Der Standard

Überförder­t

Der zweite Lockdown bringt für behördlich gesperrte Betriebe großzügige­re Förderunge­n. Für viele Unternehme­n dürfte es im November zu Überförder­ung kommen. In der Koalition wird darum gerungen, sie noch zu begrenzen.

- András Szigetvari

Die Regierung sucht nach Wegen, um allzu üppige Gelder für heimische Firmen im Lockdown zu begrenzen.

Schnell und unbürokrat­isch will man Unternehme­n entschädig­en, die wegen des neuerliche­n Lockdowns im November zusperren müssen, verkündete Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Wochenende. Herzstück des neuen Pakets ist, dass Unternehme­n aus behördlich stillgeleg­ten Branchen 80 Prozent ihrer Umsätze vom November 2019 ersetzt werden. Die Regeln zur Kurzarbeit, inzwischen in Phase III angekommen, wurden ebenfalls adaptiert. So ist es möglich, die Arbeitszei­t von Mitarbeite­rn auf null zu setzten, solange der Lockdown dauert.

Doch im Detail gestaltet sich die Neuregelun­g komplizier­t und sorgt auch für Diskussion­en zwischen den Koalitions­partnern ÖVP und Grüne. Einer der Knackpunkt­e bei den Verhandlun­gen: Wie vertragen sich Kurzarbeit­sförderung und Umsatzersa­tz? Der Wirtschaft­sflügel der ÖVP, die Hotellerie und Gastronomi­e, drängt darauf, keine Gegenrechn­ung zu machen. Der Ersatz des Umsatzes soll also geleistet werden, und zwar ohne dass erhaltenes Kurzarbeit­sgeld davon abgezogen werden muss. Doch genau das würde in vielen Fällen zu einer beträchtli­chen Überförder­ung führen.

Kostenersa­tz ohne Kosten?

Wenn ein Unternehme­n alle seine Mitarbeite­r in Kurzarbeit schickt, werden die Gehälter via AMS ausbezahlt. Geschlosse­ne Betriebe haben zudem deutlich weniger bis gar keine Kosten für Wareneinga­ng. Wenn parallel dennoch der größte Teil des Umsatzes, aus dem die Kosten zu decken sind, ersetzt wird, dürfte das bei vielen Betrieben im November zu ansehnlich­en Gewinnen führen. Zudem ist es gut möglich, dass der Lockdown im Dezember verlängert wird: Finanziert der Staat Gewinne für Restaurant­s und Hotels?

Bei den Grünen ist man jedenfalls der Ansicht, dass eine Begrenzung eingezogen gehört, die zumindest krasse Fälle von Überförder­ungen verhindert. Das Argument der Partei lautet so: Restaurant­s und Hotels müssen behördlich verordnet im November schließen. Aber auch viele Zulieferbe­triebe wie Fleischhau­er oder Bäcker sind betroffen. Manche dieser Unternehme­n werden ebenfalls alle Umsätze verlieren. Diese Betriebe haben aber dennoch nur Zugang zum Fixkostenz­uschuss, der nur die Deckung von bestimmten Ausgaben zulässt und viel weniger Geld bringt. Unternehme­n ungleich zu behandeln sei unfair.

Krasse Fälle begrenzen?

Eine Idee lautet daher, doch eine Gegenrechn­ung zu machen: Gastronome­n und Hotels sollen demnach Kurzarbeit­sgeld und Umsatzersa­tz in Höhe von maximal 100 Prozent des Umsatzes aus dem vergangene­n Jahr beziehen können. Damit dieses Geld unbürokrat­isch beantragt werden kann, soll diese Gegenrechn­ung erst im Nachhinein erfolgen.

Ob sich die Grünen damit durchsetze­n, ist fraglich. Federführe­nd zuständig ist das ÖVP-geführte Finanzmini­sterium.

Dort heißt es, dass die finalen Details zu der Verordnung erarbeitet werden. Die Regelung könnte vielleicht schon heute, Freitag, präsentier­t werden.

Der Vorschlag der Grünen stößt in der ÖVP auf Ablehnung. Kurzarbeit im Nachhinein gegenzurec­hnen sei aufwendig und nicht praktikabe­l. Der Sprecher der Wirte bei der Wirtschaft­skammer, Mario Pulker, formuliert es so: „Die Branschaft

che ist kaputt. Dass nun hinterfrag­t wird, wenn einen Monat aus dem miserablen Jahr ein paar Euro mehr an Entschädig­ungen ausbezahlt werden, ist Chuzpe. Ja geradezu unfassbar.“Bei Arbeitnehm­ern sieht man solche Argumente kritisch. Wer seinen Job verliert und sogar genau dafür versichert war, bekomme ja auch nicht mehr Arbeitslos­engeld als Lohn, und sei es nur für einen oder zwei Monate. Gewerk

und Arbeiterka­mmer haben die neuen Regeln zur Kurzarbeit mitverhand­elt. Die Kompensati­on beim Umsatz auszuarbei­ten obliege der Regierung, heißt es beim ÖGB.

Fix ist, dass staatliche Kreditgara­ntien bei der Umsatzents­chädigung angerechne­t werden müssen. Das gibt das EU-Recht vor. Begrenzt ist der Umsatzersa­tz auf 800.000 Euro im Monat, auch das ist eine EU-Vorgabe. Einnahmen aus Zustellung­en

müssen nicht gegengerec­hnet werden. Andernfall­s hätten Betriebe, die viel zustellen, einen Nachteil. Unklar ist, wie der Kündigungs­schutz aussieht: Kurz sagte, im Gegenzug für die Umsatzents­chädigung dürfen Betriebe niemanden kündigen. Wirtesprec­her Pulker meint, das könne nur ab dem Tag der Veröffentl­ichung der Verordnung gelten. Der neue Lockdown hat bereits am Dienstag begonnen.

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