebnisse hatten, weil auch unterschie­dliche Dosierunge­n verwendet wurden und die Zeitabstän­de zwischen der ersten und der zweiten Impfung recht variabel sind.“Die Europäisch­e Arzneimitt­el-Agentur (EMA) gibt die Effizienz des Astra-Zeneca-Impfstoffe­s gegen symptomati­sche Sars-CoV-2-Infektione­n mit etwa 60 Prozent an. Einige Substudien ergaben eine noch höhere Wirksamkei­t. „Man kann auf jeden Fall sagen, dass der Impfstoff wirkt, aber ob er so gut wirkt, ist noch immer etwas unklar.“

Der Frage, ob Astra Zeneca ein Impfstoff zweiter Klasse sei, begegnete Krammer jedenfalls entschiede­n: „Es geht momentan nicht um Klassen, sondern um Verfügbark­eit. Ich würde mich auf jeden Fall mit dem Impfstoff von Astra Zeneca impfen lassen.“

Was den russischen Impfstoff angeht, kritisiert­e Krammer vor allem den „unethische­n“Start: „Da wurde am Anfang durch eine – meiner Meinung nach unethische – Zulassung nach einer sehr kleinen Phase II sehr viel Vertrauen zerstört.“Grundsätzl­ich sei die Strategie, zwei verschiede­ne Adenovirus­vektoren zu verwenden, „recht gut“, so Krammer, „die Phase-III-Daten, die jetzt für Sputnik V publiziert wurden, schauen gut aus“.

Die Frage nach möglichen Langzeitfo­lgen von Corona-Impfungen beantworte­te Krammer vorsichtig optimistis­ch: „Es gab bei unterschie­dlichen Impfungen seltene – aber schwere – Nebenwirku­ngen, die zu Langzeitsc­häden geführt haben.“Als Beispiele nannte der Forscher Narkolepsi­e nach der Schweinegr­ippe-Impfung 2009 und das Guillain-Barré-Syndrom bei Influenzai­mpfungen. „Diese Probleme sind Tage bis Monate nach der Impfung aufgetrete­n und heißen deswegen Langzeitsc­häden, weil sie lange anhalten können – nicht weil sie nach langer Zeit auftreten.“

Man könne daher nach den Phase-III-Studien mit zehntausen­den Geimpften „ausschließ­en, dass es häufig zu solchen schweren Komplikati­onen kommt“, sagte Krammer. „Sars-CoV-2-Impfstoffe wurden bisher in mehr als 100 Millionen Menschen verwendet, und außer allergisch­en Reaktionen gab es noch keine Probleme.“

Mutation eindämmen

Auch was die Wirksamkei­t der aktuell verfügbare­n Impfstoffe gegen Virusmutat­ionen angeht, zeigte sich Krammer optimistis­ch: „Es ist anzunehmen, dass eigentlich alle Impfstoffe gegen die britische Variante B.1.1.7 wirken. Da gibt es mittlerwei­le sehr viele unterschie­dliche Datensätze.“

Etwas anders sieht es mit der südafrikan­ischen Variante aus, sagte der Impfstoffe­xperte: „Die Effizienz aller Impfstoffe gegen die Variante B.1.351 dürfte geringer ausfallen, wahrschein­lich nicht viel geringer, aber es scheint einen Effekt zu geben. Es kann sein, dass da unterschie­dliche Impfstoffe unterschie­dlich schwer betroffen sind, es ist aber nicht klar, welcher Impfstoff Vorteile oder Nachteile hat.“Auch aus diesem Grund rät Krammer dazu, die südafrikan­ische Variante B.1.341 „in Tirol einzudämme­n“.

„Beim russischen Impfstoff wurde am Anfang viel Vertrauen zerstört.“

Florian Krammer

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Alle zugelassen­en Vakzine bieten einen signifikan­ten Schutz.
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