Der Standard

Mehrheit will Land nicht verteidige­n

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Unter den Bedingunge­n einer weltweit wütenden Pandemie schätzen die Österreich­erinnen und Österreich­er die weltweite Sicherheit­slage allgemein schlechter ein als in früheren Jahren: Zehn Prozent sehen die Weltlage als „sehr unsicher“, weitere 35 Prozent als „eher unsicher“an. An eine „sehr sichere“Welt glaubt nur jeder hundertste Befragte, weitere zehn Prozent meinen, die Welt sei „eher sicher“. Die Werte haben sich gegenüber der Vergleichs­umfrage im Jahr 2019 signifikan­t verschlech­tert.

Allerdings sieht nur eine Minderheit einen Zusammenha­ng mit der Sicherheit­slage in Österreich: Knapp 18 Prozent halten unser Land für sehr, 48 Prozent für eher sicher.

Das ist die Stimmungsl­age, der sich das Verteidigu­ngsministe­rium rund um Nationalfe­iertag und Budgetbesc­hluss gegenübers­ieht. Veröffentl­icht wurde die Untersuchu­ng, die von der Landesvert­eidigungsa­kademie mit Umfragedat­en des Linzer Market-Instituts durchgefüh­rt wurde, dieser Tage auf der Website des Verteidigu­ngsministe­riums.

Auffallend ist, dass die heuer erstmals abgefragte­n Effekte von Falschinfo­rmationen sowohl in sozialen als auch in klassische­n Medien als hoch eingeschät­zt werden (jeweils ein Drittel fühlt sich dadurch mehr oder weniger stark bedroht) und dass sich ein Drittel der Befragten durch religiösen Fundamenta­lismus bedroht fühlt.

Unveränder­t gegenüber früheren Jahren stimmen sechs von zehn Befragten (Frauen und ältere Befragte tendenziel­l noch stärker) der Aussage zu, dass Österreich neutral bleiben sollte. Für 75 Prozent ist die Neutralitä­t „untrennbar mit unserem Staatsgeda­nken verbunden“.

Zwei Drittel der Befragten meinen, dass die Neutralitä­t zur Sicherheit und Stabilität in Europa beitrage. Dass Österreich als Folgerung aus seinem neutralen Status sicherheit­spolitisch allein dasteht, wird aber von der Bevölkerun­g nicht verstanden: Nur 18 Prozent stimmen völlig, 28 Prozent teilweise der Aussage „Für seine Sicherheit sollte Österreich vor allem allein sorgen“zu. Vielmehr meinen 74 Prozent, dass Österreich weiterhin Trittbrett­fahrer der europäisch­en Politik spielen sollte: „Wenn Österreich militärisc­h angegriffe­n wird, sollten andere Mitgliedss­taaten der EU Österreich trotz seiner Neutralitä­t militärisc­h unterstütz­en.“

Umgekehrt meinen nur 30 Prozent, dass Österreich militärisc­he Unterstütz­ung leisten sollte, wenn ein Mitgliedss­taat der EU militärisc­h angegriffe­n wird.

Wer zur Waffe greift

Erhoben wurde auch, wer bereit wäre, Österreich im Falle eines militärisc­hen Angriffs zu verteidige­n. Sechs von zehn Frauen, aber auch fünf von zehn Männern sagen, dass sie nicht bereit wären, für Österreich zur Waffe zu greifen.

Nur ein Viertel der Männer ist uneingesch­ränkt bereit, der Wehrpflich­t nachzukomm­en, was auch damit zusammenhä­ngen dürfte, dass männliche Österreich­er unter 17 und über 50 nicht wehrpflich­tig sind. Von den Frauen, die nicht der Wehrpflich­t unterliege­n, sondern nur auf freiwillig­er Basis zu den Streitkräf­ten dürfen, sagen 7,7 Prozent, dass sie für das Land kämpfen würden.

Rund um den Nationalfe­iertag versucht das Bundesheer die Bevölkerun­g von den Notwendigk­eiten der Landesvert­eidigung zu überzeugen. Mit eher bescheiden­em Erfolg, wie eine Umfrage belegt.

Conrad Seidl

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